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RHF 2024
Das Rock-Hard Festival geht vom 17.-19. Mai 2023 in die nächste Runde, wie immer im wunderschönen Amphitheater in Gelsenkirchen.
Hier hat man wirklich von allen Plätzen aus einen hervorragenden Blick auf die Bühne, die Wege sind kurz, eine freundliche Security und humane Preise sorgen dafür, dass man das Festival in vollen Zügen genießen kann. Hochkarätige Acts versprechen ein abwechslungsreiches Festival.
Was 2003 als einmalig geplantes Jubiläumsfestival anlässlich des 20-jährigen Bestehens des ROCK HARD gedacht war, ist inzwischen ein “MUSS”. Ob es an dem musikalisch abwechslungsreichen Programm, dem traumhaft gelegenen Veranstaltungsort, der Stimmung oder an allem zusammen lag – die Fans sind begeistert! Nicht etwa nur „zufrieden“, sondern wirklich „aus dem Häuschen“, wie die zahlreichen Besucher- und Pressereaktionen zeigen.
Das Rock Hard Festival findet selbstverständlich wieder in der wohl schönsten Kulisse des “Reviers” statt. Direkt am Rhein-Herne Kanal gelegen, bietet das Amphitheater nicht nur einen malerischen Ausblick, sondern sorgt mit seinen aufsteigenden Rängen auch für die perfekte Sicht aufs Bühnengeschehen und optimalen Sound.
Mit dem ROCK HARD Festival hat sich innerhalb kürzester Zeit ein emotionsgeladenes Festival-Highlight im Ruhrgebiet etablieren können, das mit seinem urbanen Flair und den erstklassigen Rahmenbedingungen aus der Masse der Wald- und Wiesenveranstaltungen heraussticht. Seid mit dabei, wenn der Pott überkocht!
Hier die Bands:
Freitag, 17. Mai:
AMORPHIS
BRUTUS
UNLEASHED
MYSTIC PROPHECY
THRONEHAMMER
DREAD SOVEREIGN
Samstag, 18. Mai:
KK´S PRIEST
FORBIDDEN
PRIMORDIAL
VANDENBERG
WALTARI
BÆST
AIR RAID
WHEEL
Sonntag: 19. Mai:
D-A-D
RIOT V
EXHORDER
THRESHOLD
CHAPEL OF DISEASE
JOHN DIVA AND THE ROCKETS OF LOVE
MAGGOT HEART
WINGS OF STEEL
Die Tickets:
Die 3-Tages-Tickets kosten 130,90 Euro inklusive aller Gebühren (Ticket + Camping: 167,80 Euro)
Tagestickets sind im Vorverkauf zu folgenden Preisen erhältlich (alle VVK-Preise enthalten bereits die Vorverkaufsgebühr):
Freitag: 52,00 Euro
Samstag: 62,00 Euro
Sonntag: 62,00 Euro
Zusätzlich fallen pro Bestellung 7 Euro Versandkosten an, weil wir die Karten als speziell versicherte Sendung verschicken.
Alle Tickets können direkt in unserem Online-Shop bestellt werden: https://shop.rockhard.de/de-de/rock-hard-festival
Northern Silence LABELPORTRAIT
Metalheadz des älteren Semesters kennen noch die Zeiten, in denen es kein Internet, YouTube und Social Media gab. EMP und NUCLEAR BLAST waren unsere Bibel, bei denen man regelmäßig seine Sammlung aufstockte. Fans des erlesenen Black Metals erfreuen sich seit 2003 an dem Label NORTHERN SILENCE, das neben einem extrem abwechslungsreichem Angebot (von räudig, bis symphonisch sind alle Black Metal Arten vertreten) auch noch den alten Spirit lebt: mit Herzblut präsentierte Bands, teilweise limitierte Sammlerstücke und ein schöner Mix aus Vinyl, CD und Shirts. Wir sprachen mit dem Chef Torsten über sein langjähriges Soloprojekt, Sammelleidenschaft und einigen Bands.
Hallo Torsten und erstmal vielen Dank für deine Zeit! Bitte stell den Leuten, die Northern Silence noch nicht kennen, kurz vor.
Das Label wurde 2003 von mir gegründet und wird seitdem als „Soloprojekt“ betrieben. Die ersten beiden Releases waren ein exklusives Nåstrond Shirt und Endstille’s «Frühlingserwachen» Album auf Vinyl in 2003. Danach ging es stetig bergauf, mit etwa 10-15 Neuveröffentlichungen pro Jahr. Zu den nennenswertesten Releases der Anfangsjahre gehören u.a. Katatonia’s „Brave Murder Day“ Album auf Vinyl sowie die Debut-Veröffentlichungen von Amesoeurs, Fen und Nasheim.
Erzähl uns bitte noch etwas über die Entstehungsgeschichte; wie kam es zur Gründung und wie hat sich alles entwickelt?
Ich war seit Mitte der 1990er Jahre Vinylsammler und hatte durch viel Tauscherei und Schnäppchenjagd auf eBay und anderswo eine beachtliche Menge an Black Metal Tonträgern gesammelt, die ich zum Teil doppelt besaß und wieder verkaufen oder tauschen konnte. Als Sammler ist man ja darauf bedacht, Raritäten im bestmöglichen Zustand zu ergattern, und nicht ganz so schöne Exemplare wieder loszuwerden. So hatte sich im Verlauf einiger Jahre ein kleiner Mailorder entwickelt, der vor allem als Anlaufstelle für Sammler von Black Metal Raritäten galt. Dadurch, dass ich Gewinne immer wieder in neue Einkäufe steckte, wuchsen sowohl Bestand als auch Kundenstamm immer weiter. 2003 fasste ich schließlich den Entschluss, künftig mein eigener Chef zu sein und schlug den Weg in die Selbständigkeit ein.
Bei dem Namen Northern Silence musste ich direkt an die Katatonia EP „Jhva Elohim Meth“ und den Song `The Northern Silence` denken. War das der Grund für die Namensgebung? Schließlich passt es von der Atmopshäre und den Bands sehr gut (extrem vielschichtiger Black Metal mit tonnenweisen melodischen Einflüssen).
Das war tatsächlich der Grund. Katatonia waren Mitte der 90er meine absolute Lieblingsband, und „Dance of December Souls“ ist nach wie vor für mich das beste Album aller Zeiten. Wie sich im Laufe der Zeit herausstellte, hat „Northern Silence“ noch eine weitere signifikante Bedeutung für mein Leben, auf die ich hier jedoch nicht näher eingehe, weil sie nichts mit Musik zu tun hat.
Ihr habt eine eine große Palette von Bands, die sich unterschiedlichen Subgenres des Black Metal verschrieben haben. Wie kommt der Kontakt zustande? Klopfen die Bands bei euch mit den Demos an?
Entweder schicken die Bands ihr Material, oder ich frage an, wenn mir ihre Musik gefällt. Das läuft sicher bei den meisten Labels nach diesem Schema ab.
Es gibt meiner Meinung nach keine einzige Veröffentlichung, die nicht mit jedem Tropfen Herzblut gefüllt ist. Sei es bei den Shirts, den limitierten Digipacks oder den extrem schön aufgemachten Schallplatten!
Soweit ich Einfluss darauf nehmen kann, versuche ich, die Releases auch optisch aufzuwerten. Ich habe erst im Laufe der Zeit erkannt, wie extrem wichtig gute Cover Artworks für den Erfolg einer Veröffentlichung sind. In den letzten Jahren habe ich deshalb auch angefangen, ab und zu ein Veto einzulegen, und Releases optisch teilweise komplett umzukrämpeln. Ein Beispiel wäre das ziemlich hochkarätige Debutalbum von Malist, das nach Rücksprache mit dem Künstler ein neues Logo, ein neues Artwork und einen neuen Albumtitel verpasst bekam. Auch die unglaublich geile EP von Haimad, für mich persönlich die beste VÖ 2019, musste ich mit anderem Artwork veröffentlichen, als die Band ursprünglich vor hatte, um der genialen Tonkunst gerecht zu werden. Der Erfolg bestätigte diese Entscheidungen und hat mich darin bestärkt, noch mehr auf meine Intuition zu hören.
Auch unabhängig vom Erscheinungsbild halte ich eine hochwertige Verpackung und mithin eine strenge Limitierung für wichtig, speziell in einer Zeit, wo mehr und mehr Musik digital verkauft wird. Ein Sammler sollte immer etwas Wertiges für seine hart verdiente Kohle bekommen, das idealerweise im Laufe der Jahre an Sammlerwert gewinnt, und einem nicht irgendwann an jeder Ecke für Dumpingpreise hinterhergeworfen wird.
Der Vertrieb läuft sowohl physisch (CD und Vinyl), als auch digital über Bandcamp. Was bevorzugst du als Musikliebhaber persönlich eher?
Ganz klar physische Releases. Aus Sicht eines Sammlers natürlich Vinyl, aus Sicht des Pragmatikers, der ich im Laufe der Zeit geworden bin, CDs. Northern Silence hat deshalb auch erst im Oktober 2018 eine eigene Bandcamp-Seite bekommen, Jahre später als die meisten anderen Labels.
Lass uns einen Blick auf einige Künstler werfen: ELDAMAR liefern mit „A Dark Forgotten Past“ eine sehr atmosphärisches Album ab, das zwar im Black Metal verwurzelt ist, sich durch seine Innovation allerdings vom reinen aggressiven Geknüppel abhebt. Wie empfindest du das Album und was hast du gedacht, als du es das erste Mal gehört hast?
Ich dachte, es klingt wie das Debut, haha. Im Ernst, viele Fans hatten mit einer Weiterentwicklung gerechnet, aber der Künstler zog es vor, den Stil, der sein Projekt so beliebt gemacht hat, einfach noch etwas zu verfeinern. Eldamar war definitiv eine Überraschung, was den Erfolg angeht. Zumindest in dem Ausmaß war ich davon absolut positiv überrascht.
Ich weiß noch, als ich damals aus dem Bauch heraus die „Aura“ von SAOR bestellt habe und mich der Mix aus Highland Feeling, Raserei und Atmosphäre (Flöte, Dudelsack, Frauenstimme; hier war einfach alles dabei) an die Wand getackert hatte. Leider ist Andy Marshall nicht mehr bei euch an Bord. Wie war die Kooperation mit ihm und könnte es zu einer weiteren Zusammenarbeit kommen?
Die Kooperation lief im Grunde ausgezeichnet. Leider kam es im Zuge zweier Veröffentlichungen zu Verzögerungen und Problemen im Presswerk, auf die ich keinen Einfluss hatte. Für Andy, der es nicht gewohnt ist, dass es mit Presswerken eigentlich ständig Probleme gibt, war das vielleicht einer der Punkte, die zum Fortgang führten. Avantgarde ist jedoch ein großartiges Label und Andy weiß genau, was er tun muss, um den Erfolg seiner Band weiter zu vergrößern. Von daher hat er sicherlich die richtige Entscheidung getroffen. Ich verstehe das vollkommen und bin dankbar dafür, dass ich drei seiner Alben veröffentlichen durfte.
EMYN MUIL klang für mich mit „Túrin Turambar Dagnir Glaurunga“ im ersten Augenblick wie eine billige Summoning Kopie. Nach einigen Durchläufen dieser gefühlten 100. Tolkien Band packte mich allerdings der Charme von den Stücken und irgendwann hatte ich mir das Album schön gehört, das es immer noch ein Geheimtipp für mich ist. Wie empfindest du das Album heute?
Es ist ein Stil, der inzwischen viele Atmospheric Black Metal Fans anspricht. Nicht umsonst entstanden nach der Veröffentlichung von Caladan Brood’s „Echoes of Battle“ so viele Bands mit Summoning-Einfluss. Die Österreicher haben zweifellos eine eigene Nische geschaffen, und für mich gehört Emyn Muil zu den Bands, die am ehesten das Potential haben, in die Fußstapfen von Summoning zu treten.
Ein ähnliches Schönhören hatte ich auch bei ERED WETHRIN mit „Tides Of War“. Irgendwie fehlte mir das die eigene Identität, obwohl die Melodien packten und die Summoning Wurzeln unverkennbar waren. Wie kam es damals zur Zusammenarbeit?
Zur Zusammenarbeit kam es infolge der Caladan Brood Veröffentlichung. Die Identitäten von Shield Anvil und Mortal Sword sind inzwischen wohl ein offenes Geheimnis. Am direkten Vergleich zwischen Caladan Brood, Gallowbraid und Ered Wethrin erkennt man jedoch, wem von beiden ein Übermaß an songwriterischem Können in die Wiege gelegt wurde, und wer es sich erarbeiten muss.
CALADAN BROOD spielten sich bereits mit den ersten Tönen von „Echoes of Battle“ direkt in mein Herz. Unfassbar, was diese Truppe mit ihrem Debüt abgeliefert hatte; Summoning haben Jahre gebraucht, um derart atmosphärisch zu klingen, was Caladan Brood mal eben so gelingt. Auch die Vinyl Version ist einfach zum Niederknien und es fällt mir schwer, jetzt nicht erneut in Jubelgesänge auszubrechen. Wie kam es zur Zusammenarbeit, wird es noch Nachschub geben und falls ja ab wann? Gab es viele positive Reaktionen auf diese Scheibe?
Da ich bereits durch Gallowbraid mit Jake Rogers, neben Steven Smith von Ered Wethrin dem Genie hinter Caladan Brood, zusammenarbeitete, und ich außerdem seit „Minas Morgul“-Zeiten großer Summoning-Fan bin, musste ich nicht lange überlegen, als Jake mir von Caladan Brood erzählte, und nahm die Band sofort unter Vertrag. Interessanterweise hatte ich auch die bis dahin erschienenen Bände von Steven Erikson’s „Malazan Book of the Fallen“ allesamt verschlungen, so dass ich auch inhaltlich bestens mit dem Konzept der Band vertraut war.
Ob da irgendwann noch ein weiteres Album erscheint, steht leider in den Sternen. Steven würde vermutlich gern noch eins veröffentlichen, aber ohne Jake wäre es nicht Caladan Brood. Bis es vielleicht irgendwann soweit ist, müssen sich die Fans jedenfalls mit „Echoes of Battle“ begnügen. Für mich persönlich ist es DAS Epic Black Metal Album schlechthin, an dem sich alle anderen Bands messen müssen. Die positiven Reaktionen darauf waren und sind überwältigend, und das Album ist auch die bei weitem erfolgreichste Northern Silence Veröffentlichung.
Ich weiß noch, als ich DÄMMERFARBEN mit „Im Abendrot“ zum ersten Mal aufgelegt hatte. Eine romantische Antwort auf Empyrium, allerdings ohne nur kopieren zu wollen. Gibt es die Band überhaupt noch?
Habe schon lange nichts mehr von ihnen gehört.
Ich hatte das Glück einmal die Jungs von HERETOIR live zu treffen, als sie mit Alcest in Oberhausen gespielt haben. Soweit ich weiß, ist die Band immer noch bei euch an Bord. Wie läuft es bei euch und wie kam es eigentlich zur langjährigen Zusammenarbeit?
Heretoir wurde gesignt, als es noch ein Soloprojekt von David war. Inzwischen hat sich Heretoir zu einer vollwertigen und musikalisch wie konzeptionell herausragenden Band entwickelt, was mit „The Circle“ eindrucksvoll unter Beweis gestellt wurde. Es steht noch ein weiteres Album aus, das bereits in Arbeit ist, dann ist der Vertrag mit Northern Silence erfüllt und ich gehe stark davon aus, dass die Band im Anschluss bei einem größeren Label unterschreiben wird – vielleicht Prophecy Productions, wo sie vom Stil her gut passen würden.
MÖRKER haben mich damals mit ihren packenden Riffs sofort in den Bann gezogen. Ich glaube, daß es auch damals für mich eine weitere Bestätigung war, dass ich mit den Bands von Northern Silence generell sehr gut klar kam und fast jeder Kauf ein Volltreffer war. Gibt´s die Band eigentlich noch?
Auch von Mörker habe ich schon lange nichts mehr gehört. Das letzte Lebenszeichen war vor einigen Jahren eine Anfrage, ob ich eine 7“ mit neuem Material veröffentlichen würde, wozu es aber augenscheinlich nie kam. Ich nehme an, dass die Band in ihrer damaligen Form nicht mehr existiert.
Einen weiteren Kniefall vor meiner Anlage können GALLOWBRAID bei mir verzeichnen, wo „Ashen Eidolon“ endlich wieder veröffentlicht wurde (sogar auf Vinyl). Dafür erstmal ein fettes DANKE, da ist ein Traum für mich in Erfüllung gegangen (inklusive geilem Longsleeve). Erzähl uns bitte darüber, wie die Veröffentlichung zustande gekommen ist.
Wie vorher schon angedeutet, halte ich Jake Rogers, der sowohl Gallowbraid als auch Caladan Brood zu dem gemacht hat, was sie sind, für einen begnadeten und absolut herausragenden Künstler. Das war mir sofort bewusst, als ich seinerzeit die Demosongs von Gallowbraid auf Myspace hörte, weshalb ich ihn auch ohne zu zögern unter Vertrag nahm. Der einzige Nachteil ist, dass es Jake völlig egal zu sein scheint, wie gut seine Werke ankommen, und er sich von Erfolg nicht im Geringsten beeinflussen lässt. Das spricht einmal mehr auch für seine Persönlichkeit, jedoch zum Leidwesen aller Fans, die seit Jahren auf neues Material von Gallowbraid oder Caladan Brood warten. Im Moment scheint jedenfalls seine Heavy Metal Band Visigoth die unangefochtene Nr.1 zu sein, in die er am meisten Zeit investiert. Darüber hinaus ist er aber in anderen Bands aktiv und schreibt auch ab und zu neues Material für Soloprojekte. Eines davon ist Tower Wraith, ein traditionelles Black Metal Projekt im Stile der 90er. Das Debut ist bereits unter Dach und Fach, stilistisch natürlich wie geschaffen für Northern Silence, und erscheint voraussichtlich irgendwann in den nächsten 10 Jahren
Erebos, Ruadh, Haimad, die Liste der letzten Neuveröffentlichungen ist lang und ich entdecke immer noch Neues auf diesen Scheiben. Auch die Tatsache, dass es sich um limitierten Digipacks handelt lässt bei mit die unbezähmbare Sammelwut nicht stillstehen. Was läuft eigentlich besser, Bandcamp/digital oder physische Alben?
Mein Fokus liegt weiterhin auf physischen Releases. Downloads sind Zusatz und einfach der gegenwärtigen Entwicklung geschuldet. Natürlich gehen die Verkaufszahlen von CDs immer mehr zurück, was neben dem extremen Überangebot vielleicht auch ein wenig durch den Vinylboom der letzten Jahre verursacht wurde, aber da werden einfach die Limitierungen entsprechend verringert, damit kein Überangebot entsteht. Als Sammler macht man beim Kauf der neueren Northern Silence Releases bestimmt nichts falsch, egal ob CDs oder Vinyl, und als Fan hoffentlich auch nicht.
Ich habe generell das Gefühl, das Northern Silence sich noch in den 90ern befindet, wo man Alben unbekannter Bands noch nach Cover, wenigen Worten Promotext oder Bauchgefühl kauft, ohne großartig Reviews lesen zu müssen oder bei YouTube reinhört (was mir sehr gut gefällt). Ist es das, was du auch mit dem Vertrieb der Musik erreichen möchtest?
Ich lege nicht viel Wert auf Reviews, weil sie immer nur die subjektive Meinung eines Einzelnen widerspiegeln. Das Caladan Brood Album z.B. landete seinerzeit auf dem drittletzten Platz im Soundcheck des Rock Hard. Wieso soll man da als Fan nicht lieber Youtube nutzen, um sich selbst ein Urteil zu bilden, anstatt Reviews von Leuten zu lesen, die vielleicht einen ganz anderen Geschmack haben? Das ist aber auch eine Frage der Persönlichkeit. Mich tangieren andere Meinungen kaum, wenn es um subjektive Dinge wie Musikgeschmack geht. Dennoch ist mir klar, dass der Mensch ein Herdentier ist, und viele Fans von der Meinung anderer beeinflusst werden. Von daher freue ich mich über positive Reviews von Northern Silence Releases, betreibe aber keine exzessive Promo in dieser Richtung. Von den etwa 300 Empfängern in der Promoliste verfassen am Ende vielleicht 10 ein Review. Ich frage bei den anderen 290 nicht nach, ob sie das nicht auch tun möchten. Wer nicht will, der hat schon.
Wie läuft es eigentlich mit der Website? Du hattest einen Aufruf gestartet, dass die Website neu gestaltet werden sollte, nachdem eine ursprüngliche Zusammenarbeit nicht geklappt hat. Wie ist der aktuelle Stand und gibt es weitere Pläne für die Zukunft?
Es ging dabei um den Online-Shop, der mittlerweile in die Jahre gekommen ist. Die Anzahl an Bestellungen und der damit verbundene Arbeitsaufwand haben mittlerweile Dimensionen angenommen, wo ich als Einzelkämpfer jedes Mal in arge Bedrängnis komme, wenn einige hochkarätige Veröffentlichungen anstehen. 2019 herrschte von Januar bis Mai fast durchweg Ausnahmezustand, und das ist auf Dauer nicht gesund. Ein moderner Webstore wird mir durch Automatisierung sehr viel Arbeit abnehmen, und meinen Kunden ein angenehmeres Einkaufserlebnis bescheren. Der neue Shop ist inzwischen in Arbeit und wird voraussichtlich im August online gehen. Mehr Infos gibt’s zu gegebener Zeit auf Facebook und via Newsletter.
Was denkst du eigentlich über die Entwicklung von KATATONIA? Ich gehe zumindest mal stark davon aus, dass du auch ein Fan bist; hörst du sie immer noch, obwohl sie den atmosphärischen Black Metal abgestreift haben und sich eher der progressiven Schiene verschrieben haben? (Meiner Meinung ist das „Dance of December Souls Album“ eines der genialsten Alben, das je auf die Menschheit losgelassen wurde. Falls du Bock auf ein Katatonia Special hast, gönn es dir hier.)
Ich liebe die ersten drei Veröffentlichungen über Alles. Von „Brave Murder Day“ war ich seinerzeit so enttäuscht, dass ich die „Autumn Wilderness“ Tour, die Katatonia damals mit In The Woods spielten, boykottieren musste – eine Sache, die ich noch heute sehr bereue. Es hat eine ganze Weile gedauert, bis ich mit dem Album warm geworden bin. Inzwischen mag ich es ganz gern. Dennoch ist es für mich meilenweit von den vorherigen Meisterwerken entfernt. An die späteren Releases ab „Discouraged Ones“ bin ich erst nach der Jahrtausendwende herangekommen, und alles, was nach „Viva Emptiness“ erschien, gibt mir einfach gar nichts mehr. Zum Glück haben sie in den 90ern ihr Logo geändert.
Früher kamen die Black Metal Bands überwiegend aus Norwegen, Skandinavien und aus Schweden. Mittlerweile gibt es viele geniale Bands aus Amerika. Wie siehst du diese Entwicklung?
Natürlich gab es auch damals schon zahlreiche gute Black Metal Bands in anderen Ländern, aber Skandinavien war schon aufgrund der Masse an hochkarätigen Bands eine Macht. Viele andere Länder haben längst aufgeholt, nicht zuletzt durch die Möglichkeiten der modernen Aufnahmetechnik, wo Künstler praktisch alles selbst machen können, und der Verbreitung über das Internet. Es gibt mittlerweile fast überall gute und großartige Bands. Am meisten umgehauen hat mich seinerzeit „Spiritus/Sulphur“ von Dead Limbs, drei 17-jährigen Teenagern aus Brasilien, die auf dem Album einen ultragenialen Black Metal zelebrieren, den ich eher aus Schweden oder Polen erwartet hätte. Ich habe gelernt, die Herkunft völlig außer Acht zu lassen, und einfach nur die Musik auf mich wirken zu lassen. Dennoch werden Norwegen und Schweden für mich immer die Wiege des Black Metals sein, den ich am meisten schätze. Nicht umsonst nehme ich gern Bands unter Vertrag, die den Geist der damaligen Zeit in sich tragen, seien es „alte Hasen“ wie Haimad, oder Newcomer wie Nornír oder Malist.
Vielen Dank für deine Zeit und das Interview! Noch einige abschließende Worte an unsere Leser?
Ich bedanke mich für die Möglichkeit, einen Einblick in das Schaffen von Northern Silence geben zu können, und dass ich den Lesern einige der Bands nahebringen durfte. Northern Silence wird bis auf weiteres als Soloprojekt im Untergrund tätig sein und hoffentlich ab und zu mit aus der Masse herausragenden Releases auf sich aufmerksam machen. Bei dieser Gelegenheit noch ein kleiner Tipp für die zweite Jahreshälfte – das Debutalbum von Arctos aus Kanada. Genialer, melodischer Black/Death Metal, der auch zu Schweden’s Glanzzeiten hätte entstanden sein können. Unbedingt anchecken! Infos und Hörproben gibts bald.
Wer auch nur ansatzweise etwas mit Black metal anfangen kann, sollte unbedingt einen Blick auf die Homepage von NORTHERN SILENCE werfen. ACHTUNG: nach dem Betreten und den ersten Hörproben besteht (besonders für Sammler physischer Tonträger und Shirts) schnell Suchtgefahr! Wir haben euch gewarnt…
In diesem Sinne: viel Spaß beim Stöbern und support Northern Silence!
Radu
METALACADEMY
Einmal im Leben auf der Bühne stehen, mit seinen Kumpels jammen oder einfach mal die Songs seiner persönlichen Helden nachspielen? Es gibt viele Gründe Gitarre zu lernen und noch viele Alben, die noch geschrieben werden wollen. Wie bringt man sich allerdings am besten Gitarre Spielen bei? Heutzutage gibt es zwar viele YouTube Videos und Online Akademien, allerdings geht bei der individuellen Betreuung nichts über den old school Gitarrenlehrer. Dass er dabei Mentor, Berater und Kumpel sein kann, der auf seinen Schüler individuell eingehen kann, verrät Björn von der METALACADEMY.
Hallo Björn , erzähl uns doch zu Anfang für die Leser, die Metalacademy noch nicht kennen, etwas über dich und deine Arbeit.
Hallo. Die MetalAcademy ist eine Musik- und Bandschule. Ich unterrichte hier das Fach Gitarre mit der Spezifikation auf Rock und insbesondere Metal. Willkommen ist jeder vom Anfänger bis zum Fortgeschrittenen, der sich entwickeln möchte. Als MetalAcademy habe ich die Vision Schülern das musizieren zu lehren und nicht einfach nur nach einem Schema X das Gitarre spielen beizubringen, wie es leider heute immer noch an vielem Musikschulen praktiziert wird. Der Gitarrenunterricht muss meiner Meinung nach so individuell gestaltet werden wie der/die Schüler/-in ist.
Bands können in der MetalAcademy in Erfahrung bringen wie sie sich am besten organisieren und strukturieren und wie sie einfache Marketinginstrumente für sich zu eigen machen, um beispielsweise ihren Bekanntheitsgrad zu steigern und mehr Leute zu ihren Konzerten zu ziehen. Das Bandcoaching ist nicht als rein musikalisches Coaching zu sehen, sondern vielmehr als betriebswirtschaftliches Coaching. Eine Band sollte sich daher mehr als Unternehmen verstehen, wenn sie konkrete Ziele haben, die sie erreichen wollen. Diese Ziele arbeiten wir gemeinsam aus und ich zeige Ihnen den roten Faden auf.
Wann kam bei dir der Wunsch auf, andere Leute zu unterrichten und wie hat sich das bei dir (im Laufe der Jahre) entwickelt?
Der Wunsch Leute zu unterrichten geht mehr als 12 Jahre zurück. Damals hatte ich im Abendgymnasium das Abitur nachgeholt und habe mich auf die Aufnahmeprüfung an der Universität vorbereitet. Währenddessen habe ich schon die ersten Schüler unterrichtet, Der Wunsch kam auf, weil ich im Zusammenhang mit der Aufnahmeprüfung selbst nach Jahren wieder Unterricht genommen hatte und sehr viel Spaß beim Lernen hatte. Ich wollte unbedingt mein Wissen weiter geben und andere sehen wie sie sich durch mich entwickeln. Zu unterrichten hat mir immer großen Spaß gemacht.
Des Weiteren will ich dazu beitragen, dass sich die akademischen Musiker von ihrem Standpunkt bewegen. Es mag sein, dass die höchste Kunst der Musik in der klassischen Musik und meinetwegen auch im Jazz vorzufinden ist, aber was wollen denn die Schüler? Meiner Meinung nach reicht es nicht aus jede Musikrichtung zu verstehen und in Ansätzen erklären zu können. Wer vermitteln will, der muss auch verstehen was dazu gehört und das bedarf der Spezialisierung. In allen Bereichen wird spezialisiert, aber in der Musik viel zu wenig.
Da mir privat Metal am besten gefällt und ich der Überzeugung bin, dass dies einfach ein längst überfälliger Schritt der Zeit ist, unterrichte ich Metal- und Rockgitarre. Weil ich glaube, dass es das ist was die Leute heute lernen wollen und nicht klassische Musik oder Jazz.
Wie kam es zu der Idee, die Metalacademy zu gründen?
Die Idee zur Gründung der MetalAcademy geht weit zurück. Ich weiß nicht genau wann mir diese Idee zum ersten Mal kam, aber Grundgedanke war der, etwas zu machen, dass es so noch nicht gibt.
Zum einen die Betriebswirtschaft mit der Musik innerhalb einer “Schule” zu verbinden und insbesondere Bands, aber auch Einzelmusiker, den Blick auf das Große-Ganze zu eröffnen.
