BLIND GUARDIAN INTERVIEW

Posted by admin On September - 26 - 2010

Ãœber Blind Guardian’s neues Album „At The Edge Of Time“ haben wir alle an anderer Stelle schon eine Menge erfahren. Doch was geht in den Köpfen der Band vor sich, wenn man kurz vor dem Beginn einer neuen Tour steht? Ich hatte das Glück, zwei Tage vor dem Auftakt der „Sacred Worlds And Songs Divine“ Tour mit Marcus Siepen telefonieren zu dürfen, welcher sich als sehr entspannter, freundlicher und kurzweiliger Gesprächspartner entpuppte.

Dirk: Hallo Markus! Schön, das es mit dem Interview noch so kurz vor eurem

Tourbeginn geklappt hat! Hat man zu diesem Zeitpunkt eigentlich noch den Nerv, ein Interview zu führen?

Marcus: Hallo! Prinzipiell hat man schon noch Bock. Das Problem ist eher der Zeitfaktor. Denn just nach diesem Interview werde ich mir meine Gitarre schnappen und dann geht’s ab in unser Studio zu unserer letzten Tourprobe. An manchen Tagen machst du acht Stunden lang nichts anderes, als Interviews geben. Und wenn man viele Fragen schon mehrfach beantwortet hat, kommst du völlig durcheinander und drehst fast durch. Aber heute hast du Glück, denn du bist der dritte Interviewtermin von dreien, insofern bin ich da noch sehr entspannt.

D: Was macht ihr noch an Vorbereitungen, zwei Tage bevor es losgeht? Wird da noch voll geprobt und alles gegeben?

M: Wir haben vor ca. zwei Monaten mit dem ersten Probenblock begonnen und uns an alte und neue Stücke herangetastet. Des weiteren haben wir schon eine Liste festgelegt, welche Songs wir auf dieser Tour gerne spielen und dementsprechend auch proben wollen. Am Ende sind es dann etwa 45 Stücke geworden, die wir jetzt alle spielen können. Aus diesem Pool von Songs können wir dann während der Tour unsere Sets gestalten. Im zweiten Probenblock haben wir dann mal verschiedene Sets komplett durchgespielt. Dabei wurden dann auch mögliche „Wackelkandidaten“ entdeckt, wo wir uns intensiver mit beschäftigen mussten. Ja und heute ist quasi die finale Probe. Das heißt, wir spielen mit der kompletten Crew ein. Set durch, Ende offen. Danach