Auf der anderen Seite einen Musikunterricht zu gestalten, wie es ihn so noch nicht gibt, nämlich spezifiziert auf ein Genre und immer mit einem konkreten Ziel vor Augen, damit der Schüler auch erkennt warum er gerade diese Übung macht und nicht die Skalen aus dem Buch auswendig lernt, oder einen Song übt den der Lehrer gut findet.
Aus meiner eigenen Erfahrung weiß ich, dass es sehr viele Bands und Musiker gibt die z.B. zu Fünft in ihrem Proberaum stehen, Songs gemeinsam komponieren, der Meinung sind sie müssten mindestens zweimal in der Woche Proben um ihre Setlist auszubauen, mindestens 1 Konzert im Monat spielen wollen und sich jedes Mal nach dem Gig fragen: “Wieso waren wieder nur die gleichen Leute da?” Wem das so gefällt -super! Wer mit seiner Musik aber weiter möchte und Ziele hat, und wenn es nur darum geht mal in einer anderen Stadt aufzutreten, der sollte den Blick über den Tellerrand wagen. Dabei möchte ich helfen und habe das Bandcoaching entworfen.
Jeder von uns Musikern kennt das: Ein Jazzer kann eventuell etwas Metal spielen, aber er klingt dabei wie ein Jazzer und ein Metaller kann vielleicht Jazz spielen, klingt dabei aber immer noch wie ein Metaller. Die meisten Lehrer gestehen sich dies aber nicht ein, drum unterrichten sie alles. Ich persönlich kann einem Schüler kein Jazz beibringen, weil ich es nicht fühle. Allein mein Saitenanschlag wird niemals nach Jazz klingen und deswegen unterrichte ich schnelle, harte Musik. Weil’s halt geiler ist.
Der Unterricht verläuft in der MetalAcademy nicht steif nach einem Buch oder einer Vorgabe. Der Schüler setzt die Ziele und damit bestimmt der Schüler den Unterricht. Er lernt das was er braucht und deswegen gibt es in der MetalAcademy für jeden Schüler einen individuellen Lehrplan – adressatengerecht und zielgerichtet.
Mit diesem Aufbau und der Sehnsucht etwas zu arbeiten, dass mich erfüllt, hat sich dann die Idee zur Gründung der MetalAcademy gefestigt
Dein Unterricht versteift sich nicht nur auf den Metalstil, sondern bezieht auch noch andere Richtungen mit ein. Wie wird die Dynamik des Metal mit den anderen Techniken vermittelt?
Zu aller erst ist es wichtig zu wissen wo der/die Schüler/-in hin möchte, was er/sie mit dem Spielen der Gitarre verbindet sowie auch welche Vorkenntnisse gegeben sind und welche Bands er/sie hört.
Der Schüler steht bei mir im Vordergrund, deshalb wird auch nur gelehrt was gelernt werden will. So ist die Motivation doch am größten.
Auf meiner Homepage werbe ich explizit für Rock- und Metalmusik. Die beiden Richtungen umfassen sehr viel und sind gleichzeitig sehr verwandt. Der Unterrichtsstoff ist aber sehr individuell. Wer zu mir kommt, um Punk mit seiner Gitarre zu spielen, dem zeige ich was dafür nötig ist. Kommt eine Schülerin zu mir, um Classic-Rock-Gitarre zu lernen, dann zeige ich ihr die wesentlichen Merkmale dafür. Habe ich einen Schüler der ausschließlich Black Metal spielen möchte, dem zeige ich selbstverständlich was die Charakterzüge dessen sind.
Egal, welche Richtung es ist das Instrument bleibt dennoch das Gleiche. Wir spielen daher Skalen, Songs, Übungen und lernen Noten, Intervalle und alle technischen sowie stilistischen Mittel die nötig sind, um dem Schüler ans Ziel zu bringen. Da muss man dann eben im Endeffekt unterscheiden was der Schüler braucht um an sein Ziel zu kommen. Das ist eben ein wesentlicher Bestandteil, worin sich die MetalAcademy von konventionellen Musikschulen unterscheidet. Gehe ich mal von meiner eigenen Erfahrung aus: Ich habe an einer städtischen Musikschule gelernt. Ich wollte harte Musik spielen, mein Lehrer war ein Blueser und wir sind zwei Jahre lang ein Lehrbuch durchgegangen mit dem ich Beatles, die Rolling Stones und Co. gespielt habe. Nichts gegen diese Bands, aber für den Unterricht war es nicht adressatengerecht. Nach diesen zwei Jahren erwähnte ich das Solospiel und wir nahmen wieder nur ein Buch zur Hand und klinperten wahrlos jegliche Licks von diversen Interpreten runter. Das war dann auch nicht sehr zielführend.
Zudem wurde mir später von vielen Schülern gesagt, dass ihre vorherigen Lehrer sich viel zu gerne selbst spielen gehört haben. Sie wurden kaum unterrichtet, sondern die Lehrer waren in ihrer spielerischen Selbstverliebtheit so gefangen, dass es mehr darum ging Anerkennung vom Schüler zu ernten. Ich schweife ab, Entschuldigung. *lacht* Was ich sagen möchte ist, dass ich in dem Unterricht ganz universell mit den Schülern verfahre und das bezieht sich eben auch auf die Genre die der oder die Schüler/-in lernen möchte. Es ist wichtig sich auf den Schüler einzulassen und daraus resultiert dann auch das didaktische Material für den Schüler.
Auf deiner Seite schreibst du dass, sich dein Unterricht von den anderen abhebt, indem du auf die individuelle Situation deiner Schüler eingehst. Gibt es da ein Grundkonzept, wird ein individueller Plan erstellt oder wie läuft es konkret ab?
Natürlich gibt es ein Grundkonzept. Zunächst lernt man sich in der Probestunde etwas kennen. Daraus ergibt sich dann auch das Ziel des Schülers. Anhand des Ziels, schreibe ich dann einen individuellen Lehrplan. Dieser Lehrplan ist so flexibel gestaltet, dass kein Druck entstehen kann, d.h. also wir legen keine Meilensteine fest, die ab Tag X erfüllt sein müssen. Dennoch muss der Schüler nach jeder Stunde das Gefühl haben “heute habe ich DAS gelernt” oder zumindest besser verstanden. Der Plan beinhaltet im Wesentlichen das didaktische Vorgehen, also bildet den roten Faden. Das methodische Vorgehen ergibt sich mit der Zeit, da man erst noch heraus finden muss, was für ein Lerntyp der Schüler bzw. die Schülerin ist.
Hier ergibt sich dann auch das hauptsächliche Alleinstellungsmerkmal der MetalAcademy im Gitarrenunterricht, denn eine städtische Musikschule kann nicht für jeden Schüler einen individuellen Lehrplan schreiben. Der Verwaltungsaufwand und die Kosten wären viel zu groß. Die Plätze an der MetalAcademy sind hingegen sehr begrenzt, was mir eine viel größere Dynamik ermöglicht.
Was passiert während einer Probestunde?
Bei der Probestunde geht es hauptsächlich darum sich kennen zu lernen und heraus zu finden, ob man sich sympathisch ist und wie man im Folgenden den Unterricht gestalten könnte. Vielen Schülern muss man darüber hinaus noch diverse Ängste nehmen, die sich irgendwann mal eingeschlichen haben. Viele Leute haben z.B. Angst Noten lernen zu müssen. Da sage ich dann immer: “Wir können ohne Noten verfahren, leichter wäre es aber mit Noten” und “bisher hat es bei mir jeder ohne Probleme gelernt”. Ich verstehe nicht woher diese Angst kommt.
Dann geht es noch darum die Vorkenntnisse auszuloten, was gar nicht so leicht ist. Da muss man schon viel Fragen und im Nachgang trotzdem Korrekturen vornehmen.
Wir machen dann etwas neues für den Schüler. Auf diese Weise kann ich mir dann z.B. auch schon die Haltung ansehen. Bei fortgeschrittenen Gitarristen kommt die Spieltechnik hinzu.
Zwischendurch sprechen wir natürlich viel über Musik im allgemeinen, Bands und was der/die Schüler/-in sonst so macht.
Zum Schluss wird das weitere Vorgehen besprochen.
Du hast selbst auch Gitarrenunterricht genommen; welche Aspekte sind dir beim Lernen besonders wichtig gewesen und in wie weit hat die Chemie zwischen Lehrer und Schüler Auswikrungen darauf?
Ich weiß, dass die Chemie zwischen Schüler und Lehrer enorm wichtig ist. Lernen kann man am besten wenn man Spaß dabei hat und wer Spaß hat, ist sich auch eher sympathisch.
Glücklicherweise habe ich mich bisher mit all meinen Gitarrenlehrern gut verstanden.
Abgesehen von dem Spaß daran etwas neues zu lernen, war mir immer wichtig, dass es mich auch spielerisch weiter bringt. Das setzt auch voraus, dass ich als Schüler mehr spiele als der Lehrer, denn wie will er mich denn korrigieren bzw. wie kann ich mich verbessern, wenn der Lehrer die meiste Zeit spielt und/oder erzählt.
Zudem war mir immer wichtig, dass der Lehrer mich inspirieren kann und das geht halt nur, wenn ihm die Musik gefällt, die mir auch gefällt. Hier kommt dann wieder die Chemie zwischen Schüler und Lehrer zum tragen.
Was denkst du über Online-Gitarrenunterricht?
In Zeiten der Globalisierung und Digitalisierung ist es sicherlich ein erforderlicher Schritt den dieser Markt eröffnet. Auch viele Unternehmen bieten heute online Training on the job an. Das bietet viele Vorteile für die Unternehmen. Beispielsweise werden die Mitarbeiter geschult, Unternehmen sparen sich die Raumkosten und oft sind auch die Dozentenhonorare niedriger, da diese keine Anfahrtskosten haben. Bezogen auf den Gitarrenunterricht muss man sich zuerst mal konkret das Medium Internet anschauen und welche Software ggf. dafür bereit steht. Da muss man dann zwischen live-Unterricht und Videokurse unterscheiden, wo du dir als Schüler nur eine Lektion nach der anderen ansiehst. Für den live-Unterricht gibt es nur wenige Programme die es ermöglichen via Videotelefonie zu unterrichten und diese sind dafür nicht konkret ausgelegt. Hinzu kommt, dass beide Seite sehr stark von der Internetverbindung abhängig sind und wenn sich das Internet aufhängt leidet massiv die Qualität des Unterricht. Außerdem hast du als Lehrer nur eine gewisse Zeit für den Schüler, während der nächste Schüler schon in den Startlöchern auf dich wartet. Ein weiteres großes Manko sehe ich in der Bildqualität. Selten hat man die optimale Ausleuchtung und den Bildfluss, der benötigt wird um als Lehrer zum Beispiel die Gitarrenhaltung des Schülers adäquat zu bewerten. Zudem kann es Latenzen geben, so dass man als Lehrer gar nicht beurteilen kann, ob der Schüler gerade auf dem Punkt spielt. Wie gestaltet man also so einen online Gitarrenunterricht, um diese Negativeinflüsse zu vermeiden? Für mich ist das aktuell gänzlich ausgeschlossen, denn ich möchte meinen Schülern einen qualitativen Unterricht bieten. Schüler brauchen die Korrektur und die kannst du als Lehrer nur von Angesicht zu Angesicht gewährleisten. Aus diesem Grunde sind auch Videokurse für mich gänzlich ausgeschlossen. Wenn ich als Lehrer nicht genau sehe und höre was der Schüler macht, kann ich darauf auch nicht eingehen. Das sind dann am Ende die Schüler die den Kurs frustriert abbrechen, weil sie niemand korrigiert hat und sie auf ihre Fehler aufmerksam gemacht hat. Abweichend betrachte ich das wenn es um reinen Theorieunterricht geht, oder wenn der Schüler entsprechend fortgeschritten spielt und nur leichte Hilfestellungen benötigt. Auch kleine online-Workshops halte ich für möglich. Ich halte das Thema Online-Unterricht aber definitiv stark im Fokus, da sich daraus auch große Vorteile ergeben können. Ich möchte nicht ausschließen, dass es die MetalAcademy auch mal als Online-Unterricht geben wird. Geplant ist es in Zukunft aber nicht.
Welche Bands haben dich am meisten inspiriert und warum?
Ich glaube die absolut inspirierenste Band ist für mich seit sehr sehr langer Zeit Opeth. Ich kenne keine zweite Band die vielseitiger ist und mehr einfach nur das macht was sie gerade will. Ich finde das äußerst sympathisch. Was mich an Opeth so inspiriert ist, dass sie in gewisser Weise meinem eigenen Gitarrenstil unglaublich nah kommen und gleichzeitig immer wieder neue Elemente einbringen, auf die ich selbst nicht gekommen wäre.
Was mich aber damals u.a. zum Gitarre spielen gebracht hat war Slash. Wer ist vorher auf einem Flügel gestiegen und hat ein Solo gespielt, dass so unbeschreiblich melodiös war wie kein zweites, oder stand allein in der Wüste und hat die Rebellion und Musik verkörpert wie kein anderer?
Ich war nie ein riesen Guns’n'Roses Fan, aber bei dem Gedanken daran, kriege ich heute noch eine Gänsehaut. *lacht* Ich musste einfach Gitarrist werden!
Gary Moore ist und bleibt meine Nummer 1. Niemand hat je so viel Melodie, Technik und Gejammer in Einklang gebracht wie er und mit so viel Gefühl gespielt. Ansonsten sind es wohl all die großen Bands die jeden von uns Metallern inspiriert haben: Metallica, Iron Maiden, Dream Theater, AC/DC, etc. Ich mag auch viele “moderne” Bands wie Arch Enemy, Wintersun, Dragonforce, Children of Bodom usw.
Gib mir ein Bier und ich führe diese Liste unendlich fort -
Savatage, Conception, Racer X, Mr. Big, Eddie Van Halen, Steve Vai…
…oder zwei -
Orden Ogan, Gloryhammer, Insomium -
Ich persönlich unterscheide da lieber in Musik und alles andere.
Ich denke aber ich habe hiermit so grob die wichtigsten Bands/Musiker genannt.
Als Metalfan: wo kann man dich auf der freien Wildbahn (Konzerte, Festivals) treffen, wenn du mal nicht unterrichtest?
Im Moment muss ich ehrlich gestehen ist es recht unwahrscheinlich mich auf einem Festival zu sehen. Ich konzentriere mich aktuell sehr auf meine Arbeit und ein Musikprojekt. Da kommt selbst meine Familie oft zu kurz. Ich bin aktuell sehr mit dem Marketing der MetalAcademy beschäftigt. Außerdem bin ich immer dabei neue Ideen auszuarbeiten. Ich habe noch viele Pläne, die auch erst mal ausgearbeitet werden müssen. Gerade jetzt zu Anfang ist es da schwer noch Freizeit zu finden für Aktivitäten wie Festivals.
Das Musikprojekt beschränkt sich aktuell sehr stark darauf, geeignete Musiker zu finden, was leider ebenfalls viel Zeit raubt.
Da bleibt für Konzerte schon mal eher Zeit, aber auch das kommt nicht allzu häufig vor. Zurzeit zieht es mich sehr dahin kleine Bands mit meinem Besuch zu unterstützen. Da bringe ich auch gerne mal die ganze Familie mit, um die Abendkasse aufzubessern. (Scherz)
Wenn ihr also in der Gegend auftretet, informiert mich und ich schaue was ich machen kann. Über Facebook bin ich sehr gut zu erreichen und antworte auch jedem. Ich habe mittlerweile viele nette Leute über Facebook kennen gelernt und bin sehr dankbar dafür, dass meine Community täglich wächst. Ich hoffe natürlich sehr, dass es so weiter geht. Ich nehme das alles wahr was gerade passiert und genieße das. Ich weiß das sehr zu schätzen – auch dass ich jetzt hier diese Möglichkeit eines Interviews habe. Danke.
Ihr habt Bock darauf Björn kennen zu lernen und eine kostenlose Probestunde bei ihm zu absolvieren? Checkt seine Homepage METALACADEMY und schnuppert einmal rein! Neben Gitarrenunterricht findet ihr hier auch Bandcoaching, einen interessanten Blog über den Gitarrenkauf und bereits das erste Video.
Radu
KATATONIA SPECIAL
25 Jahre „Dance of December Souls“. Ein simpler Post, der durch Facebook ging und das Cover meiner absoluten Lieblingsplatte im Netz zeigte. Ist es wirklich schon ein Vierteljahrhundert her, dass ich zum ersten Mal vor meinem CD Player gesessen und `Without God` bis zum Ohrenbluten zelebriert habe? Es hatte Wochen gedauert, ehe ich von dem Song los kam und mich durch den Rest dieser (göttlichen) Platte gewühlt habe. Ein Wink des Schicksals, den ca. 2 Tage vor dem Post in den sozialen Netzwerken hatte ich sie mal wieder raus gekramt und mir einige Gänsehautmomente gegönnt. Wie besessen hatte ich versucht Konzerte mitzunehmen, jeden Schnipsel zu sammeln und mir alles außer meiner Klorolle signieren zu lassen. Im Zeitraffer betrachtet hat sich die Truppe zwar vom Black-/Doom Stil sehr stark gewandelt und sich tief in ihren finsteren/progressiven Sound vergraben, aber die düstere Atmosphäre haben sich KATATONIA immer beibehalten. Vielleicht sollte man die Alben und Entwicklung mal im Zeitraffer betrachten; ob sich das lohnen würde? Schauen wir einfach mal: Vorhang auf für einen Retro Ausflug in die Geschichte von KATATONIA.
Der Urknall
Es war im Keller eines guten Kumpels von mir. Er hörte für mich seltsam abgefahrenes Zeux und erweiterte mein Musikverständnis, indem er mich (teilweise) aus meinem Schubladendenken raus holte. Waren meine Helden Black Sabbath und Blind Guardian, so schnupperte ich Anfang der 90er in die Gothic und Black Metal Ecke rein. Meine aktuellsten Errungenschaften waren Abigor und Crematory und natürlich auch anderes Zeug. Wir pogten in seinem Keller zu Biohazard, ich staunte ehrfürchtig über Anathema und er lieh mir eines Tages die „Turn Loose The Swans“ von My Dying Bride aus, die mein Verhältnis zum Doom für immer verändern sollte. Eines Tages spielte er mir `Without God` von KATATONIA vor. Die Gänsehaut kam unvorbereitet und das Riffing und die Atmosphäre katapultierten mich in einen Rauschzustand, der bis heute ungebrochen anhält. „Was für ein arschgeiler Song! Wie geht das?“ war alles, was ich danach sagen konnte. „Die ganze Platte ist so. Nimm sie mit und sag bescheid, wie es war.“ Empfahl er mir. Gesagt getan, aber ich kam vom Song nicht weg. Irgendwann hatte ich ihn so oft gehört, das ich ihn mit meinen (eher bescheidenen Künsten) sogar auf Gitarre nachspielen konnte. Als mein Hirn schon jeden Ton auswendig kannte schmiss ich die Scheibe von vorne rein und hörte sie in einem Rutsch durch. Mittlerweile sind 25 Jahre vergangen und neben meinem Ehering ist diese Scheibe das einzige, womit ich mich beerdigen lassen würde, denn sie hat einen Punkt in meiner Seele getroffen, der sich durch mein restliches Leben zieht. Fleischgewordene Melancholie, vertonte Hoffnung und mit der Erfahrung sämtlicher Extremelemente, die ich liebe. Damals gab es kein Netz, kein Youtube und auch kaum Musik, denn solche Sachen waren rar und wurden über Tapetrading oder durch Ausleihen vom Kumpel besorgt.
Anders „Blakkheim“ Nyström und Jonas „Lord Seth“ Renkse hoben die Band ursprünglich um 1988 aus der Taufe. Ende der 80er dominierte Hip Hop die Musikszene, was die beiden Jungs mit ihrem Musikgeschmack in die Außenseiterecke katapultierte. Zu jener Zeit steckten sie ihr gesamtes Erspartes in neue Alben von Autopsy, Morbid Angel und Paradise Lost, die gerade ihre Blütezeit hatten. Sie nahmen einen Kumpel aus der Schule mit an Bord, der ihnen einen Proberaum verschaffte; es wurden alle möglichen Stile durcheinander gemischt. Death Metal und Geknüppel wurden mit doomigeren Elementen von Candlemass und Paradise Lost gemischt, ohne wirklich auf einen grünen Zweig zu kommen. Der erste Proberaum war ein Jugendzentrum in Stockholm namens „Gate 7“, wo man sich jeden Freitag für mehrere Stunden zum Proben einsperrte. Die Truppe hatte einen Song geschrieben, den sie immer und immer wieder spielte; in erster Linie war man jedoch fasziniert von dem Sound und weniger vom Song. Der Bassist brachte gelegentlich eine Gitarre mit, was aber aufgrund seiner Punk Attitüde nicht so recht ins Bild passte. Die bandinternen Probleme verstärkten sich, als man über das erste Demo sprach und seine Idee war, den Sound einer Toilette zwischen 2 brutalen Parts einzubauen. Das war der Punkt, an dem man sich von dem Bassisten trennte, der Jahre später auf einer Liste gefährlicher Nazis auftauchen sollte. Die Suche nach einem Bandnamen gestaltete sich schwierig, denn obwohl man schwer vom Death Metal beeinflusst war, hatte man seinen eigenen Stil. Namen wie „Decompoced“, „Entity“ und „Melancholia“ geisterte in den Köpfen herum. Irgendwann hörte man einen Song, in dem das Wort „Katatonie“ vorkam. Sie schlugen es im Wörterbuch nach und es passte perfekt in das Bandkonzept. Ein Zustand innerhalb einer psychischen Erkrankung, fernab von den Eindrücken der Außenwelt. Der Klang des Namen und die musikalische Vision passten perfekt und so wurde der Bandname beschlossen. Blakkheim gestaltete das Logo mit dem Pentagramm.
Danach widmeten sich die Jungs ausschließlich dem Supporten der Metal Szene; man nahm jedes Konzert mit, was in der Nähe war (es waren nicht viele), sammelte Fanzines und kratzte die letzte Kohle für Alben (damals nur auf Kassette oder Vinyl) zusammen. Der unausgesprochene Dresscode bestand in Bandshirts (je obskurer, desto besser), Flanellhemd und Lederjacke. Man ließ sich die Haare wachsen und wurde zum Metalhead.
Anno 1991 entschlossen sich die beiden als Duo los zu legen und verschanzten sich gemeinsam mit Dan Swanö in sein (damals noch Gorysound) Studio. Anders und Jonas verbrachten die meiste Zeit im Sommerhaus der Eltern, um täglich zu Proben. Das Equipment war eher mäßig und so freute man sich über die Gelegenheit, die „Studie Främjandet“ ihnen bot; ein Proberaum, wo Bands ohne gescheites Equipment 3 Stunden pro Woche proben konnten. Recht dürftige Zeit für 2 hungrige Teenager, die die Schule geschmissen hatten, um sich ganz der Musik zu verschreiben. Sie spielten so laut, dass sie teilweise die andere Band nicht kommen hörten und chronisch ihren Slot überzogen. Das ging so weit, dass der Besitzer einen kleinen Monitor einbaute, der den Strom nach exakt 3 Stunden komplett lahm legte. Man tat alles, um jeden Moment für die Proben zu nutzen und irgendwann war es soweit und man hatte genug Material und Texte für die Demo zusammen. Blieb nur die Frage nach einem Titel. Im Proberaum lag ein Comic von „Phantom“ rum, mit einer Geschichte, in der ein Golem wiedererweckt wurde. Der Golem veränderte den Zauberspruch, mit dem er zum Leben erweckt wurde und wandelte ihn um in „Jhva Elohim Meth“(hebräisch für „Gott ist tot“). Passte perfekt ins Konzept und so schrieb man den Titel aus der Erinnerung als Demonamen auf.
1992 traf man sich mit Dan Swanö und nahm die Demo auf seinem 8 Spur Gerät auf. Man hatte eine gute Zeit im Studio, war allerdings angesichts des guten Equipments nervös. Das Schlagzeug im Studio war um Längen besser als das eigene zuhause und die schnellen Parts wollten nicht wirklich gelingen. Kurzerhand schlug Dan vor, einfach langsamer zu spielen, was KATATONIA dem Doom Einschlag bescheren und seinen eigenen Sound geben sollte. Das Coverfoto wurde von Jonas aufgenommen und zeigt Anders Gestalt mit dem Mond hinter seinem Kopf. Zusammen mit dem blauen Schimmern und der Silhouette wirkt es heute noch mysteriös. Wieder zuhause konnte man kaum glauben, dass man seine erste Demo am Start hatte. Die Jungs machten 100 blaue Kassetten, gestalteten alles und verteilten es an sämtliche Bekannte und Freunde der Underground Szene.
„Jhva Elohim Meth“
Das Cover lässt freien Spielraum für Interpretationen. Eine wackelige Fotoaufnahme, die aber irgendwie auch etwas mystisches ausstrahlt; Musikalisch trafen KATATONIA den Nerv der Zeit, denn es war jene Ära, in denen sich viele unterschiedliche Musikstile bilden sollten. Blakkheim und Jonas waren mit Corpsepaint zu sehen, hinterließen jedoch musikalisch andere Spuren, als die typischen Black Metal Bands zu jener Zeit. Das Intro `Midwinter Gates (prologue)` eröffnet mit mystischen Synthesizern und introvertierten Akustikgitarren. Ein guter Schachzug, den man wusste wahrlich nicht, was einen erwartet; statt dem üblichen Black Metal Gewitter, wälzt sich das tonnenschwere Riff von `Without God` durch die Boxen, das von Jonas krächzender Stimme angetrieben wird. Der Song steigert sich merklich, denn die Synthesizerteppiche rollten eine Atmosphäre aus, die bis heute in Kombination mit dem Groovepart ein stabiles Markenzeichen des Doom sind. Der Song ist übersichtlich gehalten und versteckt sich nicht hinter schneller Raserei; stattdessen entblößt man knackige Riffs und eher langsame bis mittelschnelle Parts, umgarnt diese jedoch mit einer finsteren Atmosphäre, was nicht zuletzt an den Gitarrensoli liegt.
`Palace Of Frost` legt gleich zu Beginn mit dem Gitarrensoli die Karten auf den Tisch und macht keinen Hehl aus seiner Verwandtschaft zu Paradise Lost; allerdings ist es etwas griffiger und dynamischer und es passiert mehr während seiner Spielzeit. Wie auch immer Blakkheim diesen Mix aus Groove und Gänsehautsolis hinbekommt, er zelebriert es eifrig und wird an den richtigen Stellen von Synthesizern unterstützt. Mit `The Northern Silence` erstrahlt das volle Potential dieser Band auf 4 Minuten komprimiert, denn es hat alles, was es braucht: Soundcoullagen, Akustikgitarren, Doom Riffs, Atmosphäre und sogar teilweise klaren Gesang. KATATONIA kommen aus der Doom Ecke und Jonas` Stimme zelebriert Black Metal, das war´s aber auch schon mit den Schubladen; den Jungs ist egal, welchen Stil sie spielen, sie spielen ihn einfach und können das verdammt gut. So gut, dass sich sogar ein Plattenlabel später Northern Silence nennen soll und Bands vertreibt, die aus der Wiege von Katatonia entstammen. Das hätten sie sich damals zwar nicht zu träumen gewagt, aber wer den Song hört weiß genau, dass es gerechtfertigt ist. `Epilogue: Crimson Tears` ist eigentlich nur Keyboard und Wasserplätschern, rundet die EP aber wunderbar ab. Gerade im Hinblick auf das erste Lebenszeichen hat man gezeigt, dass man sich nicht von Stilen einschränken lassen muss. Es sollten noch viele weitere Bands folgen, die zwar ihre Startposition aus dem Black Metal haben, allerdings sich dem melodischem Aspekt verschreiben und leidenschaftlich zelebrieren sollten.
Black-/Doom- Death
Wo heute online Netzwerke regieren, musste damals alles noch per Hand gemacht werden. Also beschrieb Anders die Musik von KATATONIA in den Flyern als Gothic Black Metal, um sich aus dem damaligem Death Metal Boom hervor zu tun. Auch wenn die Bandfotos stark im Black Metal verwurzelt waren, ist die Musik weniger rau und abwechslungsreicher, als man es erwartet. In jedem Review fielen die Worte „dunkel“ und „melodisch“, die bis heute einen festen Bestand in der Diskographie haben. Insgesamt produzierte man 500 Kassetten in unterschiedlichen Farben, was für ein erstes Lebenszeichen mehr als beachtlich ist. Auch die ersten Interviews begannen 1993 anzulaufen und der Ball kam ins Rollen. Nach einem Gig mit Immolation und Massacre trafen die Jungs auf einen Fan, der ihren Stil sehr mochte. Im Gespräch kam heraus, dass er Bass spielte und so wurde er kurzerhand rekrutiert. Auch die ersten Plattenfirmen wurden auf die Truppe aufmerksam und so entschied man sich für No Fashion Records, die bereits Marduk, Dissection und Unanimated unter Vertrag hatten. Während der Arbeiten an dem ersten Album, wurde die Aufmerksamkeit an Black Metal geringer und man konzentrierte sich stark auf die Doom Aspekte. Man hörte sehr viel Paradise Lost und eines Tages entdeckte man eine Band, deren Einfluss alles verändern sollte: Fields OF The Nephilim.
KATATONIA verschanzte sich erneut gemeinsam mit Dan Swanö in seinem Studio und brachte große Ambitionen mit. Auch Dan hatte große Pläne mit dem Album und so nahm man das komplette Album in 5 Tagen auf und mischte es an einem Tag ab. Der Gitarrensound entstand, als Anders Verzerrer und Hall in der falschen Reihenfolge geschaltet hatte. Dieser Fehler sollte den Sound eines einzigartigen Albums prägen und noch lange andauern. Auch wenn das Album bereits im Kasten war, mussten man bis zum Release noch ein ganzes Jahr warten, was für 18 Jährige eine Ewigkeit ist.
Die damalige Musikindustrie war nicht mit der heutigen vergleichbar, denn es war für neue Bands unglaublich schwer, einen Vertrag zu bekommen und die meisten überstanden nicht einmal ihre Demo Phase. Sobald man allerdings einen Vertrag bekam war es so gut wie sicher, dass die Leute das Album kauften, weil sie die Musik kannten, das Cover mochten oder das Label bereits gute Bands veröffentlicht hatten. Allerdings bekamen KATATONIA bereits sehr früh in ihrer Karriere mit, wie dreckig es in dem Business zugehen kann. Der Besitzer von No Fashion Records Tomas Nyqvist verlor die Kontrolle über sein Label und kurz vor dem Zusammenbruch verkaufte er alles an das Label House Of Kicks. Das bewahrte ihn jedoch nicht vor diversen Klagen und so wurde er bankrott und knabberte am Existenzminimum. Für KATATONIA bedeutete das nicht nur eine lange Wartezeit, sondern auch geänderte Vertragsbedingungen, mit denen man nicht zufrieden war. Dann kam der Moment, an dem das Album veröffentlicht wurde; gleichzeitig stand die Musikszene an der Schwelle zu einem neuen Zeitalter, denn CD´s waren auf dem Vormarsch und die Kassette begann auszusterben. Das Album wurde sowohl auf CD, als auch auf Kassette und Vinyl veröffentlicht, was eine große Bandbreite abdeckte. „Dance Of December Souls“ schlug ein wie eine Bombe und so setzte House Of Kicks alles daran, die Band erneut unter Vertrag zu nehmen. KATATONIA wollten nur ihre Musik veröffentlichen, ließen sich jedoch nicht auf einen neuen Deal ein.
“Dance Of December Souls”
Das erste Album einer hungrigen Band, die sich jeglicher Erwartungshaltung bereits im Ansatz entledigt und einen Meilenstein für die Ewigkeit geschaffen hat. Bereits das unheilvolle Intro `Seven Dreaming Souls` geht locker als Mini Soundtrack für jeden Horror-/Fantasy – Soundtrack durch, ehe mit einem Paukenschlag `Gateways Of Bereavement` aus den Boxen kracht. Mutig stampft das Grundriff alles in Grund und Boden und eine Doom Walze kriecht erhaben aus den Boxen, die von Akustikgitarren und leichten Synthesizern getragen wird. Jonas` Stimme ist zwar im Black Metal verwurzelt, lässt aber konstant die Verwandtschaft zum (damals aufstrebenden) Death Metal durchscheinen. Man erkundet mentale Gänge, schreitet durch erhabene Soundstrukturen, ehe man am Ende seinen Gänsehautmoment in aller Ruhe genießen kann. `In Silence Enshrined` ist Programm; statt Raserei lässt man es erhaben angehen und bringt irgendwie den Spagat zwischen Black Metal und Gothic perfekt ein. Die Symbiose spuckt nicht nur packende Riffs, sondern auch das Gefühl purer Verzweiflung aus, die als vertonte Melancholie über den Hörer hereinbricht. Wer dachte, dass man `Without God` von der EP nicht toppen kann, wird (dank der wuchtigen Produktion von Dan Swanö) eines besseren belehrt. Was vorher Demo war, wird nun in allen Facetten der 90er zelebriert und blutet auch heute noch die Symbiose aus Aggression und erhabener Melancholie, der sich niemand zu entziehen vermag.
`Elohim Meth` ist ein Instrumentalstück, bei dem sich die Gitarrenarbeit zwar stark an Fields Of The Nephilim orientiert, allerdings in Verbindung mit der regnerischen Soundcoullage zu einem Moment der inneren Stille vermischt. Konkurrenzfähig lediglich von Marduks´ `Echoes From The Past`, ansonsten spielt nichts und niemand in dieser Liga mehr mit. Kann ein fast 14 minütiger Song mit jeder Sekunde fesseln? Die klare Antwort gibt `Velvet Thorns (Of Drynwhyl)`, der in Sachen Epik und eingängigen Melodien wegweisend ist. Der Text ist stark im Black Metal verwurzelt, wird allerdings mit fast schon intimen Moment zelebriert, dass es eine mentale Vollbedienung ist. Vor dem inneren Augen zieht man durch dunkle Wälder gen Norden, auf der Suche nach sich selbst. Nur Stille und die Nachtvögel geleiten einen durch eine Schneelandschaft, die vom Vollmond bescheint wird. Jäh unterbrochen wir die Reise durch einen (Mittel-) Geschwindigkeitspart, bei dem sich aller Hass und Verzweiflung durch Jonas´ Stimme entlädt, ehe sie wieder in die eigene Einsamkeit mündet Die Reise endet mit bedächtigen Gitarrenlinien, Synthesizern und einem Flüstern im Ohr, das so viel mehr ist, als ein simples Ende.
`Tomb Of Insomnia` stampft eher wütend denn introvertiert auf und kriecht bedrohlich aus den Boxen. Auch hier erlebt man auf guten 13 Minuten großes Kopfkino, wobei der Grabstein eher knurrt als flüstert. Unterbrochen wird dies durch 2 Breaks, die einen unheilvollen Nachgeschmack hinterlassen und den Kopf automatisch durch alle Headbangerpositionen leitet. Mein persönliches Highlight nach dem zweiten Break: eine Akustikgitarre, sanft einströmende Synthesizer, fordernde Drums und cleane Gitarren, welche die beste Zwischenpassage einläuten, die ich bis heute in meinen 41 Jahren jemals gehört habe. Alleine für diese 2 Minuten pure Magie lasse ich mich mit dem Album beerdigen und habe bis heute auch keinen Anwärter gefunden, der es als mein persönliches Lieblingsalbum jemals aufnehmen kann. Das ist mehr als Gänsehaut, das ist Musik atmen in Perfektion! Mit `Dancing December` wird dieses großartige Album abgeschlossen; wurde im Intro noch unheilvoll geträumt, so entlässt man den Hörer hier schon fast versöhnlich und gleichzeitig feierlich in seine Welt. Tonnenschwere Riffs, leichtes Piano im Hintergrund und ein schleppendes Schlagzeug münden in ein Gothic Riff, bei dem sich verspielte Soundcoullagen zu einem großen Ganzen formen, ehe der Tanz der Dezember Seelen ein fulminantes Ende findet. Episch, melancholisch, göttlich, mehr kann man mit einem Album nicht erreichen!
Into Goth
1994 markierte eine Stilwendung in der Band und die Abkehr vom Metal. Stattdessen orientierte man sich komplett in die Gothic Richtung und schöpfte von Inspirationen wie Fields Of The Nephilim und Sisters Of Mercy. Man wollte den Spirit und die Atmosphäre einfangen, was im fast 10 minütigen `Scarlet Heavens` mündete, das als Split mit Primordial auf Vinyl veröffentlicht wurde (später auch auf der „Saw You Drown“ EP). Die Jungs waren jung, hatten noch keine Erfahrung, konnten aber einen sehr passablen Eindruck hinterlassen, der für die Zukunft der Band entscheidend sein sollte. Schließlich zog man einen Deal mit dem italienischen Label Avantgarde Records an Land und reaktivierte den Sound von „Dance Of December Souls“, indem man eine neue EP aufnehmen wollte. „For Funerals To Come“ sollte ein Testballon sein, um die Zusammenarbeit mit dem Label auf die Probe zu stellen. Eigentlich wurde bereits das Sunlight Studio gebucht, was aber in letzter Minute abgesagt wurde. Daraufhin verschanzte man sich kurzerhand wieder mit Dan Swanö in seinem Studio und nahm alles an einem Tag auf und mischte es ab. Jonas hatte sich bereits im Vorfeld darauf gefreut, die hochwertigen E-Drums des Sunlight Studios zu nutzen und war entsprechend enttäuscht, als die Absage kam. Kurzerhand fragte er Dan, ob er etwas ähnliches hatte. Er und der Rest der Band rieten Jonas davon ab, was ihn aber nicht davon abhielt seinen Traum durch zu setzen. Das Ergebnis klingt nach einem Drumcomputer, für das Jonas sich bis heute schämt. Später sollte man erneut zu Dan Swanö zurück kehren, um zwei Songs (`Black Erotica` und `Love Of The Swan`) für den Sampler „War Compilation“ auf zu nehmen. Hier findet man die letzten Fußabdrücke der ersten KATATONIA Ära, denn der Gothic Einfluss sollte stärker zunehmen und das erste Kapitel abschließen.
„For Funerals To Come“
Wer die „Dance Of December Souls“ geliebt hat, bekommt stilistisch hier einen mehr als würdigen Nachfolger aufgetischt. `Funeral Wedding` besticht durch herrlich aggressiven Gesang, abwechslsungsreiches Songwriting und einer herrlich überraschenden Akustikpassage (inklusive Gänsehautsolo). Man spürt allerdings auch, dass es (etwas) weniger sphärisch und erdiger zur Sache geht; weniger Synthesizer, mehr Gitarrenorientiert. `Shades Of Emerald Fields` zeigt die Truppe in Hochform und lässt Hoffnung auf ein weiteres „Dance Of December Souls“ aufkeimen. Potential und Spielfreude ist da, auch wenn das Schlagzeug komplett nach Drumcomputer klingt. Egal, die Atmosphäre reißt dabei nicht ab und nach dem Groove Part wird der Stecker gezogen, so dass man in sphärische Gefilde gleitet, in denen man hauptsächlich von einer cleanen Stimme getragen wird. Herrlich! Das Titelstück ist ein melancholisches Instrumental, das auch heute noch irgendwo in einem Abgrund stumme Geheimnisse zuflüstert und ein intimes Kopfkino vor dem inneren Auge entstehen lässt. Was auch immer man mit `Epistel` bezwecken wollte, es ist ein rückwärts gespieltes Outro, dass auf manchen schwarzen Messen als Soundtrack dienen könnte und bei mir immer der Skip Taste zum Opfer fiel.
Nach dem Release der EP, war die erste Tour geplant, die jedoch nie Wirklichkeit werden sollte. Langsam schlich sich eine gefährliche Routine ein und hatte die Stagnation im Schlepptau. Anders begann sich mehr für Black Metal zu interessieren, während Jonas noch an dem „Dance Of December Souls“ Sound festklebte. Der Wunsch nach Distanz wurde laut, was für die Jungs auch normal war; schließlich hatten Jonas und Anders mehr als 6 Jahre täglich miteinander verbracht und entwickelten sich weiter. Anders zog kurzerhand ein Seitenprojekt hoch, das auf den Namen DIABOLICAL MAQUERADE hörte und gemeinsam mit Dan Swanö als Studioprojekt geplant war. Der Erstling „Ravendusk In My Heart“ folgte alten Black Metal Tugenden, wurde jedoch von der KATATONIA Atmosphäre leicht gestreift. Auch Death- und Thrash Einflüsse gab es auf dem Album und natürlich durfte auch der Gothic Einschlag nicht fehlen. Anders experimentierte hier und lotete seine eigenen Grenzen aus. „The Phantom Lodge“ war stark Mercyful Fate orientiert, ehe es mit „Nightwork“ in die Perfektion ging. Die Symbiose aus Atmosphäre, Aggression und Gänsehaut war die rasende Antwort auf die „Dance Of December Souls“ und ist meiner Meinung das beste Album dieses Projekts. Das Schlusslicht bildet „Death´s Design“, was als Soundtrack für einen schwedischen Horrorfilm herhalten sollte, der jedoch nie erschienen ist. 61 Tracks aufgeteilt in 20 Sätzen, die jeweils ein Kapitel beschreiben sollten. Hier tummelte sich alles, von Ambient, über Rock, bis hin zum Extrem Metal. Was die „Crimson“ für Edge Of Sanity war, ist dieses Album für DIABOLICAL MASQUERADE gewesen, ehe Anders die Band aus Mangel an weiterer Inspiration eingestampft hat. Insgesamt existierte das Projekt von 1993 bis 2004. Jonas hingegen zog seinerseits ebenfalls ein Projekt gemeinsam mit Fredrik Norrman hoch. OCTOBER TIDE sollte der Name sein und das Debüt „Rain Without End“ ist bis heute das „Dance Of December Souls 2.0“ . Das Projekt war nur zum Austoben gedacht, denn man gab weder Interviews, noch spielte man Konzerte. Der Nachfolger „Grey Dawn“ enthielt noch viele Grundsäulen, konnte jedoch atmosphärisch dem Erstling nicht das Wasser reichen. Kurz darauf stellte man das Projekt ein, was anno 2009 wieder zum Leben erweckt werden sollte und einige Line Up Wechsel nach sich zog. Mit „A Thin Shell“ gab man 2010 das erste Lebenszeichen von sich, wobei Fredrik Norrman als einziges Gründungsmitglied an Bord war. Es folgten „Tunnel Of No Light“ (2013) und „Winged Waltz“ (2016), deren Sound nichts mehr mit dem Erstling zu tun haben, sondern in erster Linie an „Grey Dawn“ in einer extremeren Variante orientieren. Die Band ist heute noch aktiv.
KATATONIA bestanden mittlerweile aus Jonas, Anders und Fredrik, doch man suchte weiterhin nach einem zweiten Gitarristen. Es begab sich, dass ein junger Mikael Åkerfeldt (Opeth) sich zu ihnen gesellte, um ein Gitarrenposten für einige Gigs zu übernehmen. Opeth hatten zu jenem Zeitpunkt ihr Debütalbum „Orchid“ noch nicht veröffentlicht und waren entsprechend unbekannt, was Mikael viel Zeit gab, sich musikalisch auszutoben. Dennoch war ein fester Bestandteil der Band nicht der Masterplan und so sollte er mit Opeth später eine eigene Karriere verfolgen. Die Freundschaft jedoch blieb erhalten, wie man in späteren KATATONIA Alben und BLOODBATH erkennen sollte. Für KATATONIA bedeutete dies jedoch Stillstand und man hatte immer noch keinen eigenen Proberaum, gescheites Equipment und keine Aussicht auf die Zukunft. Hinzu kam der Aspekt, dass man sich seiner musikalischen Identität nicht sicher war, denn man wollte den Metal verlassen und sich komplett dem Gothic Sound zuwenden. Die Band scheiterte und endete im Abgrund.
Die Wiedergeburt
Jonas und Anders verfolgten jeweils ihr eigenes Leben und ihre eigenen Projekte mit OCTOBER TIDE und DIABOLICAL MASQUERADE. Anders wurde dennoch weiterhin konstant über die letzte EP „For Funerals To Come“ interviewt. Der stete Tropfen höhlte den Stein, denn irgendwann kam bei ihm die Erkenntnis, dass es mit KATATONIA nicht vorbei sein kann. Es gab noch zu viel zu schreiben und so schmiss er seinen Tagesjob 1996 hin, der ihn kreativ ausgesaugt hatte. Er bekam eine klare Vision dessen, was er wollte und begann erneut Musik zu schreiben. Eine Mischung aus Sisters of Mercy, The Cure und Chris Isaak sollte es sein und sich komplett vom Metal abwenden. Er rief Jonas an und fragte ihn, ob er nicht Teil eines neuen KATATONIA Albums sein wollte. Jonas war interessiert, hatte aber keine Lust auf Goth Rock. Er wollte lieber etwas experimentelles und unvorhersehbares machen. In den Gesprächen stellte sich heraus, dass beide eine Bands namens Slowdive entdeckt hatten, die eine neuartige Art von Musik machten, die sich „Shoegaze“ nannte. Introvertiert und atmosphärisch. Es kam die Idee auf, etwas in der Richtung zu machen, mit Elementen aus dem Extremsektor. Heutzutage ist der Stil salonfähig, allerdings sollte das folgende Album das erste im Metalsektor dieser Art werden. Man traf sich also zu einigen Sessions, woraufhin die ersten Riffs von `Brave` entstanden. Fredrik Norrman war ebenfalls wieder an Bord und so buchte man Dan Swanös Studio, ohne allerdings fertige Stücke zu haben. Die Aufnahmen sollten ein Albtraum werden, wenn auch ein sehr kreativer. Nach dem Soundcheck ging Dan nach hause und den Jungs wurde klar, dass sie über Nacht mindestens einen Song schreiben mussten; wenn Dan rausfinden sollte, dass sie ohne Songs sein Studio buchen, würde er sie achtkantig raus werfen. So schlug man sich die ganze Nacht um die Ohren, arrangierte Riffs und Ideen, die später `Rainroom` werden sollten. Man war mit Herzblut bei der Sache, denn das Material war dunkler, intensiver und anders als alles, was sie vorher gemacht hatten. Man war stolz darauf, bis am nächsten Morgen Dan sein Studio betrat, der keine Ahnung von dem hatte, was ihn erwartete. Er hatte ein weiteres „Dance Of December Souls“ erwartet und eine Band, die sich gut aufeinander eingespielt hatte. Klare Songstrukturen und eine Entwicklungssteigerung an den Instrumenten; er hatte neues Equipment gekauft und war voller Vorfreude darauf, es einzusetzen. Die spontan geschriebenen Soundelemente versetzten ihm jedoch einen Schock und brachten sein Weltbild ins Wanken. Jede Nacht wurde ein neuer Song geschrieben, damit man am nächsten Tag etwas zum Aufnehmen hatte. Es gab Streit, viel Stress und Jonas musste auch die Gesangskabine räumen, weil er die Röcheltechnik verlernt hatte. Mikael Åkerfeldt sprang ein und irgendwie raufte man sich später zusammen und quälte sich durch den gesamten Aufnahmeprozess. „Brave Murder Day“ wurde geboren und KATATONIA damit wiedergeboren.
„Brave Murder Day“
Episch, ausufernd, perfekt arrangiert. Das sind alles Aspekt, die man nach dem „Dance Of December Souls“ erwartet hätte. Kann alles in die Tonne, stattdessen gibt es „minimalistisch, hypnotisch und finster“ aus den Boxen. Bereits der Opener `Brave` besticht durch langsame und nachvollziehbare Gitarrenlinien, ohne jedoch träge zu wirken. Mikael Åkerfeldt als Sänger zu organisieren war die beste Entscheidung für das Album, denn er ist ein wahrer Meister am Death Metal Mikro und sowohl krassester Unterschied, sowie perfekte Ergänzung zu den Songs. `Murder` dürfte für jeden KATATONIA Fan ein Türöffner sein, denn da werden mal eben lediglich 3 Riffs verwendet und hypnotisch über den Song verteilt. Das Geheimnis liegt hier in den Details; mal ein cleaner Part hier, ein Gänsehaut Tapping da oder einfach mal wieder zum Hauptriff zurück, die Band kompensiert ausufernde Arrangements mit simplen Mitteln und erschafft dadurch eine Atmosphäre, die man außerhalb der Extrem Metal Ecke nicht gekannt hat.
Mit „Day“ werden meine persönliche Gebete erhört, denn Jonas singt einen kompletten Song mit seiner cleanen Stimme. Keine Ahnung wie oft, aber mein CD Player müsste den Song mittlerweile schon ohne CD kennen, den er lief oft bei mir, sehr oft. Leichtes Drumming, klare Gitarren mit einem schier unendlichen Hall und Jonas` Stimme genügen, um diesem Song eine unvergleichliche Atmosphäre zu geben. `Rainroom` besticht erneut durch simples Riffing und geschickt eingestreute Details. Besonders schön die Soli und die klare Passage (inklusive klarem Gesang), die KATATONIA nicht nur von ihrer experimentellen, sondern auch von der mutigen Seite zeigt. `12` stampft durch alte Tugenden,spielt jedoch sehr viel mehr mit klaren Passagen und verschlingt den Hörer gänzlich in sein Kopfkino. Wer sich vorher noch an `Black Erotica` von der „War Compilation“ erinnert, wird hier einige Parallelen erkennen. `Endtime` ist mit Abstand einer der großartigsten Songs, zu denen KATATONIA fähig sind; melancholisch, introvertiert und doch aggressiv kann man nur so zelebrieren und während der Song ausfaded und das Album beschließt hat man nur noch einen Gedanken: ich will zurück in dieses Paralleluniversum, in das mich das Album entführt hat! Auch wenn die Produktion für meinen Geschmack noch viel fetter hätte sein können, so hat gerade der dünne Sound etwas, was die Songs mehr entblößt und gleichzeitig verletzlicher und atmosphärischer macht. Die Band steht hier 100%ig zu ihrem Sound und das hört man hier zu jeder Sekunde. Nicht umsonst wird diese Scheibe als Meisterwerk beschrieben, das gleichzeitig eine neue Ära einläuten soll (obwohl zu jener Zeit die Presse das Album verriss).
Endlich wurde eine Tour wahr und man machte sich an die Promoarbeit. Das Problem: im ersten Teil der Tour war die Scheibe noch nicht draußen,so dass niemand die neuen Songs kannte. Erst ab der zweiten Hälfte wussten die Fans, was auf sie zukommt. Besonders bitter: Jonas wurde während der Tour krank und musste abbrechen. Anders musste also während der Tour lernen Gitarre zu spielen und komplett alles zu singen. Trotz dieser Umstände war das Feuer in der Band entfacht und nach der Tour machte man sich 1997 erneut an die Arbeit, um neues Material aufzunehmen. Die meisten Ideen gingen in die Richtung von Paradise Lost´s „Gothic“, worauf man sich nun auch konzentrierte. Die ineinander verstrickten Gitarrenläufe, eingebettet in einer finsteren Atmosphäre waren jene Markenzeichen, die auf der folgenden EP „Sounds Of Decay“ zelebriert werden sollte. Mikael war immer noch angefixt von den Aufnahmen zu „Brave Murder Day“ und so war es ein leichtes, ihn erneut für die Vocals zu gewinnen. Das Sunlight Studio wurde gebucht und alle Voraussetzungen waren top, wenn man den Abend davor nicht für eine Sauforgie genutzt hätte. Die komplette Band wachte morgens mit einem Kater vom anderen Stern auf und Fredrik musste sogar von zuhause abgeholt werden, weil er seinen Rausch ausschlief. Abgesehen von den Gesangslinien klang das Tape furchtbar. Als man das Ergebnis hörte, nahm man Kontakt mit der Plattenfirma auf und bat um einen neuen Versuch im Sunlight, was zum Glück funktionierte. Dieses Mal lief alles glatt, und das Mini Album wurde in einem Rutsch aufgenommen. Ein Song der Originalsession („Untrue“) ist heute auf dem Album „Brave Yester Days“ zu finden, das einen Retrospektive der Band beschreibt.
“Sounds Of Decay”
Bereits der Opener `Nowhere` wälzt sich Paradise Lost geschwängert aus den Boxen, läuft allerdings auch schnell durch zugängliche Gitarrenarrangements hindurch. Die Stimme des jungen Mikael Åkerfeldt ist damals wie heute ein Garant für die Speerspitze in Sachen Death Metal Vocals, die perfekt mit den Songarrangements harmonieren. Auch der unvorhersehbare Break mit cleanen Gitarren und die catchigen Melodien fräsen sich schnell ins Langzeitgedächtnis, was für ein Mini Album schon beachtlich ist. `At Last` setzt gleich zu Beginn auf hypnotische Riffs und langsame Aggression; Shoegaze oder Doom sind hier zu sanft, denn die Vocals kotzen sich über filigrane Riffs aus und vermischen den Sound zu epischem Dreck, aus dessen Staub sich viele Gänsehautmomente erheben. Liest sich komisch, klingt aber genau so (gut). `Inside The Fall` agiert als Rausschmeißer und ist noch fest in der „Brave Murder Day“ Session verankert. Könnte glatt als Bonustrack durchgehen, denn zerbrechliche Riffs hypnotisieren den Hörer und locken ihn in einen Malstrom, der sich gegen Ende in ein melancholisches Riff ergießt, das seinem eigenen Tod entgegen spielt. Knackig, finster und dennoch hypnotisierend sind die Worte, die diese EP recht gut beschreiben dürften.
Clean Today
Während die EP auf ihre Veröffentlichung wartete, begann man bereits an neuem Material zu schreiben. Die Songs kamen schnell und man dachte darüber nach, erneut Jonas` cleane Vocals einzusetzen. Im Laufe des Prozesses dachte man auch daran, etwas unvorhersehbares zu machen und das gesamte Album klar einzusingen. Mit diesem Plan, wurde das Songwriting noch intensiver und man verbrachte sehr viel Zeit, um an den Arrangements zu feilen. Auch wurde der Wunsch laut, intensiver als Band zu agieren, woraufhin man Mikael Oretoft am Bass einlud. Die Entscheidung clean zu singen, verlangte Jonas einiges ab, aber er hatte Unterstützung durch Mikael Åkerfeldt, der als Koproduzent für den Gesang mitmischte. Nachdem man alles abgemischt hatte wusste man, dass man etwas Großes in der Pipeline hatte. Es könnte der Zenit dieser Band sein, oder der Zugang zu einer neuen Ära. Beides sollte sich auf seine Weise hin bewahrheiten…
Anders lebte zu der Zeit in seiner ersten (schäbigen) Wohnung, die mehr als trostlos gewesen sein muss; kein Geld, kein Kabelfernsehen und kein Internet. Sein einziger Lebensinhalt war die Band, die in jenem Jahr auch nur einmal auftreten sollte. Mikael Åkerfeldt sollte dort auch das einzige Mal live singen und seine zukünftige Frau kennen lernen, ansonsten gab es keinerlei live Aktivitäten. Anders bunkerte sich ein, um das Konzept von „Brave Murder Day“ in eine eher rockigere Variante zu überführen, die leichter zugänglich war und doch eine intensive Atmosphäre versprühte. Zusätzlich steuerte er (z.B. bei dem Chorus von `I Break`) einige Vocals bei und am Ende der Produktion gab es drei gravierende Veränderungen: ausschließlich cleane Vocals, keine Doublebass mehr in den Songs und ein neues Bandlogo.
„Saw You Drown“
Als Testballon fungierte der Song „Saw You Drawn“, der einige Fans überraschen und vor den Kopf stoßen sollte. Ich erinnere mich noch sehr genau, als ich bei einer Nuclear Blast Bestellung die EP auspackte und hastig in den CD Player warf. Der Sound war anders, viel ruhiger und Jonas` Stimme hatte etwas hypnotisierendes. Der Song ist ein Lebenszeichen eines introvertierten Charakters, der sich vollständig in seiner Melancholie zurück gezogen hat. Es klingt gut, verwirrt aber auch gleichzeitig, wohin die Reise dieser Band hingeht. `Nerve ` springt mit einem rockigen Riff aus den Boxen und zeigt die Band von einer progressiveren Seite. Er klingt sehr verletzlich und könnte problemlos als schwedische Antwort auf die Cranberries durchgehen, womit ich meine Probleme hatte. Der Song schießt bis heute größtenteils wirkungslos an mir vorbei, weil die Abkehr von den alten Alben für mich hier zu offensichtlich und krass ist.
Ganz anders hingegen sieht es bei `Quiet world ` aus, der mich bereits beim ersten mal erwischt hat. Man hat das Gefühl, durch einen langsamen Traum zu wandeln und entdeckt allerlei liebevoll eingestreute Details, die durch den Song schimmern. Irgendwie melancholisch, aber besonders nachdenklich wird mit zerbrechlichen Arrangements und der Stille gespielt, ehe es gegen Ende einen minimalistischen Ausreißer in Richtung Verzweiflung gibt. Fast schon versöhnlich wird man danach wieder aufgefangen und mit sphärischen Keyboards und cleanen Gitarren in seine Welt entlassen. `Scarlet Heavens` ist ein Relikt aus den alten Tagen zwischen der „Dance Of December Souls“ und „Brave Murder Day“, in denen man seine musikalische Identität neu erkunden wollte und sich komplett dem Gothic Stil verschrieben hatte. Das hört man dem Song auch an, denn auch wenn es weitaus bessere Bands gibt, hat es durchaus seinen Charme. Besonders schön, dass dieser Song endlich auf CD erhältlich ist und nicht nur auf der Split mit Primoridal. Insgesamt deutet die EP viel an, lässt den Fan jedoch verwirrt und gleichzeitig neugierig auf das Album zurück.
1998 sollte für KATATONIA eine Grenzerfahrung werden. Man hatte ein neues Album und große Ambitionen und Veränderungen am Start und es passierte…gar nichts. Die Reaktionen auf das Album fielen extrem unterschiedlich aus und spaltete die Fangemeinde in mehrere Teile; es gab keine Tour, um das Album irgendwie zu pushen und die Plattenfirma hatte große Probleme, das Album zu verkaufen. Man war eine Underground Band, die sich auf den Weg nach oben machte, aber es mangelte an Aufmerksamkeit. Bands wie Tiamat oder Paradise Lost vollzogen zu jener Zeit ebenfalls einen Stilwechsel, konnten es sich allerdings aufgrund der großen Fangemeinde erlauben. KATATONIA waren schlichtweg zu unbekannt, um „Discouraged Ones“ einer großen Fangemeinde zu präsentieren und größere Abgänge der Fans zu verkraften. Der Vorteil an dem Album war, dass einige Plattenlabels aufmerksam wurden, besonders Earache und Peaceville. Auch wenn der kommerzielle Erfolg ausblieb, so konnte man einen Vertrag mit Peaceville aushandeln, unter dessen Banner sich bereits die Vorbilder der Jungs befanden. Dies beflügelte KATATONIA; weiterhin an neuen Songs zu schreiben.
„Discouraged Ones“
Ähnlich verwirrt wie mit der EP, packte ich das Album aus meiner Nuclear Blast Bestellung aus. Das neue Logo und ein recht simples Cover machte mich stutzig, `Break` hörte jedoch meine Gebete und ich freute mich sehr darüber, Jonas` Stimme clean zu hören. Die knackigen Riffs packten mich sofort und bis heute hat der Song nichts von seiner Magie verloren. `Stalemate` ist von den Riffs her schon fast aggressiv, ließ allerdings noch alte Paradise Lost Einflüsse mitschwingen, wobei der ruhige Mittelteil eine Ode an die alten Parts sind, mit denen KATATONIA die Finsternis aufgebrochen und durch schöne Harmonien ersetzt haben. Spätestens mit `Deadhouse` hat mich der neue Stil von KATATONIA in seinen Bann gefangen, was besonders an Jonas` charismatischer Stimme liegt. Die Symbiose aus introvertierter (fast intimer) Atmosphäre, griffigen Riffs und Stimme steht dem neuen Antlitz dieser Band sehr gut und transportiert den alten Geist optimal in ein neues Zeitalter. Nicht ganz so ohrwurmträchtig, aber dennoch aus dem selben Guss fließen die Textzeilen von `Relention` aus den Boxen, was den runtergeschraubten Härtegrad unterstreicht, ohne an Charisma zu verlieren. `Cold Ways` untermauert den Albumtitel sehr gut, denn aus dem Abgrund kriecht der Song hervor, dem man seine Blessuren vom Songwriting deutlich ansieht. Dennoch erhebt er sich stolz vor dem Hörer, denn diese Band steht zu 100% hinter dem, was sie tut, auch wenn es manchmal auf dem Album holpert und sich noch finden muss. Alben abschließen können KATATONIA, wie `Distrust` beweist; der Song spiegelt deutlich den Versuch einer neuen Selbstfindungsphase wieder, ist alles andere als perfekt, aber in sich stimmig und ein deutliches Statement, das man sich dessen bewusst ist. Das rundet die Botschaft ab, die hinter diesem Album steckt: sei mutig und zieh dein Ding durch, ungeachtet der Konsequenzen von außen!
Neue Wege, alte Tugenden
Wir schreiben das Jahr 1999 und das Songwriting für das erste Album unter Peaceville steht an. Die Songs fließen nur so aus Anders heraus und auch neue Einflüsse (Jeff Buckley, Ben Christophers, Tori Amos) strömen in das Songwriting mit ein. Man stand vor dem Problem, dass man keinen Drummer hatte und Jonas sich ausschließlich auf seinen Gesang konzentriert hat und das Schlagzeug längere Zeit nicht mehr angefasst hat. Die Plattenfirma hatte einen guten Sessiondrummer in Petto, der die Band dann auch im Studio erwartete. Obwohl seine Aufwärmsessions sehr gut klangen, kämpfte er sich einen ganzen Tag durch einen neuen Song, zu dem er keinen Zugang fand. Dann erinnerten sich KATATONIA an die Zusammenarbeit mit Dan Swanö, der neben Produzent auch Drummer war. Einen Anruf später saß dieser im Zug und nahm innerhalb eines Tages mal eben 13 (ihm gänzlich unbekannte) Songs zu einem Klicktrack auf und fuhr mit dem letzten Zug des Tages nach hause. Der Rest war Formsache und so kam Mikael Åkerfeldt erneut vorbei, um Jonas bei seinem Gesang zu unterstützen. Das Album wurde rasch eingetütet und kurze Zeit später kam ein Anruf von Peaceville, die KATATONIA mit Paradise Lost (die gerade „Host“ draußen hatten) auf Tour schicken wollten. Eine großartige Neuigkeit, wenn man nur eine vollständige Band hätte. Man hatte jedoch lediglich 2 Gitarristen und einen Sänger. Letzten Endes kam Fredrik mit der Idee um die Ecke, dass sein Bruder Mattias Bass spielen könnte und mit einem Kumpel (Daniel Liljekvist) in einer Band ist, der Schlagzeug spielt. Die Idee sollte schnell Früchte tragen, sowohl Mattias, als auch Daniel beeindruckten auf ganzer Linie und passten perfekt ins Bandgefüge. Die Tour lief an und zum ersten Mal sah man, welche Gegensätze es in der Musikkarriere gibt. KATATONIA waren eine Underground Band, die im Auto pennen muss und zusehen muss, wie sie an etwas zu essen kommt. Währenddessen sahen die Jungs, wie Paradise Lost gemütlich in ihrem Nightliner auf einer Couch entspannen und Play Station spielen; spätestens hier wurde der Wunsch geboren, ebenfalls die Karriereleiter hoch zu erklimmen. Auch wenn man endlich auf Tour kam, war man davon genervt, nicht intensiver gepusht zu werden. Anders machte sich Gedanken und kam zu dem Schluss, dass es an dem Bandmanager liegen muss. Da KATATONIA sein Lebenswerk und gleichzeitig sein Lebensunterhalt war entschloss er sich selbst intensiver um die Organisation zu kümmern . Er sah Photoshop Designs von Travis Smith und war schwer beeindruckt. Kurzerhand nahm er Kontakt zu ihm auf und erklärte ihm, dass es eine Ehre sei, mit ihm zusammen zu arbeiten. Wie es das Schicksal wollte, war Travis Smith ein Fan der Band und so begann eine Zusammenarbeit, die bis heute andauern sollte.
„Tonight´s Decision“
In der Biographie von KATATONIA, dürfte dieses Album problemlos de Preis für das beste Cover gewinnen. Gleichzeitig fängt es die Atmosphäre des Album perfekt ein, das eine Weiterentwicklung zum Vorgänger zeigt. Stolpert `For My Demons` zu Beginn unbeholfen aus den Boxen, krallt sich der Song schnell ins Langzeitgedächtnis. Die unvorhersehbaren Riffs wechseln sich mit leichten Synthesizer Arrangements ab und werden von Jonas` charismatischer Stimme und einem optimalen Drumming unterstützt. Auch wenn man mittlerweile stellenweise weiß, welchen Stil die Jungs fahren, so ist kein Song vorhersehbar. `I Am Nothing` stolpert ebenfalls aus den Boxen, um den Hörer in die Irre zu führen. Eingestreute Details veredeln die Spieldauer und werden von knackigen Zwischenparts unterbrochen, die jedem Rock und Metal Fan gleichzeitig ein Dauergrinsen bescheren. Eingängig geht übrigens auch, wie `In Death A Song` eindrucksvoll unterstreicht. Erstaunlich, wie die hypnotischen Riffs eines „Brave Murder Days“ in die Lässigkeit eines Rocksongs eingebaut werden. Spätestens hier weiß man, dass man sich von dem reinen Metal abgewendet hat und seinen eigenen Stil kreiert hat und an diesem leidenschaftlich feilt. Leichte Doom Anleihen gibt es zwar auch noch, die auch von dem typischen Tapping und Halleffekt untermauert werden (`Had To Leave`) , wobei es hier extrem abwechslungsreich zugeht. Allerdings kommen einige jazzige Einflüsse rüber (`This Punishment`), mit denen ich nicht wirklich was anfangen kann. Zum Glück versöhnt mich `Right Into The Bliss` schnell wieder mit meinen hypnotischen Riffs, die ich so sehr liebe. Man spürt, wie sich der Stil in den Herzen der Bandmitglieder festgesetzt hat, denn `No Good Can Come Out Of This` wird so selbstverständlich und routiniert dargeboten, als gäbe es die Band bereits seit zig Jahren. Ohrwürmer (`Strained`) und ruhige Passagen (`A Darkness Coming`) gibt es hier auch und so wird auf dem Album jener Stil fest einzementiert, den man auf dem Vorgänger noch gesucht hat. Spätestens hier hört das Schubladendenken beim Stil auf und die neue Ära dieser Band wird nicht eingeläutet- sie wird abgefeiert.
Die Jahrtausendwende sollte ein guter Start für die Band werden, denn mit einem kompletten Line Up im Rücken, lässt sich besser planen. Hinzu kam der Luxus, dass man sich beim Songwriting nicht auf die Fähigkeiten des Drummers einstellen musste, sondern frei los schreiben und sich sicher sein konnte, dass Daniel einen guten Job abliefert. Dadurch buddelte man sich tiefer in seinem Kosmos ein und schraubte an komplexeren und vielschichtigeren Arrangements. Leider hatte man keinen Proberaum und so traf man sich zum ersten Proben direkt im Sunlight Aufnahmestudio, wo auch direkt das neue Album aufgenommen werden sollte. Daniel kam mit dem Zug an und hatte absolut keine Kohle, nicht einmal für ein Paar Drumsticks. Kurzerhand grub Jonas seinen Keller um und förderte ein paar Drumsticks zutage, die er 1991 gekauft hatte und die bereits abgegriffen waren. Dennoch war es für Daniel kein Problem, das komplette Album mit diesen Sticks einzuhämmern. Jonas und Anders arbeiteten zu dem Zeitpunkt auf Teilzeit bei der Post und fuhren abends mit dem Fahrrad ins Studio, um das Album fertig zu stellen. Man riss sich den Arsch ab, glaubte jedoch fest an dieses Album; manchmal kam es vor, dass bereits eine andere Band im Studio war und so musste man unverrichteter Dinge nach hause fahren und so lange warten, bis der Anruf kam, dass das Studio wieder frei ist (was meistens nachts war). Aufgenommen, danach wieder ins Bett und nächsten Morgen wieder arbeiten; alles andere als ein Rockstar Leben, wie man es sich vorstellt. Auch die technischen Voraussetzungen waren nicht optimal; das Aufnahmegerät verzieh keinen Fehler und wenn man sich verspielt hatte, musste der komplette Song nochmal neu eingespielt werden (was oft vorkam). Auf diese Weise quälte man sich zwar durch die Aufnahmen, wuchs jedoch in seinen Fähigkeiten als Musiker. Unterbrochen wurde das Ganze durch eine Tour mit Opeth, die man auch fernab jeder Rockstar Attitüden bestritt. Man fuhr mit dem Zug und schleppte seine Instrumente und persönliche Sachen selbst mit. Auch kleine Pannen gab es, so dass man mal keinen Sitzplatz mehr bekam und sich mit drei Leuten auf dem Klo einschloss, damit man Platz hatte. Auch Hotelzimmer gab es nicht für die Jungs und so schlief man im Bahnhof, während man auf den Zug wartete. Man reiste nach Polen und zum ersten Mal in die USA, dessen Gig den Jungs alles abverlangte; keine gescheiten Instrumente und null Bühnensound waren die besten Voraussetzungen, um den schlechtesten Gig ever abzuliefern.
„Last Fair Deal Gone Down“
Der erdige und gleichzeitig wuchtige Sound, die vielschichtigen und doch eingängigen Songs und ganz großes Gänsehautkino. Was braucht es sonst noch, um ein ultimatives Album abzuliefern? Die ersten 2 Minuten von `Dispossession ` zaubern auch heute noch eine Ganzkörpergänsehaut auf den Körper und lassen gleichzeitig die Rübe kreisen. Man spürt, dass KATATONIA sich in ihre eigene Welt vergraben haben, lassen aber derart intensiv arrangierte Songs von der Kette, dass man aus dem Staunen nicht mehr rauskommt. Während sich `Chrome` noch leicht ins Vorgängeralbum krallt, spürt man bei `We Must Burry You` gleich mehrere Einflüsse (unter andrem Tool und A Perfect Circle), die jedoch nicht wetteifern, sondern symbiotisch aus den Boxen fließen. `Teargas` ließ mich beim ersten Mal hören ehrfürchtig auf die Knie sinken und mich heute noch gepflegt ausrasten; wie kann man einfühlsames Riffing mit knackigen Ausbrüchen derart perfekt kombinieren und gleichzeitig eine charismatische Stimme oben drauf setzen? Mal fließend, dann progressiv und verschachtelt, so präsentiert sich `I Transpire`, während man bei `Tonight´s Music` klare Stellung bezieht: das ist unser Stil, wir haben ihn erschaffen und werden ihn verteidigen! Eine nachdenkliche Symbiose aus Metal, Rockarrangements und Moshriffs, die ihres gleichen suchen.
Wenn Paradise Lost in die Moderne übersetzt werden sollten, klingt es von den Gitarren nach `Clean Today`. Allerdings müssen sie sich die Reise mit Tool teilen, die hier einen klaren Einfluss haben. `The Future Of Speech ` ist nicht nur durch seine optimalen Arrangements ergreifend, sondern entblößt auch Jonas` Stimme, die mittlerweile eine Gesangsqualität angenommen hat, die in der Szene einzigartig ist. `Passing Bird` ist der optimale Sound einer schummrigen Bar, in der sich kaputte Seelen versammeln, während mich `Sweet Nurse` in ein Kopfkino transportiert, in dem ich als Patient in einem Krankenbett liege und mich nicht bewegen kann. In meiner eigenen Welt gefangen ist sie die einzige, die ich von der Außenwelt in meinem Zustand der Katatonie wahrnehme; spätestens mit diesem Song wird mir die wahre Bedeutung und Wirkung des Bandnamens bewusst. `Don´t Tell A Soul` ist der einzige Abschluss eines Albums, der mich aufgrund seines jazzigen Beginns nicht sofort packt. Egal, zur Not gleich noch einmal das ganze Album, denn Schwächen, Langeweile oder vorhersehbare Arrangements gibt es hier nicht. Definitiv ein ganz großes Meisterwerk in der Karriere von KATATONIA!
Die Rückkehr zur Härte
2001 sollte ganz im Zeichen von Touren stehen; nach dem Auftakt zum Label Festival Peacefest ging es in nach Holland, in die Türkei und schließlich auf Europatour, gemeinsam mit Opeth und Novembre. Ich erinnere mich daran, sie damals zum ersten mal live gesehen und später backstage getroffen zu haben. Es war in Essen in der Zeche, wo man gemütlich von außen zum Tourbus laufen und mit den Bands quatschen konnte. Der Auftritt war gut, auch wenn ich KATATONIA in erster Linie nicht als live Band sah. Jonas` intovertierte Art wechselten sich mit Anders´ dynamischem Headbanging gut ab, war aber in Sachen Bühnenshow eher unspektakulär. Dafür knallten die Songs von der ersten bis zu letzten Sekunde und genau das war es, was mich damals sehr beeindruckte und mir die Erkenntnis schenkte, dass in erster Linie die Musik und nicht die Verpackung sprechen sollte. Später hat man noch gemütlich auf dem Parkplatz gequatscht und Bier getrunken, während ich mein erstes Autogramm bekam, auf das ich noch bis heute stolz bin. Sie waren entspannt und sehr nett, was sich in späteren Treffen auch nicht ändern sollte.
Nach der Tour sollte es ans Songwriting gehen, dass dieses Mal mit moderneren Mitteln stattfand. Man hatte ein Macbook und Cubase, wo man die ersten Ideen aufnahm und arrangiert. Jonas und Anders beschlossen, sich 8 Stunden pro Tag an die Musik zu machen. Meistens traf man sich jedoch morgens zum quatschen, glotze Filme oder trank einige Bierchen. Nachts allerdings lief man kreativ zu Hochformen auf. Jeder Song des neuen Albums wurde in der Nacht geboren. Danach ging es ins Studio, wo man dieses Mal alles selbst machen wollte. Anders arbeitete sich in das Cubase Programm ein und erzielte sehr gute Ergebnisse. Allerdings fehlten ihm die Erfahrung, einen guten Gitarrensound zu mischen und so wurden Bass und Gitarren vorab durch einen digitalen Verstärker aufgenommen. Auch die Drums erwiesen sich als problematisch zum Aufnehmen. Als die gebuchte Zeit im Studio sich dem Ende zuneigte, entschloss man sich vor lauter Verzweiflung Dan Swanö anzurufen und um Rat zu fragen. Dan arbeitete zu jener Zeit in einem Plattenladen und kannte jemanden, der ihnen weiterhelfen könnte: Jens Bogren, der später als Aushängeschild für großartige Produktionen (u.a. Dimmu Borgir, Amorphis) werden sollte. Sie trafen sich gemeinsam mit Dan und Jens und man entschloss sich, die Arbeit aufzuteilen. Jens kümmerte sich um den Mix, während Dan am Schlagzeugsound werkelte, was das Album vor einem Desaster bewahrte.
„Viva Emptiness“
Bereits im Vorfeld kündigte man die Rückkehr der Double Bass an, was für Vorfreude im Fanlager sorgte. Sollten alte Tugenden im Sound von KATATONIA ihre Rückkehr feiern? `Ghost of the Sun ` preschte die Antwort direkt ins Gesicht und sollte das Aushängeschild werden, das den neuen Sound beschreibt; melancholisch und gleichzeitig aggressiv. `Sleeper` klingt wie eine weitergeführte Antwort des Vorgängeralbums; cleane Riffs, klagende Vocals und einbrechende Gitarrenwände, die den Hörer inmitten eines Ausbruchs begraben. `Criminals` wird durch eine Basslinie eingeleitet und nimmt mit Jonas` Vocals den Hörer bei der Hand. Auch hier wird ruhig durch den Songs geschritten, ehe es zum Ausbruch kommt; ein Rezept, das sich durch das Album durchziehen soll. `A Premonition ` zeigt eine Band in Höchstform, denn die Gänsehaut zieht sich durch den gesamten Song; melancholische Arrangements und Ruhe gleiten durch die Boxen, zeigt nur im Mittelteil seine Zähne, die es fest ins mentale Fleisch gräbt, um den Hörer danach wieder ein ein friedliches Schweben zu entlassen. Ehrfurcht fordert der Song ein, Staunen bekommt er obendrauf.
`Will I Arrive ` kracht aus vollem Lauf in die Fresse und spiegelt jene Wucht wider, der sich der wachsende Trend des Nu Metals bedient, nur halt in besser. Zwischendrin gibt es noch die einprägsamen Vocals von Jonas zu bestaunen, ehe das Riff wieder alles im Umkreis der Boxen zerstört. Keine Ahnung, wer die Bongos zu Beginn von `Burn the Remembrance `eingebaut hat, aber die Idee ist schlichtweg genial, wenn man sie mit Anders´ charismatischem Gitarrenspiel kombiniert. Statt ausschließlich auf den Mix Hart und Zart zu setzen (inklusive dezent eingestreute Elemente), garniert man alles mit einem Drumming, das einfach nur genial ist. Auch ein hypnotisches Riff bis zum Schluss durchspielen funktioniert genauso wie zur „Brave Murder Day“. Je länger man das Album hört, desto mehr staunt man, zu was diese Band in der Lage ist. Man konnte den Vorgänger durch innovative Ideen, intensiverer Symbiose beim Songwriting und frischer Härte toppen und seinen Sound verfeinern. Ganz ohne Jazzeinschlag kommt das Album leider nicht aus, und so schleiche ich mich immer wieder an ` One Year from Now ` vorbei, um mich am Pitgarant `Walking by a Wire ` zu erfreuen. `Complicity ` und `Evidence` sind Dauerbrenner im Ohr und im Lautsprecher, während das ruhige `Omerta` ein Klagelied in einer Bar sein kann, bei dem man seinem alten Freund (oder seiner jüngeren Persönlichkeit) wieder begegnet. `Inside the City of Glass ` ist der charismatische Rausschmeißer, der instrumental KATATONIA in Topform zeigt.
Der Name des Albums „Viva Emptiness“ ist für mich persönlich Programm;ich war inmitten einer Ausbildung, die ich hasste und kurz davor war abzubrechen. Ich erinnere mich noch sehr gut daran, wie ich im (damals aufstrebenden Internet) einen Aufruf der Band gesehen hatte; „Beschreibe die Musik von Katatonia und gewinne eine exklusive EP, mit drei neuen Songs vom Album.“ Welche Worte ich genutzt habe weiß ich nicht, aber ich weiß noch sehr gut, wie ich einige Wochen später völlig verdutzt einen Brief öffnete und die EP rausfiel. Ich konnte mein Glück nicht fassen und hörte sie, bis mir die Ohren bluteten. Als das Album rauskam, schmiss ich es zum ersten mal in meinen CD Player im Auto auf dem Weg zu meiner (damals verhassten) Arbeitsstätte. Alleine das `Ghost of the Sun ` zu Beginn ließ meinen Körper voller Adrenalin laufen und gab mir ein Gefühl, alles schaffen zu können. Es dauerte lediglich wenige Songs, bis ich wusste „Du brichst diese Scheisse nicht ab;du ziehst den Rotz bis zum Ende durch, egal wie hart es noch werden wird!“. Ganze 1,5 Jahre sollten ins Land ziehen, in denen ich eine sehr finstere Zeit durchmachen sollte; viele Steine wurden mit in den Weg gelegt und es schien, als würde sich alles gegen mich zu verschwören. Dennoch zog ich alles durch und am Ende der Ausbildung stand ich mit einem (eher schlachten) Ergebnis da, bekam aber einen neuen Job angeboten, der mein neues Lebenskapitel öffnen sollte. Ich denke nicht gerne an diese Zeit zurück, aber der Moment, in dem ich die „Viva Emptiness“ zum ersten mal hörte, wird immer einen Platz bei mir haben.
Von hart zu kalt
Kurz nach der Veröffentlichung sollte es auf eine 7 Wochen lange Tour gehen. Eigentlich eine großartige Sache, wenn Jonas nicht gerade frisch gebackener Vater eines 2 monatigen Sohnes wäre. Auch Daniel und seine Freundin erwarteten ein Kind, so dass die Tour zwar gut war, aber für einzelne Mitglieder (verständlicherweise) in den Hintergrund der Prioritäten rückte. Bei der Rückkehr stellte sich eine ungewöhnliche Stille bei Anders ein. Er kapselte sich zunehmend ab und schien frustriert. Jonas und er setzen sich zusammen und es stellte sich heraus, dass Anders frustriert über die Situation mit KATATONIA war. Er wollte mehr touren und Videos drehen, aber das Label bremste ihn aus. Auch die Tatsache, dass viele Leute KATATONIA als großartige Studioband, aber als langweiligen Live Act sahen, machten ihm zu schaffen. Die Tätigkeit als inofizieller Bandmanager frustrierte den Musiker in ihm derart, dass er daran dachte, das Handtuch zu werfen. Der Konflikt zwischen seiner Person als Manager und ihm als Musiker war hart, mündete jedoch in der Entscheidung, von nun alle Management Tätigkeiten selbst zu machen. Es ist der (eher untypischen) Überredungskunst von Jonas zu verdanken, dass er der Band erneut eine Chance gab. Danach kümmerte sich Anders um alles: er entwarf das Merch, organisierte Auftritte, kümmerte sich mit dem Webmaster um die Website und klärte alles, was die Band betraf selbst.
2004 sollte das Jahr des Tourens werden; nun war man im Leben eines Rockstars angekommen, allerdings ohne Reichtum. Man organisierte alles selbst, spielte Gigs und feierte ausgiebig. Auch auf dem Summer Breeze traten sie auf, wo ich sie live sehen konnte und der Eindruck leider bestätigt wurde; geile Songs, austauschbare Bühnenshow. Egal, später wurde noch etwas geplaudert und die „Saw You Drown“ EP unterschrieben, für die mir ein anderer Fan sein Auto, seine Freundin und 250 € anbot. Es wäre bestimmt ein schöner Abend geworden, aber letzten Ende habe ich die EP immer noch im Schrank stehen und ich habe mit dem Typen lieber gesoffen und seine Beziehung gerettet. KATATONIA zogen die Tour durch und feierten am letzten Abend derart ausgiebig, dass sie von einem Fan ins Hotel gefahren werden mussten. Ein Jahr später ebbte das Touren ab und man begann an den Arbeiten zum neuen Album. Dennoch gab es einen Gig in Griechenland, den die Truppe unter glühender Hitze abriss. Anschließend ging es in den Backstage Bereich, wo die Jungs derbe feierten. Irgendwann wurde der Bereich umgebaut, weil Dio (der ebenfalls dort auftrat) Geburtstag hatte. Lediglich Daniel traute sich an seine Tür und klopfen und um ein Foto zu bitten. Trotz seiner Müdigkeit kam Dio raus für einige Gruppenfotos und erfüllte dem einen oder anderen Bandmitglied damit einen Kindheitstraum. Danach ging es wieder diszipliniert ans Songwriting und man buchte ein neues Studio. Fascination Street sollte der Geburtsort für den Nachfolger werden, wo Jens Bogren bereits wartete. Mittlerweile hat man einiges an Erfahrung auf dem Kerbholz und so liefen die Aufnahmen relativ flüssig. Hinzu kommt das perfektionistische Auge von Jens, das keinen noch so kleinen Schnitzer zulässt. Das Ergebnis wird bis heute noch als eines der großen Referenzwerke gefeiert.
„Great Cold Distance“
Nachdem man sich emotional ausgetobt hat, geht es mit dem aktuellen Album deutlich klinischer und kälter zur Sache. Allerdings nicht von der Technik, sondern tatsächlich vom Gefühl her. `Leaders` spricht dabei eine klare Sprache und spielt sich distanziert von jeglicher Erwartungsebene ab. `Deliberation ` umgarnt anfangs den Hörer, lässt ihn jedoch in einer kahlen Welt zurück, in der er sich zurecht finden muss. Keine sofort zündenden Riffs, null Orientierung und auch teilweise der Gedanke, dass sich KATATONIA zu weit von der eigenen Erwartungshaltung entfernt haben. Da rumpelt es mal an der Gitarre (`Soil´s Song`) , fehlgeleitete Aggressionen suchen sich im Irrgarten einen Weg aus den Boxen (`Consternation `) oder lockt den Hörer mit den ersten Klängen, um ihn danach wieder in die Ungewissheit zu schmeißen (`Rusted`). Nicht Fisch, nicht Fleisch, außer dem zugänglichen `My Twin`., also was soll man mit dem Album?
Die Antwort lautet: durchhalten! Irgendwann im Laufe des (mehrfachen) Durchgangs, krallt sich eine kleine Textpassage ins Hirn fest (`July`), entblößt das verschachtelte Songwriting ein geiles Riff und Doublebass (`Increase`) oder lässt den Hörer im Strom der Gesangslinie in ein weiches (dunkles) Kissen fallen (`In the White `). Erst dann ist man bereit, die vorangegangenen Songs nochmal zu hören, und siehe da, das Kochrezept geht auch hier auf und belohnt den Hörer mit richtig intensiven Momenten. KATATONIA verlangen dem Hörer hier einiges ab, belohnen jedoch die Suche mit Songs, die sich nahtlos in die Großtaten dieser Band einreihen. Die Arrangements sind extrem clever gesetzt und auch die Tatsache, dass man mit dem Album erneut komplett überrascht, ohne seinen Stil zu ändern, zeigt eine Bandentwicklung, der besonderen Art. Der Albumtitel könnte passender nicht sein, denn die kalte Distanz beherbergt nicht Gleichgültigkeit, sondern sehr viel Herzblut, packende Songs und extrem großes Kopfkino. Man muss sich nur die Zeit nehmen, um sich das alles zu erarbeiten.
Im Alleingang
Im Anschluss an den Release ging es auf (u.a. mit Moonspell) auf Tour. Es sollte organisatorisch bergauf gehen, denn man fand mit The Agency Group endlich einen Kooperationspartner, der sich mit Herzblut um die Belange der Band kümmerte und Anders entlastete. Auch die Beziehung zu Peaceville wurde gekittet, was man nicht zuletzt an der Produktion der Videos erkennen konnte. Als Travis Smith das Cover gestaltete fiel auf, dass der ursprüngliche Schriftzug nicht die klinische Botschaft transportierte. Daher entschied man sich für ein neues Logo, das schlicht und direkt ist. Mittlerweile hatte man an der Bühnenperformance gefeilt und erstmals sogar ein Backdrop, Seitenflaggen und das eigene Logo auf dem Drumkit. Somit sah man nicht nur cool aus, sondern machte endlich auch live einiges her. Es ging bergauf und man bekam endlich die Aufmerksamkeit, auf die man jahrelang hin gearbeitet hatte. Es folgten einige weitere Konzerte, ehe 2008 auch die persönlichen Lebensumstände hinzukamen. Jonas erwartete ein weiteres Kind und auch bei Daniel kündigte sich erneut Nachwuchs an. Hinzu kam, dass Anders keine Ideen für ein neues Album hatte, was die Band ausbremste. So entschloss sich Jonas kurzerhand in jeder freien Minute an Songs zu feilen, was ihm schwer fiel. Schließlich hatte er es stets mit Anders gemeinsam gemacht. Die ersten Ergebnisse schickte er an den Rest der Band, die ihn ermutigte, weiter zu machen. Von da an lag das Schicksal der neuen Platte in Jonas` Händen. Er war sich darüber bewusst und tat alles, um diese zu verwirklichen. Er setzte sich mit Frank Default in Verbindung, der bereits einige Keyboards auf dem Vorgängeralbum beigesteuert hatte. Gemeinsam verschanzte man sich in das Ferienhaus von Jonas` Eltern, um sich von der Außenwelt abzukapseln (wie man es bereits 18 Jahre zuvor zu Demozeiten gemacht hat). Anders und Daniel kamen hinzu und man arrangierte am Computer einige Songs, um ihnen später Leben einzuhauchen. Ganze 9 Monate verbrachte Jonas damit, die Entstehung des Albums zu betreuen. Im Studio experimentierte man mit vielen Effekten und er musste einige Gitarrenlinien selbst einspielen, weil es zu lange gedauert hätte, sie Anders beizubringen. Letzten Endes funktionierte es und jeder spielte seinen Part ein, der abschließend gemischt wurde. Der Albumtitel „Night Is The New Day“ könnte für den Aufwand und die leidenschaftliche Hingabe von Jonas nicht passender sein.
„Night Is The New Day“
Nach dem sperrigen Vorgänger, eröffnet `Forsaker` mit überraschend frischer Härte ein Album, das wieder zugänglicher sein soll. Man kommt hier schnell auf den Punkt und garniert die Härte mit sphärischen Keyboards, was ein Gothic 2.0 Gefühl hinterlässt. Man spürt, dass die Band ihre Erfahrungen und Routine in das Songwriting einfließen lassen, hält allerdings auch an alten Tugenden (Wechselspiel von hart und zart) fest, ohne an Überraschungen zu sparen. In erster Linie gibt es hier tonnenweise Synthesizersounds neu zu entdecken, die das Album teils tragen, teils verfeinern. Gemeinsam mit Jonas` charismatischer Stimme und den geschickt platzierten Gitarrenwänden, gleiten die Songs schneller ins Langzeitgedächtnis. Manchmal schüchtern introvertiert (`Onward into battle `), dann wieder in allen Facetten strahlend (`Nephilim `) oder auch mal explodierend (`Day & then the Shade `), KATATONIA machen alles, um ihre Stärken zu bündeln und auf Platte festzuhalten. Dieses Gefühl überträgt sich sofort auf den Hörer und wer auch nur ansatzweise was mit der Band anfangen konnte (egal welche Ära), dürfte schnell von diesem Album eingesogen werden.
Man hatte ein neues Album im Gepäck und begann eine Zusammenarbeit mit Northern Music Company, die bereits Paradise Lost betreuten. Das eröffnete der Band mehr Möglichkeiten zu Touren; auch Peaceville wollten nun alles in die Waagschale werfen, um KATATONIA weiter zu pushen. Was gut für die Band ist, ist jedoch manchmal schlecht für die Mitglieder, denn jeder stand nun vor der Entscheidung, 100% in die Band zu investieren, oder einen anderen Weg zu gehen. Jonas, Anders und Daniel entschieden sich dafür, alles für die Band zu opfern. Fredrik und Matias wollten es ebenfalls, allerdings ließen ihre Lebensumstände dies nicht zu. Eine Familie und einen festen Job gibt man nicht einfach so auf und so entschlossen sich beide für ihre Familie. Auch wenn die Trennung für alle hart war, so ist es die verständlichste Lösung für alle Beteiligten gewesen. Als Ersatz an der Gitarre wurde der langjährige Gitarentechniker Per „Sodomizer“ Eriksson verpflichtet, der auch mit Jonas und Anders bei BLOODBATH spielte. Am Bass wurde Niklas „Nille“ Sandin rekrutiert, der bei Amaran gespielt hatte, bevor sie sich auflösten. Mit dieser Besetzung sollte 2010 das Jahr mit den meisten Touren und ausverkauften Shows werden (98 Shows in 9 Monaten).
Ich erinnere mich ganz genau an das Rock Hard Festival 2010; ich war krank und wollte aber unbedingt auf das Festival, weil so viele geile Bands spielten (u.a. KATATONIA). Also kurzerhand ins Auto gesprungen und dann doch zum Amphitheater nach Gelsenkirchen. Es sollte genau einen Tag dauern, ehe ich wieder Fieber bekam, aber einen besonderen Gig konnte ich noch mitnehmen, und zwar den von KATATONIA. Es war bereits lange her, das ich die Truppe live gesehen hatte (ich glaube es war 2004 auf dem Summer Breeze), aber die Entwicklung stand ihnen deutlich ins Gesicht geschrieben; cooles Backdrop, geiler Sound und als sie direkt zu Beginn `Forsaker` auf die Meute losließen wurde mir schnell bewusst, daß sie endlich auch eine geile Live Band geworden sind! Jonas introvertierter Gesang, Anders Ausraster an der Klampfe und das filigrante Schlagzeugspiel waren schon geil und wurden von den beiden Neuzugängen sehr gut unterstützt. Die Setlist bestand ausschließlich aus Songs ab der „Viva Emptiness“ Ära und hatten eine entsprechende Durchschlagskraft. KATATONIA kamen, räumten den Tisch ab und gingen wieder und ich weiß noch wie sehr ich mich darüber gefreut habe, dass sie endlich nicht nur im Studio, sondern auch live genial sind.
Immer weiter…
Man sagt, dass man aufhören soll, wenn es am schönsten ist. Auf der Spitze des Erfolgs wurde ausgiebig getourt und danach eine (zum Glück nur kleine) Pause eingelegt, ehe man sich erneut ins Studio verschanzte, um am neuen Album zu arbeiten. Aber auch bei den Touren waren sich die Jungs nicht zu fein, einige Überraschungen einzustreuen; so wurden mal eben Songs aus der ersten Ära gespielt, was sowohl Fans der „Dance Of Dacember Souls“, als auch „Brave Murder Day“ Fetischisten sehr erfreut hatten. Zuhause angekommen wurden die beiden „neuen“ auch ins Songwriting integriert, wobei Jonas und Anders weiterhin die Oberhand behalten sollten. Allerdings sollte es dieses Mal kein gemütliches Studio werden, sondern ein Rattenloch, indem man sich durch den Aufnahmeprozess quälte. Auch eine fest angelegte Deadline war neu und setzte die Band unter Druck, was die Kreativität jedoch nur weiter antrieb. Herausgekommen ist „Dead End Kings“, das bereits die Weichen für weitere progressive Elemente stellen sollte.
„Dead End Kings“
An dieser Stelle könnte ich eine herrliche Rezension über das Album schreiben. Allerdings wurde bereits eine veröffentlicht, die ich euch nicht vorenthalten möchte, da sie immer noch mit der frischen Begeisterung auf dem Bildschirm präsent ist.
Auch dieses Album wurde von den Fans begeistert aufgenommen, da es erneut überraschte. Man hatte eine Mischung aus Finsternis und kalter Großstadtromantik erschaffen, die man nun mit einem ausgiebigem Tourplan untermauern wollte. 2012 rotierte das Album in Dauerschleife auf meiner Hochzeitsreise, während ich Ende des Jahres mit meinem Kumpel Chris den Auftritt in Köln bewundern und mit den Jungs ein Interview führen konnte.
Bereits beim Songwriting achtete man darauf, dass Dynamik vorherrscht. Dafür nahm man auch mal in Kauf, dass unterschiedliche Elemente pro Song im Vordergrund standen und die Gitarren eher in den Hintergrund traten. Wenn man schon etwas unerwartetes raushaut, dann sollte man es auch gleich richtig machen und so war die Überraschung groß, als es einen kompletten Remix des Albums „Dethroned And Uncrowned“ im Laden gab. Die Abkehr vom Metal wurde hier extrem deutlich, denn in erster Linie dominieren Streicher, Bläser, Pianos und Akustikgitarren. Wer sich einmal auf den Stil der Band festgefahren hatte, wurde erneut überrascht und an einigen Ecken vielleicht sogar enttäuscht. Fakt ist, dass das Remix Album die weitere Bandentwicklung ins Dunkel tauchte und niemand wirklich wusste, was als nächstes passiert.
Am wenigsten wusste die Band, in welche Richtung es gehen sollte. Neue Ideen fürs Album gab es teilweise, aber noch nichts konkretes. Was also macht man, wenn einem nichts neues mehr einfallen will? KATATONIA besann sich auf ihre alten Tugenden und blickte auf ihre Diskographie zurück. Eine weitere Tour lediglich mit altem Material würde von außen wie eine Verzweiflungstat aussehen und auch keinen Spaß machen. Warum also nicht einmal eine große Auswahl in ein akustisches Gewand kleiden und den Fans etwas anderes bieten? Mal im ernst, wer KATATONIA live gesehen hat, hat im Laufe der Entwicklung Vielseitigkeit erlebt; Black-/ Doom Metal, Dark Rock-/Metal, Progressive Rock und nun einmal als Akustikband.
Natürlich wollten Uli und ich uns das für metalimpressions nicht entgehen lassen und so fuhren wir zur Christus Kirche nach Bochum (sehr geile Location übrigens für den Gig), um ein atmosphärisches Konzert zu erleben und ein Videointerview zu führen. Ich erinnere mich an meine Nervosität, aber die Jungs waren genauso nett und entspannt, wie ich sie bereits kannte. Das Interview verlief gut und es gab auch ein schönes Foto vor dem Gig (nein, ich habe sie nicht mit Gewalt auf das Foto gezwungen). Im Anschluss gab es ein herrliches Konzert, dessen Bericht ihr HIER lesen könnt. Großer Wehrmutstropfen: aufgrund einer technischen Panne ist das komplette Videointerview auf dem Laptop zerstört worden. Bis heute trauere ich diesem Interview nach, denn ich habe es als sehr angenehm empfunden und die Jungs hatten einiges zu erzählen. Shit happens. Das live Erlebnis sollte kurz danach auch auf CD unter dem Titel „Sanctitude“ erscheinen.
Im Jahr 2014 gab KATATONIA den Ausstieg von Schlagzeuger Daniel bekannt, der sich aus familiären Gründen zurück zog. Sein Nachfolger wurde Daniel „Mojjo“ Moilanen, der bereits in einigen Sessions ausgeholfen hatte. Aber auch an den Gitarren begann sich das Besetzungskarussel zu Drehen; Eriksson steigt aus und wird auf der Tour durch Bruce Soord und Tomas Åkvik zeitweise ersetzt. Dennoch beginnt man mit dem Schlagzeuger an neuem Material zu arbeiten, das Fans erneut in Verzückung und Verwunderung stellen sollte. Produziert haben es Jonas und Anders im Alleingang, während Jens Bogren erneut die Regie am Mischpult übernahm
„The Fall Of Hearts“
„Das Album ist alles, was wir uns jemals zu Veröffentlichen erträumt haben. Eine neblige, aber abenteuerliche Reise durch all das, was uns ausmacht.“ Mit diesem Zitat der Band geht es ans erste Erkunden und begegnet `Takeover` der einen direkt mit Jonas` charsimatischer Stimme umgarnt, ehe es in progressiv verschachtelte Gefilde geht. Ehe ich Angst habe, dass die Atmosphäre verschwindet, kommen jedoch die vertrauten Gitarren und Synthesizerbänke, die mich wieder auffangen. Generell arbeitet das Album sehr viel mit verschrecken und locken, wenn auch nicht gleich so extrem, wie die „Great Cold Distance“. So versprüht `Serin` den kompletten Charme dieser Band in einem modernen Soundgewand, die einerseits leicht zugänglich ist, aber dennoch die Erfahrung einer intensiven Bandgeschichte in sich trägt. Je weiter das Album voranschreitet, um so mehr Vertrautes erkennt man im Nebel. Viele Dinge sind vertraut, wirken jedoch neu arrangiert. Der Besetzungswechsel hat seine Spuren hinterlassen und so gibt es zwar viele Höhen und kaum Tiefen, aber der wirklichen Tiefgang, den man von KATATONIA kennt, ist nicht so häufig präsent, wie beispielsweise bei „Night Is The new Day“. Es wurde mit sämtlichen Werkzeugen experimentiert, die sich in der Diskographie als würdig erwiesen haben; sphärische Synthesizer, Wechselspielchen von hart und zart (sehr wenige), Tapping und Disharmonien. Allerdings sind die Songs auch teilweise recht lang geworden, so dass sich das Gefühl der Routine eingespielt hat, und das kindliche Erkunden eher in den Hintergrund geraten ist. Man hat mittlerweile eine ähnliche Karriere wie Opeth hingelegt, aber ich hoffe inständig, dass die Reise nicht komplett in die gleiche Richtung geht, denn das wäre für mich null Amtopshäre. „Fall Of Hearts“ hat seine Höhepunkte und die „Tiefpunkte“ sind lediglich gute Songs, statt großartige. Trotzdem bleibt das Gefühl zurück ein Album auf dem Tisch zu haben, das KATATONIA ist, aber auch etwas andeutet, von dem man nicht weiß, was man davon halten soll.
Es folgte eine ausgiebige Tour, bei der man sich 2017 auch auf dem Wacken blicken ließ. Der Terminkalender war voll, man konnte aus den Vollen schöpfen und es lief gut. Videos wurden produziert, Interviews liefen und auf der Facebook Seite füllte sich Seite mit Fotos von Fans, Konzerten und Lobesbekundungen. Am 04. März 2018 erfüllte ein simpler Post die Fans mit Angst; die Band nahm sich eine Auszeit! Durchaus keine ungewöhnliche Aktion, dennoch fürchtet man sich als Fan vor der Auflösung. Die Gründe dafür können vielfältig sein: Familie, Stress, die große Aufmerksamkeit oder was auch immer. Fakt ist, dass man sich mit seinen Posts danach immer nur sporadisch meldete mit Shirts, Fanfotos oder eben jenen Post, der dieses Special ausgelöst hat; die „Dance Of December Souls“ wird 25 Jahre alt. Jonas uns Anders spielen weiterhin bei BLOODBATH, da aus dem einstigen Fun Projekt eine ernst zu nehmende Band geworden ist. Was das für KATATONIA bedeutet, steht erstmal in den Sternen.
Endtime
Neben den gängigen Alben, gibt es auch noch einige Live Mitschnitte, eine (inofizielle) Demo von 1993 und auch diverse Maxis, die rares und intensives Material enthalten (bestes Beispiel: der Song `Unfurl`, der es auch in der Akustikversion auf die „Sanctitude“) geschafft hat. Viele der B Seiten wurden später im Rahmen der Re-Releases veröffentlicht oder sind auf Special Editions oder der „Black Sessions“ zu finden. Ich habe diese Veröffentlichungen bewusst ausgelassen, um das ohnehin umfangreiche Special nicht noch mehr voll zu stopfen. Es ging lediglich darum, den Werdegang dieser großartigen Band einmal Revue passieren zu lassen, um die Wartezeit nach einem weiteren Lebenszeichen, oder dem endgültigen Aus zu verkürzen. Egal, in welche Richtung die aktuelle Auszeit gehen wird, Fakt ist, dass sich KATATONIA von ganz unten nach oben gekämpft haben und mit ihrer Symbiose aus Härte, Melancholie und Finsternis ihren Namen gemacht haben. Selbst in einer kreativen Sackgasse haben sich die Jungs als Könige erwiesen und sind auch lange (kalte) Distanzen gegangen, um ihre Form der Musik zu erschaffen. Ob es ein Begräbnis der Band werden wird, oder ob bereits im Hintergrund die Nacht erneut zum Tag gemacht wurde, um neue Songs zu schaffen, wird die Zeit zeigen. Egal in welche Richtung es geht, KATATONIA sind und bleiben jene Dezember Seelen, zu denen ich heute noch gerne tanz.
Thank you for the music and keep it rockin`!
Radu
LUNATIC INVASION
Party San- mein persönliches Stammfestival, das ich jedes Jahr mitnehme. Gute Musik, nette Leute, massig Merchandise und Bier; was braucht ein Festival mehr? Dieses Jahr wollte mein Kumpel zum ersten Mal mitfahren. „Warte ab, ich habe eine fette Überraschung für dich“ meinte er schon Monate imVoraus. Danach kam das Übliche: Arbeit überstehen, Shirts fürs Festival raus suchen und Geld für neue Shirts/Platten und Bier ansparen. Dann war es endlich soweit und ich holte meinen Kumpel bei bestem Festivalwetter (Dauerregen mit Sturmböen) in Dortmund ab. Grinsend drückte er mir vier CD´s voll mit MP 3´s in die Hand. Wir waren noch keine 100 Meter von seiner Wohnung entfernt, da rollte bereits die erste Gänsehautwand über uns hinweg. „Echt jetzt? Den Song habe ich ja seit Ewigkeiten nicht mehr gehört!“. Mein Kumpel hatte mal eben von sämtlichen coolen Bands die eher unbekannten Songs rausgesucht und gebrannt. Alles Songs von Bands, deren Alben wir in unserer Plattensammlung haben und die wir seit Jahren nicht mehr gehört haben. Die vier Stunden Autofahrt sind wie im Flug vergangen und sogar der Wettergott schien von den alten Schätzen angetan, denn wir erreichten das Festival unter strahlendem Sonnenschein und mit bester Laune. Diese Aktion hatte 2 Konsequenzen: zum einen ist mein Kumpel für mich die fleischgewordenen Reinkarnation von Dan Swanö in Sachen Samplerbauen geworden. Zum zweiten kam die Idee auf, einige alte Schätzchen hier vorzustellen, die nur kurz auf der Bildschirmfläche waren oder deren Großtaten sonst in Vergessenheit geraten. Vorhang auf für die neue Rubrik: Blast from The Past!
LUNATIC INVASION
An einem kalten Novembermorgen trudelte eine Nuclear Blast Bestellung ein. In den 90ern bestellte man noch nach Cover oder Kurzbeschreibung. Nuclear Blast hatte damals die coole Angewohnheit, bei jeder Bestellung einen Sampler rein zupacken, auf dem einige Bands vorgestellt wurden. Auf einem davon war der Song „Asche zu Asche“ von LUNATIC INVASION. Knackiges Riffing, Black Metal Vocals und tragende Synthesizersounds rannten bei mir damals offene Türen ein: wenn die ganze Platte so ist, muss ich die definitiv haben! Schon mal vorweg: sie ist es nicht. Als ich das Album in den Player schob, baute sich unheilvoll der Titeltrack „Totentanz“ auf. Ein Album nach dem Intro zu benennen ist mutig, aber nichts im Vergleich, was dann in Form von `Haut` aus den Boxen brach: brutales Grind Geknüpppel mit Death Metal lastigem Groove und dem perversesten (deutschen) Text, den ich bis damals gehört habe. Krank, brutal und richtig geil! Allein für den Song, liebe ich die Band und er hat auch heute noch die unbezähmbare Durchschlagskraft. `Sturm` kündigte als Instrumentalstück das auf dem Sampler geliebte Stück `Asche zu Asche` an und baute seine Stärken sogar noch etwas weiter aus. `Fallen Angel` brachte das Kunststück fertig, Death Metal eine melancholische Note zu verpassen. Generell hatten es die Jungs einfach drauf, viele Elemente gekonnt zu vereinen. Etwas Frauengesang hier, ein wenig Synthesizer dort, schon erkundete man im musikalischen Labyrinth sowohl Gothic, als auch Mittelalter- oder Metal Klänge. Es gab einige Instrumentalstücke, die die Atmosphäre schön unterstrichen und die Songs aufgepeppt haben. Ein wenig Knochengeknirsche (`Gathering Of Bones`), ehe ´Dance Macabre` sich aus den Boxen prügelt, oder ein wenig Mittelalterflair (`Prozession`), um mit `The Haunted Palace`ein Kopfkino entstehen zu lassen, bei dem man irgendwo zwischen Mittelalter, Fantasy und Horrorgefilden gefangen ist. Auch wenn `Dark Prayers` und `Blut Gott` für mich eher gutes Beiwerk waren, so rundet es doch die Scheibe ab.
„Totentanz“ ist zeitlos, vielfältig und herrlich abwechslungsreich. Death Metal mit Mittelalter und Gothic geht nicht? LUNATIC INVASION haben gezeigt, wie es richtig gemacht wird. Leider haben sie sich irgendwann Ende der 90er aufgelöst. Dennoch haben sie mit ihrem Erbe ein Mahnmal hinterlassen, das auch noch viele Jahre später im Untergrund einen festen Bestand haben wird.
Radu
IVORY TOWER – Progressive Metal aus Kiel
Heute möchten wir Euch einmal die Band IVORY TOWER aus Kiel vorstellen, denn sie hat es unseres Erachtens verdient, dass man über sie schreibt oder vielmehr berichtet.
Im Jahre 1998 gründeten Sven Böge (Gitarre) zusammen mit Thorsten Thrunke (Schlagzeug) die Band. 1998 wurde ihr erstes Album „Ivory Tower“ weltweit veröffentlicht. Zu dieser Zeit spielten sie u.a. als Support für Motörhead, Doro, Fates Warning oder aber auch Candlemass. Ebenfalls tourten sie mit Mob Rules oder Murder One. 1999 wurde dann ihr zweites Album „Beyond The Stars“ aufgenommen und man trennte sich vom damaligen Musiklabel. Es folgten dann einige „Besetzungswechsel“ innerhalb der Band. 2006 veröffentlichten sie ihr drittes Albums „Subjetive Enemy“. Nach diesem Album allerdings pausierte man erst einmal und Sven Böge schrieb währenddessen bereits Songs für das kommende vierte Album. Im Jahre 2011 wurde dann noch einmal das Label gewechselt und unter diesem erblickte das Album „IV“ das Licht der Welt. Auch in der Besetzung gab es zwischen 2012 bis 2014 noch einmal einen „Austausch“. Seit 2014 jedoch steht das Groh der Band, man hat sich schlicht und ergreifend gefunden. Mit ihrem derzeitigen Sänger, Dirk Meyer, der ebenfalls 2014 zu IVORY TOWER hinzustieß, bekam die Band gesanglich ihre Perle oben drauf. 2016 noch ein kurzer Austausch am Keyboard und nun steht der Kader in voller Pracht. IVORY TOWER können auf eine lange Geschichte zurückblicken. Wir sind großer Fan ihrer diversen Alben. Ein wirklich großartiger Song aus ihrem zweiten Album „Beyond The Stars“ ist u.a. `Foreboding`. Ein kleines Meisterwerk, das einen gute 12 Minuten auf eine absolut geile Reise mitnimmt. Weitere Anspieltipps immer und immer wieder z.B. `Keys´ oder aber auch die Ballade `Spring´ von ihrem Debütalbum. Eine wahnsinnig gute Mixtur aus echt geilem Heavy Metal, der manches Mal so richtig fetzt und im nächsten Moment übergeht in traumhaft melodische Parts und dem Zuhörer eine Gänsehaut verpasst. Sie selber sagen von sich, sie ziehen musikalische Einflüsse von Bands, wie z.B. Gamma Ray, Dream Theater oder aber auch Rush. Und genau dieser Einfluss spiegelt sich deutlich in ihrem Tun und somit in IVORY TOWER wieder.
Wir sind uns sicher: Fans des Progressive Metals / Melodic Metals werden die norddeutsche Truppe lieben. Nebenbei sei auch angemerkt, dass alle fünf absolut sympathisch sind. Entdeckt haben wir IVORY TOWER live im Jahre 2016, als sie beim Kieler Metal Attack II in der Pumpe in Kiel spielten. Auch beim Baltic Open Air 2016 waren sie mit dabei und ebenfalls vor zwei Jahren als Support von Beyond The Black. Auch in Hamburg zusammen mit Beyond The Black hinterließen sie einen mächtig guten Eindruck beim Publikum.
IVORY TOWER, eine in unseren Augen nicht wirklich „ausreichend gesehene“ Band, die aber unbedingt gesehen werden sollte! Live ein Muss, die Alben ebenfalls. Ein paar Gelegenheiten gibt es in diesem Jahr sogar noch, die Kieler Metal-Mannschaft live zu erleben.
12.10.2018 KICK ASS 4 Festival Kiel / Pumpe
13.10.2018 Astrastube Hamburg
27.10.2018 B58 Braunschweig
14.12.2018 Breite 63 Saarbrücken
Über weitere Aktivitäten der Band informiert Ihr Euch am besten direkt auf ihrer Seite IVORY TOWER FACEBOOK.
Bericht: Stefanie Preuß / Photo Credits: Stefanie Preuß (NordMensch in Concerts)
9. Bremer Metalfest
Am 09.11.2018 und 10.11.2018 öffnen sich nunmehr zum 9. Male die Türen des Bluesclub Meisenfrei zur großen Metal-Sause des Jahres. 13 Bands werden Euch an zwei Tagen zum Headbangen treiben, so dass Ihr am Sonntag dann endlich mal wieder Eure Nackenmuskulatur spürt.
Das Bremer Metalfest ist wieder einer dieser Lieblingsveranstaltungen, die wir vom Metal Impressions Magazine so lieben. Ein 2-Tages-Festival unter dem Motto „Support Your Local Bands“.
Es ist uns eine große Freude dieses Event mit zu unterstützen. Schon bei den Vorbereitungen zu diesem Bericht fielen uns einige echte Perlen bei der Bandauswahl auf. Da ist etwas für jeden von Euch dabei. Da sind wir uns sowas von sicher.
WERNER – Das Rennen 2018
An was denken wir, wenn wir Namen wie Andi, Brösel oder Holgi hören. An was denken wir, wenn wir die Band Torfrock mit ihrem Song `Beinhard´ hören. Klar, wir denken an Comics, Filme, ungewöhnliche Motorräder, an einen knallroten Porsche und legendäre Wettrennen.
Blicken wir zurück auf den 04. September 1988. In einer kleinen Gemeinde in Schleswig-Holstein, genauer gesagt in Hasenmoor auf dem Flugplatz Hartenholm, fand das große Werner-Rennen statt.
Seinerzeit traf Rötger „Brösel“ Feldmann mit seinem selbst gebauten Motorrad, dem „Red Porsche Killer“ auf den Kieler Gastwirt Holger „Holgi“ Henze mit seinem roten 1967er Porsche 911. Letzterer gewann das Rennen 1988. Eine Revanche musste her. Eine erste Auflage dieses einzigartigen Rennens fand dann im Jahre 2004 auf dem Lausitzring statt. 30.000 Besucher waren vor Ort. Musikalisch wurde das Event unterstützt von Bands, wie Motörhead , Tracy Chapmann, In Extremo und natürlich Torfrock. In diesem Jahr trat Brösels Bruder Andi auf der „Dolmette“ an und forderte Holgi erneut zum Battle. Aber auch dieses Rennen ging zu Holgi´s Gunsten aus.
Das konnten die Wernersens nicht auf sich sitzen lassen und somit wird es bei der 2. Auflage des Werner Rennens in der Zeit vom 30. August bis 02. September 2018 erneut richtig „kesseln“. Diesmal geht es zurück auf das Flughafengelände Hartenholm, wo einst alles begann. Eine Neuauflage nach 30 Jahren und somit für Brösel und Andi eine Chance zur Revanche. Das Areal, mit einer Größe von 46 Hektar ist ausgelegt für 70.000 Besucher. Gut 80 Acts untermalen auf drei Bühnen dieses Event. Wie schon in 1988 werden Niedeckens BAP, Torfrock, Otto und die Friesenjungs oder aber auch Doro mit am Start sein. Nennenswert auch musikalische Begleiter, wie z.B. Knorkator, Fury in the Slaughterhouse, Beyond the Black, Rose Tattoo, DAD, Uli Jon Roth, Skyline, Almanac, Hämatom, Betontod, Stahlzeit, Santiano, The New Roses, Roger Chapman, Russkaja, Tanzwut, Serum 114, Kneipenterroristen, Ohrenfeind uvm.
Sechs verschiedene Camps laden ein. Für jeden ist etwas dabei. Das Breite-Masse-Camp für die Musikliebhaber, Party-Begeisterte oder Comicfans, das Gas-Wasser-Scheisse-Camp für die Handwerkergemeinschaft, das Schüssel-Camp für Biker und Motorenbegeisterte, das Holgi-Fan-Camp, für Freunde von Sportwagen, Kunst und Kultur, das Biotop – die Feiermeile für die ganze Familie und „last but not least“ der Nobelacker, für all diejenigen, die es gerne etwas luxuriöser und chilliger mögen.
Schon seit Wochen kann man die Erdarbeiten auf dem Flughafengelände beobachten. Hier wird der Ground für die diversen Motosport-Acts angelegt. Auf diesem Nebenschauplatz erlebt ihr das Drag Race, Moto Cross, Farm-Pulling, das Unicycle Drag Race, Stockcar, Autocross und den Mofa-Cup.
Wir sagen Euch, das wird “Beinhard” und eine Riesen-Sause oder um es mit den Worten von Werner zu sagen „ne goile Paadie, Loide“. Wir sind uns sicher, dass das Glück in diesem Jahr auf Seiten der Wernersens liegt und man sich auf vier Tage Festival mit viel Spaß, heißen Öfen, ordentlicher Rockmukke, jeder Menge Bölkstoff und Futtereien freuen darf. Also, nicht lang schnacken, Kopf in Nacken und „hau wech die Scheisse - PLOPP“. Dieses Geräusch wird in gut einer Woche in Hasenmoor des Öfteren zu hören sein und vor allem wird der Duft von Sprit in der Luft liegen und der Abgasnebel die Besucher einhüllen. Für Freunde von Motoren, Comics und Musik ist WERNER – Das Rennen 2018 die Veranstaltung schlechthin.
Überlegt nicht lang, noch gibt es Kaaten und die bekommt ihr hier:
Telefon: 04827 – 99 96 66 66
oder aber online im TICKET-SHOP.
PARKWAY DRIVE CLUBSHOW
Das Lido in Berlin war das erste der drei sehr familiären Klubshowgigs von PARKWAY DRIVE. Am Dienstagmittag gab die Band via Facebook bekannt, sie spielen sehr streng limitierte Klubshows in Deutschland. Jeweils zwei Tage vorher gibt die Band bekannt, wo gespielt wird. Schon am Dienstag wurde dabei das Lido in Berlin bekanntgegeben. Gestern war es dann soweit. Metal-Impressions war für Euch live dabei.
Pünktlich um 12:00 Uhr am Dienstag gab die Band über die Sozialmedia Plattform Facebook bekannt, dass sie am Donnerstagabend ein exklusives Konzert vor 800 Fans in Berlin spielen werden. Mit dabei die englische Hardcore-Punk-Band POLAR. Schon um 16.00 Uhr standen die ersten Fans vor dem kleinen Klub in Berlin und warteten auf den Einlass, um ihre Lieblingsband wie auf der Veranstaltung beschrieben „close and personal; no barriers just pure mosh!“ von vorne zu sehen. Um kurz nach 19.00 Uhr hatte das Warten für die Fans dann endlich ein Ende.
Kurz nach dem Einlass begann pünktlich um 19.30 Uhr die Band POLAR ihr Set zu spielen und heizten den bis zum Rand gefüllten Klub ordentlich ein. Mit ihren energiegeladenen Texten und harten Riffs kamen auch nach kurzer Zeit schon die ersten Moshpits des Abends zustande. Auch der eine oder andere Crowdsurfer fand seinen Weg bis auf die Bühne.
Nach einem kurzen Umbau der Bühne war es dann soweit. Das Licht wurde verdunkelt, das Intro zum neuen Song ‘Wishing Wells’ wurde eingespielt. Die Fans begannen, den Text laut vorzusingen. Ein absoluter Gänsehautmoment für alle Fans und auch die Band. Gemeinsam setzte man das zum Refrain an und es wurde zusammen gesungen.
Mit dem Worten „You are unbeliveable crazy!“ sprach Frontmann Winston McCall zu den glücklichen Ticketbesitzern in Berlin. Durch den engen Kontakt ohne jegliche Schutzgitter vor der Bühne waren die Fans noch näher an ihren Stars dran, als sie es sich jemals erträumt hatten.
Fotos von Joel Villwock (metal-impressions)
BLIND GUARDIAN SPECIAL
30 Jahre BLIND GUARIDAN
Tolkien, Stephen King, Michael Moorcock. Dies sind thematisch die wohl größten Einflüsse, die eine junge Band aus Krefeld einst inspiriert haben zu den Instrumenten zu greifen. Mittlerweile sind 30 Jahre vergangen; Grund genug einmal die Geschichte der blinden Wächter Revue passieren zu lassen. Dabei ist uns Marcus Siepen in einem entspannten Telefonat behilflich. Vorhang auf für BLIND GUARDIAN im Spiegel der Zeit.
Gleich zu Beginn ist ein Glückwunsch zur langjährigen Bandgeschichte angebracht.
„Ich muss sagen, wir denken nicht wirklich in diesen Kategorien. Es kommt vor, daß Leute uns darauf ansprechen wie „30 Jahre BG“ oder „20 Jahre Nightfall“. Dad enkt man aber gar irgendwie gar nicht darüber nach, wir sind mehr nach vorne orientiert. Blick nach hinten kann sehr schön sein , aber wir sind mehr nach vorne fokussiert. Es ist ein sehr schönes Gefühl, auf so eine lange Karriere zurückblicken zu können. Heutzutage bist du ja schon eine alte Band, wenn du fünf Jahre auf den Buckel hast. Da sind wir ja schon Dinosaurier. Es ist ein schönes Gefühl nach 30 Jahren noch am Start zu sein und relevant zu sein.“
Wir schreiben das Jahr 1983, in der Heavy Metal als Randerscheinung sein Dasein fristet. Die große Bandbreite der Gesellschaft zelebriert Popmusik und Anhänger des Metals werden von der großen Masse als asoziale Typen mit krankem Geschmack abgestempelt. Innerhalb der Metalszene frönt man jenen Bands, die heute Legendenstatus haben; kaum ein Jugendzimmer, das nicht mit Bruce Dickinsons Stimme beschallt wird, ohne ACDC Poster an der Wand auskommen und Black Sabbath haben gerade mal ein Viertel ihrer Besetzungswechsel am Mikro hinter sich. Langsam entstehen die ersten unterschiedlichen Stile, die man sowohl vom musikalischen, als auch von den Covern her erkennen kann. Kreator und Testament beispielsweise zelebrieren Thrash, während Running Wild und Helloween ihre Geschwindigkeitsgrenzen ausloten. Cannibal Corpse schockieren mit fiesen Covern und extremen Texten, während Metallica nicht nur durch ihren Namen, sondern aufgrund einer perfekten Setlist die Hallen füllen.
In diese Welt wird eine junge Band aus Krefeld hineingeboren, die auf den Namen Lucifer´s Heritage hört. Auch anno 2017 hat der Name nichts von seinem Charme verloren. „Angestaubt ist der Name nicht, ich mag ihn genauso wie damals“ erinnert sich Marcus Siepen „Mit unserem damaligen Namen sind wir in die falsche Schublade gesteckt worden. Viele Leute, die unsere Musik nicht kannten und nur unseren Namen hörten, haben uns in die Black Metal Schublade gesteckt, in der wir nicht reingehören. Uns ist schnell klar geworden, daß wir schnell einen anderen Namen brauchen. Wir mögen Schubladendenken generell nicht, aber dann in eine Schublade gesteckt zu werden, in die man gar nicht rein gehört, ist nicht schön.“
Man probt zusammen und wohnt teilweise in einem alten Kellerraum, den man sich mit einem fiesen Gummiteppich und Kellerasseln teilt. Hier entsteht die erste Demo und man will das erste Album aufnehmen. So betritt Lucifer´s Heritage das Aufnahmestudio, den es nie mehr verlassen soll. Drei Wochen Zeitfenster, um die Songs einzuspielen, können eine sehr lange Zeit ist sein. Man spielt also einfach drauf los und hofft, daß es besser klingt, als im Proberaum. „Wir sind noch als Lucifer´s Hertitage ins Studio gegangen, um die „Batallions“ aufzunehmen und saßen abends noch in der Studioküche. Jeder hatte einen großen Zettel vor sich, mit tausenden von Namensvorschlägen von möglichen und unmöglichen Namen. Der Bandname kommt von dem Song `Guardian Of The Blind`, den wir bereits hatten. Ich glaube Hansi hatte damals die Idee dazu und der Name gefiel uns am besten. Es klang gut und hatte etwas von Fantasy, was sich auch in unseren Texten wiederspiegelt.“ Das ist das Ende von Lucifer´s Heritage und der Beginn einer langen Reise für die blinden Wächter. Der erste Schritt ist der Erstling „Battallions Of Fear“, der musiktechnisch eine Hommage an Iron Maiden und alte Helloween auf Speed ist.
Battallions Of Fear
Die Drehorgel zu Beginn von `Majesty`wiegt mit einem Walzer in Sicherheit, ehe es lauthals aus den Boxen hervorprescht. Geschwindigkeit, Härte und straight in die Fresse sind dabei die Hauptzutaten, die lediglich von Gesangslinien umgarnt werden, die sich bereits nach dem ersten Durchlauf langfristig in die Hirnrinde fräsen. Herrlich, wie sich die Jungspunde hemmungslos austoben und dabei auch noch interessante Texte verarbeiten. `Guardian Of The Blind` beackert die Geschichte von Stephen Kings „Es“ (deren Remake dieses Jahr die Kinos befallen hat) und ist gleichzeitig Schuld an dem Tod von Lucifer´s Heritage und die Geburt von BLIND GUARDIAN. Sägende Riffs und frickelige Solis lassen in den ersten beiden Minuten die Mähne kreisen, ehe man sich zum Refrain vorarbeitet, den man einfach nur noch lauthals mitschreien will. Die Solis verursachen Gänsehaut und auch wenn Hansis Stimme fernab von seinem eigentlichen Potential ist, so gibt es keine bessere Stimme, die zu dem Sound passen würde. `Wizard’s Crown`ist ein räudiger Bastard aus Thrash und Speedelementen, der lediglich für seinen Chorus die Geschwindigkeit drosselt. Das hymnenhafte `Run For The Night` poltert sich auch Jahre später als Live Bonustrack beim „Tales From The Twilight World“ Album durch die Gehörgänge. Hier prasseln Hansis Worte in Dauerfeuer auf die Lauscher ein, ehe der Chorus alles beflügelt. Mit `The Martyr` begleiten wir die Leidensgeschichte von Jesus, bei denen die Wächter sehr vielschichtig zu Werke gehen. Midtempo hier, Geschwindigkeitsrausch da und eine Herausforderung für Hansis Stimme, die mal bellend, mal klagend und auch fordernd aus den Boxen schallt. Der Titeltrack prescht aggressiv aus den Boxen und bietet das volle Moshprogramm, verteilt auf über sechs Minuten. Das Schlagzeug kommt hier besonders gut zur Geltung, denn neben stumpf auf die Zwölf wird hier fleißig variiert, so daß spätestens an dieser Stelle des Albums keine Zweifel mehr an den Ideenreichtum der noch jungen Band bleiben. `Trial by the Archon`, `By the Gates of Moria` und `Gandalf’s Rebirth`sind drei Instrumentalstücke, die geschickt zwischen den Hochgeschwindigkeitsattacken eingestreut werden. Textlich setzt man hier den Grundstein für die Herr der Ringe Thematik, ohne jedoch den Weitblick für andere Themen außen vor zu lassen. Das Cover ziert zwei verhüllte Kapuzengestalten beim Schachspiel; die Metaphorik des verhüllten Kapuzenmannes als BLIND GUARDIAN findet hier seinen Ursprung und begleitet die Band bis heute auf diversen Merchandise Logos.
Das zweite Album
Mit dem ersten Album verbucht man bereits einen amtlichen Erfolg; die Mischung aus Speed und Thrash geht auf und beschert den Wächtern ein gutes Selbstwertgefühl. Wie alles im Leben, hat zu viel davon auch seine Kehrseite. So erklärt Hansi in einem Interview zur Jubiläumsbox, daß man zu der Zeit doch extrem undiszipliniert ist. Man trifft sich zwar täglich, zockt jedoch meistens Karten und frönt dem Alkohol. Man ist von seinen Songwritingqualitäten zu sehr überzeugt und lässt die Zügel schleifen. Das führt dazu, daß man die Songs fürs Folgealbum hastig zusammenschustern muss und der rote Faden teilweise auf der Strecke bleibt. Die Einflüsse unterschiedlicher Kapellen werden erneut zu einer Symbiose zusammengeschmiedet, ergeben jedoch laut Hansis Meinung teilweise keinen Sinn. Neben dem gesteigerten Selbstwertgefühl kommen noch die Lebensumstände dazu, die den Barden in die Parade fahren; Hansi hat einen Job, Marcus und André leisten den Zivildienst ab und somit gleitet die Band in die Hände von Hobbymusikern, die sich lediglich nach Feierabend treffen können. „Follow The Blind“ ist somit das einzige Album in der Bandgeschichte, bei denen man nicht 100% geben kann.
Follow The Blind
Man verpflichtet Kalle Trapp in den Hamburger Karo-Studios für die Aufnahmen. Das Cover wird, wie beim Vorgänger, von Van Waay Design erstellt. Das Intro `Inquisition` soll später auch als Konzertintro herhalten, ehe `Banish from Sanctuary `aus den Boxen kracht. Man legt sofort die Karten auf den Tisch und hämmert alle Vorzüge der Band ins Langzeitgedächtnis: schnelles Riffing, galoppierende Vocals, die in einem Ohrwurmrefrain enden, variables Schlagzeugspiel und knackige Gitarrenduelle wetteifern um die Gunst des Hörers. `Damned for all Time`ist ein aggressiver Speedbastard, der durch einige Thrashanleihen durchgeboxt wird. Schnell, aggressiv, allerdings im Langzeitgedächtnis eher im Hintergrund existent. Der Titeltrack ist wahrscheinlich der am meisten unterbewertete Song dieser Band, obwohl er durch seine Vielseitigkeit das Potential auslotet, mit dem man später die Länder dieser Erde bereisen soll. Ungewöhnlich bereits durch sein langsames und erhabenes Tempo, schimmern Akustikgitarren durch die Soundwand, ehe Hanis rauhe Stimme „Follow The Blind“ in die Welt hinausschreit. Im Verlauf des Songs passiert so einiges: Tempowechsel, beschwörende Soli, Doublebassgewitter und sogar Keyboards legen den Grundstein für die Beschreibung „episch“, die BLIND GUARDIAN weiter verfolgen soll. Thematisch hat man sich über Stephen Kings „Der Talisman“ ausgelassen. Auch die Mitgröl Fraktion wird im Refrain von `Hall of The King` bedacht, der ansonsten die Geschwindigkeitsfreunde auf eine atemberaubende Reise mitnimmt. Der ursprünglich als Lückenfüller gedachte Song `Valhalla` entwickelt später im Live Set rasch ein Eigenleben und ist mittlerweile fester Bestandteil jeder Live Show (einige Granaten zünden einfach immer). Kai Hansen hat dafür ebenfalls die Gitarre in die Hand genommen und einige Vocals beigesteuert. Die Coverversionen von `Don’t Break the Circle` (Demon) und `Barbara Ann` (Beach Boys) zeigt ein gutes Händchen für Coverversionen, das später noch um einiges an Repertoire erweitert werden soll. Die Instrumentalstücke halten sich in Grenzen und so gibt es hier lediglich einen Vertreter in Form von ` Beyond the Ice` zu hören, der das auditive Muskelspiel der Truppe gut abfeiert. Auch bei der Produktion wurde eine Schippe draufgelegt und auch wenn die Hitdichte etwas geringer ist als beim Vorgänger, so glänzen die Höhepunkte unverstaubt auch heute noch in den heimischen Lautsprechern..
Alles auf eine Karte
Jede Band ist einmal an einem Punkt, an dem über Sieg oder Niederlage entschieden wird. Hatte man sich mit jugendlichem Leichtsinn noch unverblümt durch die „Battallions“ Scheibe gepflügt, musste man für die „Follow The Blind“ andere Lebensumstände in Kauf nehmen und sich seinem inneren Schweinehund in Form von Disziplin stellen.
Tales From The Twilight World
Mit „Tales From The Twilight World“ treten BLIND GUARDIAN endgültig aus dem Schatten anderer Bands und erspielen sich eine musikalische Identität, die bis heute einzigartig und unverkennbar ist. Auch wenn sich noch die Hochgeschwindigkeitsrausche und das Aggressionspotential auf der Scheibe befinden, liegt hier der Schwerpunkt auf Melodik, Abwechslung und Ohrwurmqualitäten. Der Chorgesang leitet `Traveller In Time` ein, der uns thematisch auf den Planeten Dune verbannt. Hansis Gesang hat mittlerweile einiges an Erfahrungspunkte auf dem Charismapunktekonto zu verbuchen, so daß die Hörer der Truppe schnell aus der Hand fressen. Das trotz der aggressiven Momente zu jeder Zeit die Spielfreude exzessiv ausgelebt wird, spielt den Wächtern nur noch intensiver in die Karten, was bis heute gerade bei Live Auftritten für Alarm in der Moshpit sorgt. Wer den Song kennt, wird alleine schon bei der Erwähnung von `Welcome to Dying` eine Gänsehaut bekommen, weil der Refrain sofort aus dem Langzeitgedächtnis in die Adrenalinkanäle gedrückt wird. Bereits nach weniger als einer Minute schraubt man sich auf Höchstleistungsnivau und prügelt komprimiert alles auf den Hörer ein, wofür man auf den Vorgängeralben vielleicht noch zwei Songs benötigte.
Mit `Lord of the Rings` legt man auch seine erste Ballade auf den Tisch, die von der Tolkien Thematik her später noch ganz große Wellen schlagen soll. `Good bye My Friend ` feuert zwar ebenfalls aus allen Rohren, sprintet jedoch in erster Linie aufgrund seiner packenden Gesangslinien durch die Ziellinie und hinterlässt den Wunsch, „nur noch einmal“ die Repeat Taste zu drücken.
Auch die Instrumentalfraktion wird mit `Weird Dreams ` bedacht, während man einen Mix aus Instrumental und Mini Song auf `Altair 4 ` abliefert; eigentlich „nur“ ein Lückenfüller, der aber atmosphärisch derart auffährt, daß schnell ein ganz großes Kopfkino entsteht. Die Stephen King Verbeugung `Tommyknockers ` fischt eher in alten Gefilden und man spürt, daß die Wächter dieses Gewand langsam ablegen wollen und schließen das Kapitel damit ab. Bei `The Last Candle` kann ich keine Objektivität wahren, da ich diesen Song gefühlsmäßig ausschließlich mit Knieschonern hören kann; was soll ich über die Gänsehaut schreiben, die mich bei den ersten Chören von „Guardian, Guardian, Guardian of the Blind“ heimsuchen? Ich könnte den emotionalen Ausbruch in meinem Kopf beschreiben, wenn Hansi laut aufschreit und „Have You Forgotten Him?“ in die Runde fragt. Ich könnte auch die göttlichen Gitarrenlinien anpreisen, die mich sofort in meine Jugend katapultieren und mich wieder 15 sein lassen. Auch das Aufbegehren des Song und die stetige Steigerung der Dynamik könnte ich beschreiben, aber stattdessen lehne ich mich lieber kurz zurück und denke an den Moment, an dem ich das Glück gehabt habe, diesen Song einmal live zu hören. OK, Anbetungsmodus aus und weiter. Das Cover wurde dieses Mal von Andreas Marschall gezeichnet, der die Band auch weiterhin begleiten soll. Auch die Produktion konnte nochmal gesteigert werden und so markiert die „Tales…“ Scheibe nicht nur den Wendepunkt, sondern den Aufstieg einer Band, die neben dem inneren Hunger auch zusätzlich mit einem Plan an den Start geht, der stets nach Perfektion schreit.
Irgendwo weit weg
Die Promotion der Scheibe wird in der Jubiläumsbox als sehr abenteuerlich beschrieben; eine Promo-Straßenbahnfahrt mit Wurstbrötchen und Bier durch Gelsenkirchen (2 Journalisten, der Rest Kumpels der Band) und eine Release Party mit ca. drei Journalisten und einem Mob, der das neue Studio in Grund und Boden feiert. Es folgt eine Tour mit Iced Earth, bei der Party und Männerfreundschaften ausgiebig zelebriert werden. Wie soll man eine Platte wie die „Tales…“ noch steigern? André erinnert sich in der Jubiläumsbox daran, daß die Songwriting Phase bis dato die härteste ist. Kreativ surft man bereits am Limit, schmeißt jedoch weiterhin alles in die Waagschale, um ein rundes Ergebnis raus zu bekommen. Eines Tages kommt Hansi mit irischen Folk-Einflüssen um die Ecke, was den entscheidenden Wendepunkt im Songwriting Prozess markiert. So integriert man beispielsweise Dudelsäcke in das Songwriting oder beißt sich teilweise die Zähne an `Theatre Of Pain` aus. Was ist aber unter dem Strich dabei raus gekommen?
Somewhere Far Beyond
„Die beste BLIND GUARDIAN Scheibe aller Zeiten“, werden viele Fans sofort unterschreiben, Ein Meilenstein werden ebenfalls alle abnicken. Fakt ist, daß spätestens hier die Bandidentität gesichert ist. Die Wächter entpuppen sich als wahre Paradiesvögel des Metalsektors, die nichts nach Schema F machen, sondern eigene Ideen haben und diese konsequent in ein eigenes Soundgewand einschmieden. Das Cover wurde erneut von Andreas Marschall beigesteuert und bereits der Opener `Time What Is Time `lotet die Qualitäten aus, die auf der „Tales…“ Scheibe ausgiebig zelebriert wurden. Akustikgitarren ebnen den Weg zum schnellen Galopp, der aber rechtzeitig in packende Gitarrenlinien abbiegt, ohne in Raserei zu verfallen. Auch wenn im direkt im Anschluss das Gaspedal wieder durchgetreten wird, hat man mit jeder Sekunde das Gefühl, daß diese Truppe genau weiß, was sie wie zu tun hat. Nichts wirkt aufgesetzt, alles durchdacht und das Album insgesamt atmet Spielfreude aus jeder Pore. `Journey Through the Dark `ist ein sehr schönes Beispiel zwischen Härte und Melodik; Stakkato Doublebass, griffige Gitarrenlinien, herrliche Moshparts und stets nachvollziehbare Vocals, die danach schreien, mitgesungen zu werden.
`Black Chamber `wird ausschließlich durch Hansis (mittlerweile sehr gut weiterentwickelten) Stimme und einem Klavier getragen, ehe sich das bombastische `Theate Of Pain` aus den Boxen schlängelt. Hier wird bereits der Grundstein für späteren Bombast und epischere Stücke gesetzt, der andeutet, was noch kommen soll. `The Quest for Tanelorn` wird in erster Linie vom bombastischen Gesang getragen, ehe `Ashes to Ashes` den ursprünglichen Thrash Vorbildern einen finsteren Gruß sendet, ohne dabei auch nur eine Sekunde von charismatischem Gesang oder Ohrwurmqualitäten abzuweichen.`The Bard’s Song (In the Forest) `dürfte jedem ein Begriff sein; dieser Gassenhauer ist Höhepunkt eines jeden Konzertes, weil das Publikum hier (zumeist im Alleingang) jede Textzeile mitschmettert. Eigentlich“nur“eine Ballade, die jedoch ein derartiges Eigenleben entwickelt hat, daß sie den Fans schon manche Sternstunde beschert hat. `The Bard’s Song (The Hobbit) `kommt eher etwas sperriger um die Ecke, allerdings münden die Gesangslinien derart genial in den Midtempo Part ein, daß ich mir diesen Song einmal live wünsche. Besagte Dudelsäcke erledigen bei `The Piper’s Calling` den Instrumentaljob der Scheibe, eher der Titeltrack auf siebeneinhalb Minuten verteilt sämtliche Register der Bandgeschichte zieht. Schnelle Passagen, erhabene Gitarrenlinien, Mitschreitexte? Alles an Bord und garniert durch irische Folkeinflüsse. Spätestens hier ist man Fan dieser Band geworden, die ihren Siegeszug weiter ausbaut. Über die Bonussongs `Spread Your Wings `(Queen), `Trial by Fire`(Satan) und die Orchester Version von `Theatre of Pain kann man streiten, muss man aber nicht. Sie runden lediglich das ab, was dieses Album ausmacht. Ein Meilenstein in der Bandgeschichte.
Toky Tales
Im Lager der Barden herrscht Euphoriealarm; denn es geht nach Tokyo. Während des Trips herrscht ausgelassene Stimmung, sowohl , als auch auf der Bühne. Das hört man der Tokyo Tales auch an, denn die Meute rastet gepflegt aus und gibt sich extrem textsicher. Nach dem “Inquisition” Intro feuert man auch eine gutgelaunte Version von `Banished From Sanctuary` in die feierwütige Menge. Hansis Vocals hämmern sich schnell durch die ersten Reihen und zusammen mit der Spielfreude und den Soundwand beschwört er rasch die Euphorie der Meute hinauf. Auch seine Ansagen sitzen und so hat man während des gesamten Konzerts das Gefühl, daß die Stimmung zwischen Band und Publikum perfekt harmoniert. Songtechnisch hat es neben den beiden voran genannten Nummern noch lediglich `Barbara Ann`und `Valhalla`(das eine konstante Live Granate bleiben wird) von den ersten beiden Alben auf die Setlist geschafft. Ansonsten konzentriert man sich ausschließlich auf die “Tales…” und “Somewhere…” Ära, was dankbar angenommen wird.
Gerade die auf den Alben vorhandenen Chöre werden vom Publikum begeistert mitgeschmettert und so entwickelt sich beispielsweise `Traveller In Time` rasch zum Selbstläufer, `Quest For Tanelorn` zum erhabenen Moment und `Journey Through The Dark` erhält seine Live Taufe. Balladen wie `Lord Of The Rings` und `Bard´s Song` fehlen bei der Veröffentlichung völlig, man konzentriert sich hier auf die volle Durchschlagskraft und vertraut auf die Melodien, die das Live Album zusammen mit der Live Stimmung tragen, was auch sehr gut funktioniert. Erst in der remasterten Version wird `Lord Of The Rings nochmal nachgereicht. So herrlich der Live Mitschnitt ist, um so unerfreulicher ist die Tour, die teilweise von schweren Differenzen zwischen der Band und Kalle Trapp geprägt ist. Als Livemischer beklagt die Band einen zu leisen Sound, was später zu einem Zerwürfnis führen soll.
Der Tod der Kindheit
Wir schreiben das Jahr 1995 und mittlerweile hat sich einiges in der Band getan; man blickt auf eine amtliche Live Erfahrung zurück, weiß genau was man will und hat einen amtlichen Songkatalog am Start. Das führt dazu, daß man sich intensiv nach einem Studio umschaut und letzten Endes bei Flemming Rasmussen als Produzenten landet, der bereits für Metallica (`Ride The Lightning`, `Master Of Puppets`, `…And Justice For All`) die Regler bedient hatte. Mit dieser Rückendeckung an Erfahrung wird der Wendepunkt der Band eingeläutet, die das Songwriting von schnell und melodisch in die opulente und progressive Schiene anheben. Wenn man sich die vorangegangenen Scheiben, die bereits Meisterwerke waren, nochmal anhört muss man sich ernsthaft fragen, was bei der Produktion zu dieser Scheibe alles im Spiel war. Hektoliterweise Kaffee, tagelange Abstinenz von jeglichem menschlichen Kontakt oder einfach hemmungslose Arschtritte untereinander, bis man das Maximum aus jedem Detail rausgeholt hat.
Imaginations From The Other Side
Das Album ist bis dato das perfektionistischste Werk der Barden, denn es strotzt an allen Ecken und Kanten voller Ambitionen. Man gibt sich mit nichts außer dem Besten zufrieden und klatscht gleich zu Beginn den Titeltrack auf den Tisch, der sich langsam aufbaut, um sich episch zu entfalten. Grund zur Ruhe hat man jedoch nicht, denn er galoppiert dann vorwärts, um seine Atmosphäre in jeden Zentimeter der Hirnrinde einzubrennen, ohne auch nur einen Hauch seiner Epik einzubüßen. Das ganze mündet in einem Refrain, den man mental heute genauso laut mit schreit, wie bei der Veröffentlichung; noch nie gingen 7 Minuten so schnell vorbei, wobei man sich unter anderem an Hansis ausgeprägtem Organ ergötzen kann, das eine erstaunliche Entwicklung durchgemacht hat. `I´m Alive` prügelt noch einmal in Richtung Anfangstage, nur mit knackigerem Riffing und einprägsamerem Refrain. Mit `A Past and Future Secret` wird Hansis beste Gesangsleistung hingelegt, eingebettet in einer geheimnisvollen Ballade, die das Gefühl des `Bard´s Song` in ein neues Zeitalter transportiert. Wer das Lied in Dauerschleife gehört hat und dabei auf das Cover der Maxi CD gestarrt hat, weiß wovon ich spreche. `The Script For My Requiem `ist quasi der heilige Gral in Sachen Geballer, epischem Refrain und Abwechslung. `Mordred’s Song `erzählt die Geschichte einer Figur, um die sich viele (unterschiedliche) Sagen und Legenden ranken. Neid, Ungerechtigkeit und Verrat wurden hier gekonnt vertont und eine Halbballade eingestampft, die sowohl introvertiert, als auch aufbegehrend fesselt.
`Born in a Mourning Hall `tritt das Gaspedal durch und schreit besonders live nach Reaktionen des Hörers im Refrain. Egal wie oft man es versucht, man kann es nicht ruhig hören, dafür drehen die Wächter zu sehr an der Adrenalinschraube. Schluss mit Epik und Geballer, ich will einen Song, den ich von Anfang bis Ende durch singen kann, auch wenn ich mal 80 Jahre alt werde! Meine Gebete werden erhört und `Bright Eyes` ist das perfekte Beispiel, wie sich ein Song um eine Gesangslinie herumbauen lässt und wie geschickt die Instrumente sämtliche Facetten ausloten, die man dabei fühlen möchte. Einmal ins geile Riffing gerutscht, Tapping durchgezogen und auf geht’s bei `Another Holy War` auf die Überholspur. Gradlinig und mit geilen Solis versehen fährt man auf Hochbetrieb, der lediglich vom vielstimmigen Refrain kurz gebremst wird. Kann man ein Album besser beenden, als mit `And the Story Ends`? Nicht wirklich, denn hier wird alles auf Abwechslung geschaltet; Geschwindigkeit, Gesangsdarbietung und Songwriting. Mal etwas schneller und rauher, dann wieder langsam und feinfühlig. Der perfekte Abschluss eines perfekten Albums. Obwohl, was ist mit der Produktion und den Rahmenbedingungen? Die Produktion ist wuchtig und erhaben, als würde man vor einem riesigen Berg stehen, der in Dauerfeuer herrlichen Sound ausspuckt. Das Cover von Andreas Marschall ist meiner Meinung nach das beste in der Diskographie der Barden und die Themen beackern Fantasy, die Artus Saga und erzählen eine Geschichte im Tiefflug, die noch viele weitere Figuren beinhalten. Die Hitdichte ist bis zum Anschlag gefüllt und man könnte beim Vergleich meinen, daß es wie Metallicas schwarzes Album sein würde; ungewöhnlich, kommerziell erfolgreich und an allen Ecken perfektioniert.
Forgotten Tales
Ähm, nun ja, wie soll man dieses Kapitel der Barden am besten beschreiben? Angefangen hat das Projekt mit der Coverversion von `Mr Sandman`zu der auch ein Video gedreht wurde. Ursprünglich war geplant, es auf dem Fernsehsender Viva laufen zu lassen (ja, damals gab es noch kein Youtube, weil das Internet noch in den Kinderschuhen steckte. Wir hatten tatsächlich noch Röhrenfernseher und waren auf die Uhrzeiten des Senders angewiesen). Das Video wird allerdings nicht für Kinder geeignet empfunden und somit wird es aus dem Nachmittagsprogramm verbannt und landet im Nachtprogramm, wo die Sendung Metalla mit Markus Kavka ausgestrahlt wird. Dort warten bereits Bands wie Sepultura, Pantera und Carcass darauf, diesen Clip zum Frühstück zu verspeisen. Anno 1998 wird außerdem noch eine Abschiedssendung mit Kavka und Blind Guardian gedreht (Blind Guardian vs. Markus Kavka) , die ich den Lesern und den Barden gleichermaßen heute ersparen möchte. Jedenfalls erblickt „Forgotten Tales“ 1996 das Licht der Welt und besteht aus Coverversionen und neu aufgemachten Gassenhauern der Truppe. Das Cover sieht chic aus, die Produktion ist natürlich im grünen Bereich und die Songs sind natürlich auch gut. Als Album kann man es aber nicht wirklich bezeichnen, denn es ist eher ein Lückenfüller, um die Wartezeit auf den nächsten großen Wurf zu verkürzen. B-Seiten von dem Maxis und `Surfin USA`, sowie `To France` vervollständigen die Sammlung der Fans, ist aber nicht gerade zwingend ein Pflichtkauf. Weiter im Text.
Mittelerde in XXL
„Einmal Vollkatastrophe zum Mitnehmen bitte. Wenn es geht noch mit Pannen, eiserner Deadline und gefühlten 20 Herzklappenabrissen.“ So ungefähr muss es sich rückblickend angefühlt haben, als das Album endgültig im Kasten ist. In der Jubiläumsbox beschreiben die Barden einen Wasserschaden, der das Studio flutet und mal eben zwei Monate an Zeit kosten. Hinzukommt der zweimalige Riss des Bandes einer 24 Spur Analogmaschine und immenser Zeitdruck; quasi zwischen Tür und Angel werden am letzten Tag mal eben Gesangsparts eingesungen, Sprechparts fertiggestellt und Akustiksequenzen abgemischt, ehe es direkt zur Promo Tour geht. War der Drang nach Perfektion bei der „Imaginations…“ schon sehr stark ausgeprägt, nimmt es bereits bei der Diskussion um Kleinigkeiten extreme Formen an. „Bei den Aufnahmen zu „Nightfall..:“ war Charlie der einzige mit uns arbeitende Engineer, der nicht den Überblick und die Nerven verloren hat. Das hat uns mehr als einmal das Leben gerettet“ erinnert sich Hansi in der Jubiläumsbox. Textlich geht es um das „Quenta Silmarillion“, den Mittelteil des „Silmarillions“ von J.R.R. Tolkien. Die Geschichte wird jedoch nicht zuende erzählt; es existieren immer noch Aufnahmen, die den damaligen Ansprüchen nicht gerecht werden und in der Schublade gelandet sind. Unterm Strich ist das Album ein Meilenstein geworden, mit dem sich BLIND GUARDIAN das Ticket für ihre erste Mammut Tour abknipsen. Hansi gibt den Bass an Oliver ab, der als Gasbassist fungiert, damit er sich mehr auf den Gesang konzentrieren kann. Eine weise Entscheidung, wie sich herausstellt, denn die ersten Shows in Russland und Südamerika lassen eine ähnliche Euphorie aufkommen, wie zur „Tokyo Tales“ Zeiten. Thomen fällt kurzfristig und vollkommen unerwartet für unbestimmte Zeit am Schlagzeug aus. Innerhalb von drei Tagen verbringt Alex Holzwarth das Wunder, sich für die zweite Südamerika Tour ein nicht unkompliziertes Live Set anzueignen.
Nightfall In Middle Earth
Auch wenn die Wächter sich in ihren Alben mit mehren Themen und Büchern diverser Autoren (Stephen King, Michael Moorcock,etc.) beschäftigt haben, bleibt die Liebe zu Tolkiens „Herr der Ringe“ untrennbar mit BLIND GUARDIAN verbunden. In den Vorgängeralben wird viel angedeutet, was anno 1998 als auditiver Kniefall exzessiv zelebriert wird. Hier werden sämtliche Regler auf Perfektion aufgerissen, was beim atemberaubenden Cover von Andreas Marschall beginnt, über die bombastische Produktion weitergeht und in zeitlosen Klassikern verteilt auf knapp 66 Minuten und 23 (!)Songs endet. „Nur“ ein Album aufzunehmen ist zu wenig, deshalb werden kurze Erzählpassagen in Form von `War of Wrath`, `The Minstrel` oder `Face the Truth` eingestreut, womit eine Symbiose aus Album und Hörspiel erschaffen wird. `Into The Storm` soll lange Zeit als Opener auf jedem Konzert der Barden dienen, denn warum langsam anfangen, wenn man auch direkt auf Hochgeschwindigkeit machen kann? `Nightfall` beginnt elegisch, steigert sich jedoch rasch zu einer aufbegehrenden (Halb-) Ballade, die gerade live ihre volle Wirkung entfaltet und aus allen Kehlen leidenschaftlich mitgetragen wird.
`The Curse of Feanor `prescht schnell vorwärts und ist eine perfekte Symbiose alter Tage mit dem „Imaginations…“ Flair. `Blood Tears `unterstreicht die überwiegend finstere und nachdenkliche Stimmung des Albums; unverzerrte Gitarren stimmen sehr ein und auch wenn sich der Song später in Geschwindigkeit und Intensität steigert, wird die Stimmung des Verlustes in keiner Sekunde geschmälert. Lange habe ich überlegt, etwas über `Mirror Mirror` zu schreiben, aber ich würde nur ins Schwelgen geraten, wie bei `Last Candle`. Packendes Einstiegsriff, nach vorne prügelnder Hochgeschwindigkeitszug, griffige Melodien und ein Refrain, den man nicht nur stumm mithören kann. Ich schenk´s mir und füge dafür lieber ein Video ein.
`Noldor (Dead Winter Reigns)` beginnt ähnlich elegisch wie `Blood Tears `, mündet jedoch in progressivere Passagen, ehe es in den Ohrwurmrefrain abbiegt. Komplex, sperrig und irgendwie seltsam eigenbrödlerisch. Kritisch kann man nichts halbes und nichts Ganzes hinterfragen, aber unterm Strich will man ihn immer wieder hören. Bereits beim ersten Durchlauf von `Time Stands Still (at the Iron Hill)`marschieren vor dem inneren Augen Orkhorden durch Mordor und man wird tief in die Welt Tolkiens katapultiert. Lediglich beim Gesangspart wird man kurz rausgerissen, ehe es wieder zurück nach Mittelerde geht. Genau dieser Gesangspart ist es, das bei jedem Konzert für Gänsehaut und Partytimmung in der Moshpit sorgt. `Thorn ` besticht besonders durch seinen mehrstimmigen Gesang, während `The Eldar` lediglich von Klavier und Hansis Stimme getragen wird. Das Kochrezept hat bei `Black Chamber` auf der „Somewhere…“ bereits funktioniert und verfehlt auch hier seine Wirkung nicht. `When Sorrow Sang` ist eine ähnliche Granate wie `Mirror, Mirror`; fix auf dem Griffbrett hantiert, herrlich nach vorne in die Fresse und mit Götterrefrain ausgestattet bietet er alles, was live alles abreißen dürfte. `A Dark Passage ` hat sich bei mir bis heute nicht vollends erschlossen und ich staune immer wieder, wie gut der Song eigentlich ist, obwohl er in meinem Kopf total unterbewertet ist. Es unterstreicht allerdings auch die Tatsache, daß das gesamte Album nicht leicht zugänglich ist. Mit diesem Album in die BLIND GUARDIAN Diskographie einzusteigen wäre nicht gerade ratsam, denn es ist komplex, opulent und voller Überraschungen, die einen noch Jahre später verfolgen. Textlich gesehen gibt es viel zu entdecken; Autor Christian Krumm ( den einige von seinen Büchern „Kumpels in Kutten“, „At Dawn They Sleep“ und „Traumschrott“ bereits kennen dürften. Wenn nicht: antesten!) hat sich in seinem Artikel (ab Seite 97) explizit damit und mit der Geschichte der Band generell beschäftigt.
Der „Herr der Ringe“ Hype
Zur Jahrtausendwende erblickt Peter Jacksons Verfilmung von „Herr der Ringe“ die Welt. Im Fansektor bricht stellenweise die Diskussion aus, warum BLIND GUARDIAN keinen Soundtrack dazu beisteuern. In derselben Diskussion kommt auch die Antwort auf, daß es sinnlos wäre, weil die Krefelder das Thema spätestens mit „Nightfall in Middle Earth“ ausgiebig zelebriert haben. Marcus bricht dabei in schallendes Gelächter aus. „Gar nicht mal so falsch. Über diese Diskussion habe ich ehrlich gesagt noch nie nachgedacht. Das witzige ist ja, daß wir zig „Herr der Ringe“ Sachen hatten: das fing bei `Majesty`an, ging über `Lord Of The Rings` bis hin zum ganzen „Nightfall“ Album. Das war alles vor den Filmen. Wir haben, seitdem dieser Megahype um die Filme herauskam, glaube ich auch keine Tolkien Texte mehr gehabt. Das war damals eine bewusste Entscheidung die nicht kam, weil wir Tolkien nicht mehr mögen. Wir hatten aber auch keinen Bock darauf, Teil eines Tolkien Hypes mit den Filmen zu sein; wir sind auch nicht die Tolkien Band. Ja, wir hatten Stücke darüber, aber es war auch nie Hauptbestandteil von BLIND GUARDIAN. Wir haben uns nie vor Tolkien definiert, sondern das war halt ein Thema von vielen, das wir mochten. Da war Michael Moorcock, Stephen King und König Artus beispielsweise auch dabei. Als im Internet der ganze Hype losging, gab es auch Kontakt mit Jacksons Team. Wir haben allerdings noch nicht einmal Demos losgeschickt, weil wir mitten in den Arbeiten zum „Opera“ Album steckten. Ein kompletter Soundtrack hätte das reguläre Album mal eben einige Jahre nach hinten geschoben, weil wir nicht die typische Band sind, die mal eben einen Soundtrack komponiert. Deshalb haben wir uns auch nie ernsthaft darum bemüht, diesen Job zu kriegen.“
A Night At The Opera
„Was zum Teufel ist denn das?“ So oder ähnlich dürfte es einigen Fans bei der Veröffentlichung 2002 ergangen sein, wenn sie das erste Mal das Cover erblickten. Keine mystische Atmosphäre, sondern eher seltsam anmutende Karikaturen von Fabelwesen, die eine Fantasy Oper bekleiden. Der Blick geht mehrfach auf den BLIND GUARDIAN Schriftzug um sicherzugehen, das man auch wirklich das richtige Album auf dem Tisch hat. Sehr seltsam, aber erstmal schauen, was die Musik so kann. Der Opener `Precious Jerusalem` entlädt in einer opulenten Reizüberflutung alles, was sich in der langen Wartezeit seit der „Nightfall…“ in den Köpfen der Barden abgespielt hat…und überfordert auch schnell. Spieltechnisch ist alles an seinem Platz, die Produktion ist auch top, also was fehlt mir eigentlich? Richtig, die Seele bleibt komplett auf der Strecke! Wo sind die messerscharfen Riffs, die genau auf den Punkt kommen? Wo die epischen Refrains, die sich aus dem Hochgeschwindigkeitsrausch heraus schälen, um sich ins Langzeitgedächtnis zu fressen? Und warum eigentlich kein Fantasy, sondern ein biblisches Thema? Die Erwartungshaltung wird enttäuscht und hier lernt man eine (teils bittere, teils süße) Lektion; erwarte bei dieser Band nichts, denn du weißt nie, worauf sie Lust hat! Wo ist hier mein nächstes `Past And Future Secret`? Obwohl alle Elemente vorhanden sind, gibt es keinen Dauerbrenner beim ersten Hören. Zu perfekt, zu episch, ich bin raus! Auch wenn sich die Mammutnummer `And Then there Was Silence` irgendwie seinen Weg in mein Gedächtnis bahnt, sind die guten alten Tage der Barden hiermit wohl vorbei.
Ein kleiner Zeitsprung; wenige Jahre später höre ich erneut in das Album rein, weil ich alle anderen Klassiker bereits bis zum Ohrenbluten gehört habe. „Gib der Platte nochmal eine Chance“ denke ich mir,drücke die PLAY Taste und siehe da, es funktioniert! Die ersten Rhythmen des Schlagzeugs trommeln mich in den Wüstensand Jerusalems, während die Gesangslinien sich durch arg verästeltes Songwriting arbeiten. Chöre vor dem Refrain? Egal, die Reise geht weiter, bis ich mir endlich meine wohlverdiente Gänsehaut bei der Textpassage „I turn to you, oh my precious Jerusalem“ abhole. Wow, da ist ja noch ein Break, das ich noch nie gehört habe und schau mal hier, die geilen Gitarrenlinien und bähm was für ein Solo! Leichte Reizüberflutung, aber irgendwie geil. `Battlefield ` beginnt eher ruhiger, trägt mich jedoch auf seinen Schwingen schnell über den unübersichtlichen Wald der Songstrukturen hinweg und lässt mich endlich wieder die Luft atmen, die ich bei BLIND GUARDIAN so liebe. Von oben sehe ich epische Passagen, endlose Gitarrenlinien und eine Soundwand, die sich ihren Weg über jene Köpfe hinweg bahnt, die nicht willens sind, ihr von einer anderen Perspektive zu zu hören. Seltsamer Anfang, aber mal schauen, was `Under the Ice ` so drauf hat. OK, recht stakkatomäßig angehaucht, aber prescht trotzdem gut nach vorne und irgendwie doch gut. Hey, ist das gerade mal die Zwischenpassage? Geil, die hätte ich für den Refrain gehalten. Mein Gott, wie viele Finger haben eigentlich die Gitarristen? Oh mein Gott, DAS ist also der Refrain.So wirklich raus kommt man aus dem Staunen nicht mehr, denn versteckt hinter der dichten Soundwand und dem verästelten Songwriting erarbeitet man sich Songs, die sowohl beeindruckend, als auch episch und packend sind. Bestes Beispiel dafür ist `Sadly Sings Destiny` , bei dem der Song um ein charismatisches Gesangskorsett herumgebaut wurde.
Den Job der (Halb-) Ballade übernimmt `The Maiden and the Minstrel Knight` , wobei man im Midtempo bleibt, sich aber seiner stetigen Steigerung bewusst ist und letzten Endes die Äste in alle Himmelsrichtungen ausstreckt, um alle Facetten der Band abzuliefern. `Wait for an Answer` erschließt sich mit immer noch nicht, aber allein die Konzentration auf den immens variablen Gesang hinterlässt bei mir bleibenden Eindruck. Mit `The Soulforged` hat man meiner Lieblingsfiguren der Drachenlanze auditives Leben eingehaucht; entsprechend groß ist meine Begeisterung über die filigranen Gitarrenläufe, das bombastische Gesamtarrangement und die vielen Gänsehautmomente. Von den Gesangslinien will ich gar nicht erst anfangen, sonst zitiere ich hier den gesamten Text. Für `Age of False Innocence` muss ich noch bereit ein, denn bis jetzt ist es „nur“ ein gutes, aber nicht überragendes Stück. `Punishment Divine` ist ein kranker Bastard aus Aggression und Bombast geworden, der mir an manchen Tagen immer noch zu progressiv ist. Vom Adrenalinpegel her bleibt nichts zu meckern. Muss ich über `And Then There Was Silence` Worte verlieren? Alleine diesen 14 minütigen Schinken live zu spielen und Stimmung rüber zu bringen ist eine Kunst. Zum Glück hat der Song bereits beim ersten Durchlauf irgendwie gezündet, erschließt sich jedoch nach mehren Durchläufen immer mehr und unterstreicht die Genialität, mit der man hier zu Werke gegangen ist. Im großen und Ganzen ist die Scheibe anno 2002 ihrer Zeit weit voraus und fordert diese auch ein. Wenn man sich intensiv damit beschäftigt, null Erwartungshaltung anhand der Vorgänger schürt und sich Zeit nimmt, wird man mit einem weiteren Meisterwerk belohnt, das es in sich hat. Trotz des Covers, das wohl den Titel „Häßliches Entlein“ verdient, hinter dem sich aber ein erhabenes Album verbirgt.
Das zweite Live Album
Es folgt eine Tour, um die Werbetrommel für das Album fleißig zu rühren. Live hat man sich mittlerweile zu einer Kultband mit brachialer Durchschlagskraft und guter Laune Faktor gemausert. Also wird mal eben ein großer Teil der Landkarte beackert und mit den Klängen der Barden beglückt. Nebenbei erwähnt man dann während der Konzerte, daß die Tour aufgezeichnet wird, was das Publikum zu Höchstleistungen anstachelt. Das Ergebnis soll auf den schlichten Namen „Live“ hören, wobei man auf zwei CD´s etliche Klassiker verteilt hat. Besonders gelungen ist die Mischung zwischen wuchtiger Produktion und den Publikumsreaktionen, die die Live Atmosphäre herrlich authentisch in die Synapsen schießen. Gibt es eigentlich irgendwo auf diesem Planeten wirklich diese Barden Taverne, die auf dem genialen Cover von Andreas Marschall abgebildet ist? Falls ja, wäre ich dort bestimmt Dauergast; mit dem Cover besinnt man sich zurück zu den (optischen) Wurzeln und macht den Ausrutscher zum vorangegangenen Cover wieder wett.
Bei der Auswahl der Songs kann man aus den Vollen schöpfen und so schraubt man zuhause schnell die SKIP Taste vom CD Player ab, denn einen Durchhänger gibt es nicht. Egal, ob man mit `Into The Storm` gleich loslegt, sich von `Welcome To Dying` in seine Jugend katapultieren lässt, oder hemmungslos `Nightfall`mitsingt, die Gassenhauer halten den Adrenalinpegel konstant oben. Auch sehr schön, daß es mit `Harvest Of Sorrow `, `The Bards Song (In The Forest)`, `A Past And Future Secret `und `Lord Of The Rings` auch die Balladen auf die Live Scheibe geschafft haben, denn dadurch wird die Abwechslung von hart bis zart komplett abgerundet. Die Live Scheibe bringt schnell Erinnerungen an geile Konzerte zurück und von der Intensität her kann man, nachdem man sich die Platte komplett reingedrückt hat, erstmal duschen gehen, denn still sitzen und genießen ist nicht drin.
Lost in the Philipshall
Jede Band hat irgendwo ein Heimspiel; sei es, weil sie aus der Region kommt, großartige Erinnerungen damit verknüpfen oder einen Kultstatus aus sonstigen Gründen genießen. Bei den Barden ist es die Düsseldorfer Philipshalle (heute: Mitsubishi Halle). Bereits in den 90ern wurde eine Live Version des `Bard´s Song` aufgenommen, die auf der „Forgotten Tales“ gelandet ist. Dabei hätte man Hansi teilweise das Mikro wegnehmen können, weil das Publikum einfach mal gemacht hat und eine amtliche Performance hingelegt hat. Anno 2002 soll es dann soweit sein und BLIND GUARDIAN gastierten erneut in ihrem gefühlten Wohnzimmer der Philipshalle. Nachdem man bereits einige Gassenhauer zum besten gegeben hatte, schallt es aus den Boxen. „Jetzt habt ihr und wir, beide, eine Ruhepause verdient. Magic Moments kann man bekanntlich nicht wiederholen. Gebt euch alle Mühe; hier kommt der `Bard´s song´“. Eine simple Ansage, der eine Großtat folgen sollte; frenetischer Jubel, Mitklatschen und nach der Eingangspassage übernimmt eine restlos glückliche Philipshalle den Gesangspart. Sämtliche Kehlen schmettern inbrünstig jede Textzeile aus dem Herzen in die Menge, die Akustikgitarre setzt sich mit Mühe gegen den lautstarken Beifallsregen durch und sowohl vor, als auch auf der Bühne herrscht Gänsehautstimmung aus allen Poren. Magic Moments kann man nicht wiederholen, aber es gibt im Leben ein Konzert, das absolut alles topt und für viele Anwesenden ist es (auch in vielen Gesprächen Jahre später) genau dieser Moment, in dem der `Bard´s Song` angestimmt, hemmungslos zelebriert und im Nachgang frenetisch abgefeiert wird. In einem Jubelsturm werden Hansi Bemühungen eine Ansage zu machen gleich mehrfach niedergebrüllt und noch während man in allen anwesenden Gesichtern das Dauergrinsen sieht, attestiert uns Hansi den vollkommenen Wahnsinn. Eben dieser Moment hat es auch auf das „Live“ Album aus dem Jahr 2002 geschafft, der natürlich auch die anderen Granaten wie `Valhalla`, `Lord Of The Rings` oder `Mirror, Mirror` (und viele andere) enthält.
Marcus erinnert sich. „Oh ja die Philipshalle. Das Konzert war wirklich unglaublich! Der Witz ist: das, was auf dem Album ist, ist schon die gekürzte Version, es war im Endeffekt länger. Der Ausraster ging so um die 12 Minuten oder Viertelstunde. Wir haben gesagt „Das muss irgendwie mit auf das Live Album“, das ist schließlich etwas einzigartiges und passiert nicht jeden Tag. Aber eine Viertelstunde Leerlauf auf dem Album war uns zu viel;man sollte auf jeden Fall hören, was da passiert ist. Wenn ich daran zurückdenke, hab ich immer noch Gänsehaut. Das hat uns auch sehr unvorbereitet erwischt, denn daß der `Bard´s Song` live funktioniert ist kein Geheimnis. Es gab Shows, wo wir den Song nicht gespielt hatten, weil wir keinen Bock hatten. Im Endeffekt wissen wir aber, daß die Nummer ankommt, wenn wir sie spielen. Die Leute singen mit und Hansi könnte die Nummer auch als Instrumentalstück ankündigen und es würde trotzdem sehr gut funktionieren. Diese Reaktionen, wie sie an diesem Tag in Düsseldorf passiert sind, das ist sonst bis jetzt nirgendwo passiert. Sowas kannst du auch nicht nochmal wiederholen. Die Mühe der Fans hat sich absolut gelohnt, es war ein absoluter Gänsehautmoment!“
Mittlerweile steht das dritte Live Album „Live Beyond The Spheres“ in den Regalen und neben den alten Klassikern, dem `Bard´s Song`aus der Philipshalle (es bleibt bei dem Namen, die Mitsubishi Hall bleibt die Philipshalle) kommen auch die neuen Stücke wie beispielsweise das Epik Monster `Ninth Wave` zum Zuge, die sich perfekt in die Klassiker einreihen.
Imaginations Through The Looking Glass
Zwei Tage lang nur BLIND GUARDIAN live, das wäre mal ein Traum! Dieser Traum soll 2003 in Coburg Wirklichkeit werden. Wer es nicht zu dem Live Gig schafft, wird ein Jahr später mit der Live DVD beglückt, die neben einer herrliche brachialen Soundwand auch mit gstochen scharfem Bildmaterial aufwarten kann. Bei der Produktion wird Perfektion erneut groß geschrieben und das Ergebnis wird auch noch in einer liebevollen Verpackung auf 2 DVD´s verteilt, die zusätzlich einen Mitschnitt vom Wacken und ein Making Of enthalten. Als Fan braucht man das Teil ebenso, wie jedes Album, um sich die komplette Vollbedienung zu gönnen (vergesst Youtube, es muss das Original sein). Da ist die logische Konsequenz, das man als Fan eine Wiederholung wünscht.
Allerdings steht und fällt das zweite Festival mit der Veröffentlichung des (bereits etwas länger angekündigten) Orchester Albums. „Das wäre natürlich eine schöne Möglichkeit, weil es auf Tour Blödsinn wäre. Das schöne an unserem eigenen Festival damals war, daß es uns Möglichkeiten eröffnet hatte, die wir auf keinem anderen Festival der Erde gehabt hätten. Selbst wenn wir Wacken headlinen kannst du nicht tun und lassen, was du willst, weil noch gefühlte 700 andere Bands da spielen. Du musst bestimmte Vorgaben einhalten, ganz egal ob du Headliner oder Opener bist. Mit unserem eigenen Festival haben wir die Regeln aufgestellt und konnten einfach tun und lassen, was wir wollten. Das bot sich damals für die DVD Produktion an und bietet sich natürlich auch dafür an, wenn man sowas mit Orchester durchziehen würde. Es gibt zur Zeit nichts konkretes, aber das wäre so eine Option, daß ,am das Orchester Album rausbringt und dann pünktlich mit dem Festival antritt.“
Wir unterbreiten Marcus die Idee, das zweite Festival zu splitten; erster Tag: Orchester Set, zweiter Tag: old school Set mit Speed Klassikern, die man selten live zu hören bekommt ( Beispiel: The Martyr; Tieteltrack Follow the Blind).
„Aufsplitten in Orchestertag und Nichtorchester Tag macht generell schon Sinn, weil wir auch viele „normale“ Stücke haben, die man mit dem Orchester unterbringen könnte. Zweiten Tag dann Knüppel aus dem Sack oder schnelle Nummern wäre auch denkbar. Was man dann spielt, müsste man dann natürlich sehen. „Follow The Blind“ beispielsweise haben wir seit gefühlten 137 Jahren nicht mehr gespielt. Ich müsste diese Nummer erstmal wieder lernen. Ich würde aus dem Stehgreif wahrscheinlich bis zum ersten Refrain kommen und dann müsste ich wohl nochmal in die CD reinhören um rauszukriegen, was wir denn damals so gemacht haben (lacht) Bis jetzt haben wir uns noch überhaupt keine Gedanken darüber gemacht. Auf Tour ist es bei uns so, daß wir uns die Setlist immer vor oder nach dem Soundcheck überlegen, aber das war´s dann auch, da sind wir relativ spontan. Es ist nicht so, daß wir bereits ein Jahr vorher wissen, was wir genau wie und wann spielen. Aber so ein Event wie unser Festival bietet sich natürlich an, um auch mal wieder seltene Sachen rauszupacken. „Follow The Blind“ haben wir bis heute glaube ich einmal live gespielt.“-
Ein neues Kapitel
Wir schreiben das Jahr 2005 und die Barden haben einiges an Live Auftritten hinter sich. Man hat sich durch seine Erfahrungen bereits einen Veteranen Status erarbeitet; erst Album, dann Tour, dann kurze Pause, dann wieder Album. Dieser Rhythmus wird beibehalten, um einerseits die Kreativität aufrecht zu erhalten und andererseits auch jederzeit volle Leistung abzuliefern. Dennoch sind die Jungs auch nicht vor den ganz normalen Gefahren einer Band gefreit und so verlässt Drummer Thomen „The Omen“ Stauch die Band. Stattdessen widmet er seine gesamte Kraft seiner Band Savage Circus, die er anno 2004 gegründet hat. Musikalisch geht es eher zurück zu den Wurzeln, wobei man sich stark an die „Battallions…“ Phase erinnert. Hier kommt es später zum Eklat und er wird von der Band rausgeworfen, was sich 2012 jedoch wieder legen soll. Nicht unerwähnt soll die Tatsache sein, daß er als Sessiondrummer das Album „The Path of Salvation“ von Stormrider eingetrommelt hat. Neues Tier an der Schießbude ist Frederik Ehmke, der sich in kurzer Zeit die Diskographie aneigent; trotz eines eigenen Drumstils, bringt er live die alten Stücke gut nach vorne, verfeinert sie allerdings noch zusätzlich mit kleinen Nuancen. Gerade zum Einstieg dürfte so eine Nummer wie `Punishment Divine` mit seinen Doubelbassgewittern eine echte Herausforderung gewesen sein. Menschlich integriert er sich ebenfalls schnell in die Band und so werkelt man an dem neuen Output, das um einiges moderner klingt. 70er Jahre Elemente, stark Gitarrenorientiertes Songwriting und moderne Soundsamples verschmelzen hier zu einer Symbiose, die ein neues Level ankündigen. Bereits der „Testluftballon“ in Form der Single `Fly`, die ein sehr geiles Cover ziert, ist ein klares Statement zum Songwriting und wird im Fanlager heiß diskutiert. Von „Das ist doch kein Blind Guardian mehr“, über „Ich weiß nicht so recht“, bis zum „Hör es dir mehrmals an, das zündet danach richtig“ ist alles dabei. Fakt ist, daß man sich erneut auf unbekannte Pfade begibt, die epische Wirkung zwar beibehält, aber nicht mehr so in den Mittelpunkt stellt und leicht verdaulichere Songs erschafft, als beim Vorgänger.
A Twist In The Myth
`This Will Never End `eröffnet mit sägenden Gitarren und bis zum Anschlag ausgereizten Vocals die Reise. Stakkato Riffing, umschmeichelnde Gitarrenlinien und einprägsamer Refrain lassen den Hörer schnell nach hause kommen und empfangen ihn mit mehren Überraschungen. `Otherland` besticht durch Hansis entblößten Vocals, die den Song quasi von alleine tragen. Der Rest entführt schnell in das alte Guardian Feeling, das man sich bei der „Opera“ noch hart erarbeiten muss. Hier geht’s schnell; Gänsehaut, hochschrauben und lauthalt mitsingen ist angesagt. Gerade die leicht vollziehbare Gitarrenarbeit spielt alle Trümpfe aus und man staunt abwechselnd über die Instrumentierung und den herrlichen Text. Episch geht es mit `Turn The Page` weiter, der zwar auch leicht nachvollziehbar ist, von der Epik aber mal eben einen Mix aus guter Laune und `And Then There Was Silence` transportiert. Es folgt `Fly` , das ein progressiver Brocken mit modernen Synthisounds geworden ist. Nach einigen Durchläufen bei mir als Single, ist er schnell der SKIP taste zum Opfer gefallen, denn er ist weder Fisch noch Fleisch (kein „Nightfall“ und auch kein „Opera“). Leider verhält es sich mit den anderen Songs stellenweise ähnlich, denn auch wenn das Können der Musiker gut zur Schau gestellt wird, stehe ich stellenweise ratlos vor den Boxen und weiß nicht, was ich davon halten soll. `Carry the Blessed Home ` ist eine 70er Jahre Ballade, die auch problemlos auf Dan Swanös Nightingale Album gepasst hätte; erst in der zweiten Hälfte entfaltet sich das Flair und man weiß wieder, welche Band da spielt. Insgesamt ist die Produktion deutlich dünner und man könnte meinen, der Perfektionismus sei erloschen. Allerdings sprechen die Songs hier für sich; stellenweise sperrig und auf übersichtlichem Bombast getrimmt, aber gerade in der Langzeitwirkung extrem effizient. Es soll bei mir noch Wochen dauern, bis ich mir den Kultstatus dieser Scheibe erarbeite. Optisch hat Nuclear Blast mit der limitierten Buchbox (inkl. Großem Booklet und Stempel) alles richtig gemacht, denn es sieht chic aus,
At The Edge Of Time
Nach 4 Jahren Sendepause beglücken uns die blinden Wächter mit einem ganz großen Wurf ihrer Karriere. In der Vergangenheit mussten sich BLIND GUARDIAN viele Vorwürfe aufgrund ihrer Experimentierfreudigkeit gefallen lassen, weil die Härte auf Kosten der symphonischen Schiene verloren ging.
Zwar wartet „At The Edge Of Time“ auch mit vielen bombastischen Parts auf (schließlich wurde ein komplettes Orchester dafür integriert), aber auch Knüppelfans der ersten Stunde und Hymnenliebhaber treibt es hier die Freudentränen in die Augen; selten klang Hansis Gesang frischer, die Gitarren aggressiver und das Schlagzeug dynamischer. Hatte man bei „A Twist in the Myth“ noch einige Mühe sich auf die zukünftige Richtung einzuspielen (obwohl der neue Schlagzeuger einen guten Job gemacht hatte), so sind sie anno 2010 zu einer richtig starken Einheit zusammengewachsen.
Als Opener kracht `Sacred Worlds` durch die Boxen, den Computerspieler kein unbekannter Titel sein dürfte. Die orchestralen Arrangements wurden erweitert und der Chorus bedient sofort mit einer Gänsehaut deluxe. Wahnsinn, wie man Metal mit Klassik verbinden kann; mittlerweile kein neues Kochrezept, aber hier genial umgesetzt. Old School Fans lassen die Matte zu `Tanelorn (Into the Void)` wieder kreisen und vor dem inneren Auge sieht man schon die Massen den Refrain mitsingen. Den Gänsehautfaktor spare ich mir einfach mal, weil er sich sowieso durch das komplette Album durchzieht. Mit `Road To No Release` geht´s gemütlicher zur Sache. So hätte das komplette „A Twist In The Myth“ klingen müssen, dann hätte es auch mit dem Nachbarn geklappt: eine Midtemponummer, vom Klavier unterstützt und dynamisch in Szene gesetzt. Danach habe die Krefelder anscheinend keine Zeit mehr, denn im Volltempo jagt `Ride Into Obsession` durch die Speaker und katapultiert uns irgendwo zwischen den Jahren von „Somewhere Far beyond“ und „Imaginations From The Other Side“.
Nach dem Song bekommt die Nackenmuskulatur erstmal eine kleine Pause, denn die mittelalterliche Ballade `Curse my name` lässt uns weiterhin vor den Boxen knien und jede Textzeile ehrfürchtig mitsingen. Nach der kleinen Verschnaufpause, gibt´s das atmosphärische `Valkyries`, das mit einem Gewitter eingeleitet wird. BLIND GUARDIAN ziehen hier ihr progressives Ding durch, und bleiben auf der Midtemposchiene. Der Song geht sofort ins Ohr und hätte auch auf der „Nightfall In Middle Earth“ zu finden sein können. Eine Runde Gott gespielt wird mit `Control the divine`, der uns wieder zu den „A Night At The Opera“ Zeiten zurückführt, ohne jedoch stumpf zu kopieren. Mit `War Of The Thrones` ist es dann endgültig Zeit die Knieschoner aus dem Schrank zu holen, und den Volume Regler bis zum Anschlag aufzureißen; gab es auf der Single „A Voice In The Dark“ die Akustik Version, gibt´s hier eine bombastischere.
Der Arsch wird dann noch mal richtig mit `A Voice In The Dark` versohlt; der schnellste Song des Albums bringt uns zu den Anfangstagen von BLIND GUARDIAN und es wird gezeigt, dass sie die Spielart noch längst nicht komplett abgelegt haben. Ein weiterer Nackenwirbelarmageddon, bevor es zum krönenden Abschluss kommt. Als Nachtisch wird `Wheel Of Time` serviert, dass mit ägyptischen Klängen eingeleitet wird. Auf diesem Stück kann man das Zusammenspiel von einer dynamischen Metalband und einem symphonischen Orchester hören, wie es in Perfektion klingen muss. Die Symbiose beider Stilrichtungen ist hier dermaßen gelungen, dass man glaubt BLIND GUARDIAN würden seit dem Beginn ihrer Karriere auf diese Weise komponieren.
Nachdem ich mir die ersten Freudentränen weggewischt habe, nun noch einige Worte zum Gesamteindruck; die Produktion ist fantastisch ausgefallen. Die Speed Metal Parts kommen aggressiv und die orchestralen Arrangements extrem bombastisch rüber. Auch die mit Liebe eingeflochtenen Gastauftritte (Prager Philharmonic Orchestra, Flöten, Geigen) kommen sehr gut zur Geltung, ohne in den Songs zu verschwinden. Auch Layouttechnisch ist man hier auf der sicheren Seite und so ist das neue Album eine wahre Augenweide für Fantasy Fans; gelungene Zeichnungen und die Aufmachung des Digipacks (von der limitierten Pyramide will ich erst gar nicht anfangen zu schwärmen) runden den Gesamteindruck ab. Auch ist eine Version mit Bonus CD (inklusive Demo Aufnahmen und einer 20 minütigen Studiodokumentation) und eine Vinyl Auflage am Start, es wurde wirklich an alles gedacht!
Danach geht es für die Wächter auf Tour. Kollege Dirk hatte das Glück, zum Auftakt mit Marcus zu telefonieren. Das Interview könnt ihr HIER lesen.
Pünktlich zum Bandjubiläum erscheint die Box “A Traveller´s Guide To Space And Time”. An dieser Stelle könnten wir euch ein weiteres Review präsentieren. Stattdessen verweisen wir an dieser Stelle auf unseren Artikel, in dem wir die Ankündigung der Wächter besprochen hatten.
Das Orchester Album
Fans werden diesen epischen Running Gag mittlerweile lieben, denn es wurde aus heutiger Sicht vor 7 Jahren angekündigt. Die Ankündigung findet ihr nochmal HIER auf unserer Seite. Fakt ist, daß ein komplettes Orchester am Start ist und die Wächter mit Markus Heitz zusammenarbeiten. Das verspricht wahrlich etwas sehr großes, das natürlich auch seine Zeit braucht, um zu wachsen. Wir fragen Marcus, wie es nach der Veröffentlichung mit einer Tour aussieht. „Das wäre schön; das stelle ich mit auch sehr spannend vor, aber das ist natürlich nichts, was man im Rahmen einer Tour machen kann. Wenn du jetzt 90 Leute mehr für das Orchester mitschleppen möchtest, brauchst du mehr Nightliner, mehr Crew, du brauchst mehr alles. Das ist allein schon ein Logistik- und Kostenfaktor, der im Rahmen einer Tour nicht funktioniert. Ich könnte mir vorstellen, daß wir sowas mal Festivalmäßig angehen, wobei es noch keinen konkreten Zeitplan gibt. Es wäre natürlich spannend; speziell wenn das Orchesteralbum draußen ist, bietet sich sowas natürlich an.“
Wie und wann es damit weitergeht, lest ihr im unteren Abschnitt zu den Zukunftsplänen.
Memories Of A Time To Come
Braucht man eigentlich eine Best Of Compilation, wenn man doch alle Klassiker im Original im Regal stehen hat? Eigentlich überflüssig denke ich mir und lasse die auf 3 CD´s verteilte Perle jahrelang links liegen. So ganz außen vor für dieses Special möchte ich es aber nicht lassen, also einfach mal zur Vervollständigung kaufen und gut ist. Das Cover ist natürlich eine wahre Augenweide und die Songauswahl ist natürlich gut, aber auch zu wenig; ein Best Of BLIND GUARDIAN beinhaltet Material, mit dem man sich eigentlich problemlos mehrere Tage in seiner Kammer verschanzen kann. Die Produktion ist optimal, schließlich wurden sämtliche Stücke nochmal einer Frischzellenkur unterzogen und neu remastered. Bei `Valhalla`und `And Then There Was Silence` horcht man auf, denn sie wurden auch neu arrangiert. Gleiches gilt für den `Bard´s Song- In The Forest`, der jetzt die Brücke zwischen Klassik und Mittelalter schlägt. Den Vogel abgeschossen hat man mit `The Bard´s Song – The Hobbit`, ein meiner Meinung nach viel zu unterbewerteter Song. Auch hier wurde komplett neu aufgenommen und alleine das Doublebassgewitter zu Beginn lässt mich schnell die Boxen quälen. Alleine dafür lohnt sich der Kauf schon! Auf der dritten CD befinden sich Demotracks aus den Tagen von Lucfer´s Heritage, was die Sache abrundet. Pflichtkauf ist hier Ansichtssache, aber zur Vervollständigung der Sammlung sollte man es sich gönnen. Außerdem ist es interessant, die alten Schätzchen mal mit neuer Produktion zu hören.
Die Zwerge
Mit `Sacred Worlds`, aus dem Computerspiel Sacred 2, wurde die Gaming- und Nerdgemeinde beglückt. Wer Ende 2016 die Computerspieladaption „Die Zwerge“, angelehnt an der Buchreihe vom Autor Markus Heitz, gespielt hat, wird während des Abspanns mit einer schönen Überraschung konfrontiert, denn die Barden haben erneut einen Song zu einem Spiel beigesteuert. „Beigesteuert ist so nicht ganz richtig, weil der Song nicht von uns ist. Das Produktionsteam hat uns damals im Studio besucht und uns ihr Projekt vorgestellt. Wir konnten schon in frühen Alpha Versionen reinspielen, um halt einen Eindruck zu kriegen und wir wurden dann auch gefragt ob wir Bock hätten, einen Song für das Spiel zu schreiben. An Bock ist es nicht gescheitert, gescheitert ist es schlicht und ergreifend an der Zeit. Ich glaube wir waren kurz vor der Endproduktion zum letzten Album und waren zeitlich so ausgebucht, daß wir keine Möglichkeit hatten, wieder in das Songwriting zu gehen und ein Stück zu schreiben. Wir haben dann angeboten, daß wir nur performen und nicht schreiben, weil wir schlicht und ergreifend keine Zeit haben. Das heißt, daß der Song nicht von uns geschrieben wurde, sondern von deren Team und Hansi hat praktisch gesungen und ich hab alle Gitarren gemacht. Es sind also auch nicht komplett BLIND GUARDIAN involviert gewesen, sondern nur Hansi und ich. Im Endeffekt hat es sehr großen Spaß gemacht und es ist eine sehr spannende Erfahrung, mit Leuten zusammen zu arbeiten, mit denen du noch nie etwas gemacht hast und die du auch nicht kennst. Innerhalb der Band kennen wir uns alle in und auswendig. Wir machen das schon seit 30 Jahren und auch Frederik ist schon seit 12, 13 Jahren dabei. Bei uns ist es ein blindes Verständnis, ein blindes Zusammenarbeiten, das einfach läuft. Wenn du dann auf einmal mit Leuten zusammenarbeitest, die du nicht kennst und die eine andere Arbeitsweise haben, und von mir aus auch noch aus einem ganz anderen Lager kommen, kann das sehr interessant sein und macht auch enorm viel Spaß. Wir haben damals die Demos bekommen und Hansi und ich haben dann etwas umarangiert, den Kram eingespielt und es ist schön geworden. Ich muss aber betonen, daß es keine BLIND GUARDIAN Nummer ist. Das wird immer wieder fälschlicherweise gesagt, wenn man im Netz schaut; dann stellen sich die Leute die Frage, warum wir diese Nummer nicht aufs Album gepackt haben oder warum wir das Stück nicht live spielen. Es ist schlichtweg nicht unser Song.Wir haben nicht komponiert, sondern nur arangiert“ Eigentlich sehr schade, denn der Song ist gut geworden. Bleibt die Frage, ob er wirklich niemals live gespielt werden wird. „Unwahrscheinlich. Man soll ja niemals nie sagen; wir haben in unseren früheren Jahren ja auch mal Coverversionen gespielt, die wir rausgebracht haben, weil wir da Bock drauf hatten. Ich würde es jetzt nicht pauschal ausschließen, daß das jemals passieren könnte, aber ich würde auch keine all zu großen Erwartungen darauf setzen. Wenn wir jetzt damit anfangen würden, fremde Nummern in unsere ohnehin volle Setlist rein zu setzen, würden wir Probleme bekommen. Wir spielen bereits im Schnitt zweieinhalb Stunden und du bekommst trotzdem nur 18 Nummern unter.“
Gaming Corner- ein Nerdgespräch
BLIND GUARDIAN haben viele Einflüsse; Herr der Ringe, Stephen King und König Artus sind nur einige Gebiete, aus denen Songs entstanden sind. Zusätzlich zu Büchern und Filmen gesellt sich noch eine andere Leidenschaft. Marcus ist ein Fan von Computerspielen, womit er bei mir offene Türen einrennt. Ab dieser Stelle ein kurzes Wort der Warnung: wer mit Spielen nicht anfangen kann, sollte nun zum nächsten Abschnitt skippen. Auf geht’s in den Spielewahnsinn:
MI: Welche Spiele zockst du zur Zeit?
Marcus: „In den letzten 12 Jahren war sehr viel World Of Warcraft am Start (lacht); im Moment spiele ich sehr gerne und oft „Zelda- Breath Of The Wild“ auf der Switch. Diablo 3 spiele, aber ich muss zugeben, daß ich das nicht so spiele, wie ich damals Diablo 2 gespielt habe. Den Suchtfaktor fand ich bei 2 einfach höher als bei 3. Ist zwar ein gutes Spiel, hat mich allerdings nicht so motiviert, wie es bei Teil 2 der Fall war. Das Tombraider Reboot fand ich auch sehr gut; ich hab mir auch schon die Fortsetzung davon gekauft, aber noch nicht angefangen. Resident Evil fand ich auch immer großartig. Da habe ich letztens mit Teil 7 angefangen, wobei das non plus Ultra für mich immer noch Teil 4 ist. Ich zocke alles quer durch den Garten, wobei es leider einige Spiele in der Art nicht mehr gibt. Beispielsweise „The Secret Of Monkey Island“ von Lucas Arts und alte Rollenspiele.“
MI: Man kann sich die alten Schätzchen noch über GOG (Good Old Games) für aktuelle Rechner kaufen.
Marcus: „Ich hab noch die ganzen alten Originale hier im Schrank stehen. Aber die Art von Spielen vermisse ich irgendwie. Es war mal das Ding und ist irgendwann aus irgendeinem Grund ausgestorben. Eine Zeit lang habe ich auch Shooter und Strategiespiele gespielt, worauf ich halt gerade Bock hatte.“
MI: Was ist mit Elex, dem neuen Spiel von Piranhya Bytes (Den Machern von Gothic)?
Marcus: „Piranhya Bytes kenn ich, wie heißt das Spiel?“
MI: Elex. Ist eine Mischung aus Science Fiction und Fantasy; man spielt erneut einen Helden, der sich von ganz unten nach oben kämpfen muss. Es hat genau den Ruhrpott Flair von damals; harte Spielwelt, unzählige Quests und humorvolle Dialoge. Keine Grafikhure vor dem herrn, aber die Atmosphäre ist sehr geil. Du hast erwähnt, daß due Resdient Evil Fan bist. Wie schaut´s dann bei dir mit The Evil Within 2 aus?
Marcus: „Den ersten hab ich auch auf den Rechner, aber noch nicht gespielt. Den zweiten hab ich gekauft, aber installiere ich erst, wenn ich den ersten durch habe. Ich erwarte hier großartiges, denn Trailer und Bilder haben mir sehr gut gefallen.“
An dieser Stelle bremsen wir uns beide zu dem Thema, da es ansonsten ein reines Gaming Special werden würde. Es geht weiter mit BLIND GUARDIAN.
Beyond The Red Mirror
Neues Album, neue Wege, oder doch wieder ein Schritt zurück in die glorreiche Vergangenheit? Nach mehrmaligem Hören hat das Album für mich eine sehr persönliche Botschaft an Bord: Schluss mit Nostalgie und ran ans Erwachsen werden!
Mit „Beyond The Red Mirror“ halten sich BLIND GUARDIAN auch selbst den Spiegel vors Gesicht, mit allen Facetten, Narben und einem zeitlosen Blick in den Augen. Obwohl dieses Mal auf vielen Baustellen mehr und intensiver gearbeitet wurde, hat man sich auch den kleinen Dingen mit viel Liebe gewidmet. Das beginnt beim opulenten Gesamteindruck (das Album beim ersten Durchhören verarbeiten? Vergesst es!), geht über bereits bekannte (und doch intensiv spürbare) Gitarrenduelle, bis hin zu den gänsehautartigen Gesangspassagen, die (man mag es kaum glauben) wirklich noch intensiviert werden konnten. Das Album ist eine Reise, die man mit jedem Durchlauf neu und intensiver erleben kann.
Bereits der orchestrale Opener entlädt seine gesamte Urgewalt in den Boxen. Dabei zeigen die Barden auch den Mut, mittels moderner Effekten die Brücke zwischen old school Fans und modernen Fans zu spannen. Die Selbstverständlichkeit, mit der dies gelingt, ist dabei genauso beachtlich wie die Tatsache, das 9 minütige Ungetüm bereits zu Beginn abzufeuern.Die Singleauskopllung `Twilight Of The Gods` kommt direkt auf den Punkt, während sich mit `Prophecies` der erste Song ins Langzeitgedächtnis schmilzt; mal im Ernst, wer hier nicht genauso glücklich grinst, wie beim ersten Durchlauf der „Nightfall…“ muss definitiv zum Ohrenarzt. Einprägsame Gitarrenschlangen, treibendes Drumming und Gesanglinien, die tiefer in den Spiegel zerren. Dreckige Riffs und opulente Orchesterpassagen vereinen sich in `At The Edge Of Time` und gehen den Weg des Vorgängeralbums imposant weiter. `Ashes Of Eternity` knurrt bösartig aus den Boxen, kratzt am Trommelfell entlang, ehe es sich wieder (unberechenbar) versöhnlich dem Hörer anbietet. Mit `Distant Memories` fühlte ich mich im Verstand eines Königs gefangen, ehe mich Gänsehautwellen tiefer in den Spiegel zerrten. Episch und gleichzeitig Aushängeschild für den Weg, den die Krefelder eingeschlagen haben. Sie experimentierten und webten ihre alten Tugenden mit ein, was hier sehr gut zur Geltung kommt.
Macht das Licht an, stellt das Bier weg, denn spätestens mit ´The Holy Grail` war´s das mit dem Grübeln, was man über die neue Platte denken soll. Der Song killt, treibt die Lautsprecher an ihre Grenzen und lässt mich beten, dass dieser Song live gespielt wird und tausende Kehlen den Refrain mittragen! Ein Schlachtfeld entsteht schnell vorm geistigen Auge und schmiedet sämtliche Gefühle, die bei Manowar oder Bathory je aufgekommen sind, in einen Song. Keine Schnell-ins-Ohr-Killer? Ich verneige mich ehrfürchtig vor dieser Antwort zum eigenen „Mirror Mirror“ und anderen Klassikern. Das Stakkato Gewitter flirtet mit dem Orchester unter dem Banner `The Throne`, ehe `Sacred Mind` wieder Geschwindigkeit auf dem Programm steht. Mit der Ballade `Miracle Machine`haben es die Barden geschafft, ihren Namen neben Legenden wie Queen einzumeißeln. Hansis Stimme geht direkt unter die Haut, das Klavier erschafft eine nachdenkliche (jedoch nicht melancholische) Stimmung und der Wunsch nach einem Wunder keimt schnell in einem selbst auf. Diese Nummer lief beim Test einen halben Tag in Endlosschleife, ohne eine Spur seiner Magie zu verlieren. `Grand Parade` strotzt vor dem Perfektionismus, der hier an den Tag gelegt wurde, um eine kraftvolle Symbiose aus Klassik und Metal zu erschaffen. Wer `Sacred` mochte, wird diesen Song lieben und selbst die Black Metal Fraktion dürfte sich hier an einige Sternstunden wie alte Dimmu Borgir erinnert fühlen, ehe mit dem Bonussong (in dem limitierten Buch)`Doom`die Reise unter „We will Remember“ Rufen und herrlichen Gitarrenläufen endet.
Statt Erinnerungen hinterher zu hängen, führt dieses Album das fort, was bei der „Imaginations“ endete. Dabei bedient man sich der Erfahrungen der letzten Jahre und erschafft ein Album mit einem Charakter, der mir ehrlich gesagt in den letzten Jahren etwas gefehlt hat. Wer sich die volle Dröhnung gönnen möchte, sollte sich die Buchedition gönnen, auf der die Atmosphäre des Albums mit den gelungenen Zeichnungen von Felipe Machado Franco perfekt eingefangen wurde. Als BLIND GUARDIAN Fan ist man erwachsen geworden und verdient auch ein reifes und gleichzeitig kraftvolles Album. Ich habe das Album noch nicht bis in den letzten Winkel ergründet, aber gerade diese Tatsache rundet den Gesamteindruck ab. Die Reise endet und beginnt mit jedem neuen Hören…
Zukunftspläne
Wir schreiben das Jahr 2017. Die Wächter haben das Ende ihrer Tour angekündigt und begeben sich nun in ihr Studio, um ihr neues Album aufzunehmen. Die Gerüchte verdichten sich, daß es dieses Mal das lang angekündigte Orchester Album werden wird. „Ja, das Orchester Album wird es geben, tatsächlich. Die Live Abstinenz würde es auch geben, wenn wir nicht mit dem Orchester arbeiten würden. Wir arbeiten immer in diesen Zyklen; wenn ein Album rauskommt gehen wir auf Tour, schreiben in der Zeit auch nicht wirklich neue Stücke, weil wir das nicht können. Wir brauchen den Abstand. Wenn wir auf Tour komponieren würden, würde das neue Zeugs genauso klingen, was wir live auch spielen, weil das ist automatisch die Musik, die du den ganzen Tag auch hörst. Das würde automatisch zu Wiederholungen führen und da haben wir keinen Bock drauf. Deshalb splitten wir das in eine Tour- und Songwritingphase. Jetzt sind wir halt in der Sogwritingphase; wir waren jetzt zweieinhalb Jahre auf Tour und irgendwann muss auch mal gut sein (lacht) . Irgendwann schläft man auch gerne wieder zuhause und sieht seine Familie. Wir haben jetzt mit dem Songwriting für das nächste, reguläre Album begonnen, aber auch das legendäre Orchester Album wird jetzt endgültig fertig gestellt. Das heißt, Hansi muss jetzt eine ganze Menge singen. Ursprünglich sollte das während der Tourpausen passieren, aber den Plan mussten wir relativ schnell verwerfen, weil der Touralltag viel zu anstrengend für Hansis Stimme ist. Wenn du also mal eine 2 Wochen Pause zwischen einer Europa- und einer Amerikatour hast, ist deine Stimme nicht wirklich fit für eine Studioaufnahme. Es macht hier auch keinen Sinn irgendwas zu erzwingen, denn das würde bedeuten, daß die Studioaufnahmen vielleicht mit viel Geprügel funktioniert und danach ist seine Stimme durch und hält die nächsten Konzerte nicht mehr durch. Das ist Blödsinn; ein Sänger braucht, wie jeder andere Musiker auch, definitiv zwischen den sehr anstrengenden Tourblöcken seine Pausen. Hansi kann also jetzt in aller Ruhe alles einsingen und dann können wir mixen und mastern und dann kommt das Album tatsächlich auf den Markt.“
Die klare Trennung von Tour und Albumphase hat bisher immer Früchte getragen. Hinzukommt eine innovative Idee, mit der man sich (und den Fans) Abwechslung auf den Konzerten gönnt. „Wir geben uns schon ein wenig Mühe. Wir spielen am Abend um die 18 Stücke, haben aber für die Tour so um die 45 Stücke geprobt. Jedes Stück wird auch im Rahmen der Tour gespielt, weil sich jeden Tag zwei bis vier Nummern im Vergleich zum Vortag ändern. Dadurch konnten wir natürlich auch aus einem großen Fundus schöpfen, den wir für das Live Album gebraucht haben. Zusätzlich kommen die Leute auch zu mehr, als nur zu einer Show; sie haben also eine Garantie, daß sie unterschiedliche Sets sehen. Außerdem ist es für uns auch wichtig, denn wenn du zweienhalb Jahre auf Tor bist und immer die gleichen 18 Stücke spielst, drehst du irgendwann durch. Das mündet dann in eine tödlich, langweilige Routine, was wir logischerweise auf gar keinen Fall wollen. Es soll auch für uns spannend und vor allem spaßig bleiben.“
Das Warten auf das nächste Album dauert bekanntlich länger. Vorher gibt es einen Appetizer, der aber noch lange nichts über das gesamte Album aussagt.
„Das wird bei uns nie möglich sein, weil wir stilistisch sehr breit aufgestellt sind. Ich habe mal eine interessante Diskussion mitverfolgt, wobei man versucht hat, unseren Stil zu nennen. Es wurde von Speed-, über Power- bis zum Progressive Metal alles genannt und alles stimmt. (außer Black Metal bei Lucifer´s Heritage). Das ist auch ein Grund, warum wir die Einstellung nicht mögen, denn wenn wir uns auf einen Stil beschränken würden, dürften wir ja nichts anderes machen. Dieses Schubladendenken engt dich nur ein und deshalb interessiert uns das auch nicht; wenn wir eine Idee gut finden und sie zu uns passt, dann machen wir das, worauf wir Bock haben. Schnell, hart, langsam, episch ist völlig egal; solange es uns gefällt und es nach BLIND GUARDIAN klingt, ist alles gut. Deshalb kann ein Appetizer in Form einer Maxi oder eines einzelnen Songs nur einen Teilaspekt beleuchten, was auf dem Album ist. Gerade das macht aber für mich auch den Reiz aus, weil es immer etwas neues zu entdecken gibt.“
And The Story Ends…
Wir sind am Ende einer langen Reise angekommen. Herzlichen Glückwunsch und vielen Dank an jene, die sich bis zu dieser Stelle durchgekämpft haben. Am Ende stellen wir Marcus eine Frage, deren Antwort besonders jungen, aufstrebenden Bands Mut machen dürfte:Seit wann macht ihr das eigentlich hauptberuflich? „Seit Anfang an; wir haben den Plattenvertrag unterschrieben, da war ich noch in der Schule. Wir haben vom Timing Glück gehabt, denn ich hab die Schule abgeschlossen, als die „Follow The Blind“ gerade draußen war. Danach kam der Zivildienst für mich und Andre und im Anschluss haben wir die „Tales“ rausgebracht und ab da haben wir davon gelebt. Keiner der Band hat jemals etwas anderes gemacht; wir haben seit dem ersten Tag an das erklärte Ziel gehabt „Das ist es, was wir machen wollen“ und wir haben auch immer daran gezogen. Wir haben jeden Tag geprobt, außer manchmal Sonntags, wenn wir am Samstag zu viel gesoffen hatten (lacht). Im Normalfall standen wir jeden Tag im Proberaum und haben versucht uns als Musiker und Songwriter zu verbessern. Wir haben alles Geld, was wir bekommen haben, in unsere Musik investiert; sei es in Instrumente, Studioequipment usw. Wir haben sehr früh angefangen uns Studioequipment zu kaufen. Irgendwann haben wir den Schritt gemacht, uns unser eigenes Studio zu bauen, in dem wir unsere Platten aufnehmen. Wir haben immer daran gezogen und es gab auch nie einen Plan B. Sowas lenkt dich nur ab und für uns war ganz klar „Das ist das, was wir beruflich machen werden“. Unser Ziel war es, daß wir professionell Musik machen, Alben aufnehmen und touren. Das war unsere klare Vision und in unseren Köpfen gab es auch nie eine Alternative dazu. Es gab auch nie die Möglichkeit, daß das nicht klappen könnte, denn wir wollten es ja. (lacht) Also haben wir es umgesetzt.“
Zu Guter Letzt hat Marcus noch einige abschließenden Worte für die Fans, die sich nun in Geduld auf das kommende Album üben müssen:
„Glückwunsch dazu das ihr BLIND GUARDIAN hört, ist die richtige Entscheidung (lacht) Vielen, vielen Dank für 30 jahre Support und auch an alle, die später eingestiegen sind. Wir hatten einen Mega Spaß auf der letzten Tour, das hört man glaube ich wohl dem Live Album an. Wir sind jetzt in der Songwriting Phase, die Tour danach kommt bestimmt und dann geht alles von vorne los und wir freuen uns schon darauf. Dauert ein bisschen, als bitte etwas Geduld haben, im Endeffekt wird es sich hoffentlich lohnen. Nächste Tour kommt garantiert und dann können wir hoffentlich wieder zusammen feiern.“
Sebastian Radu Groß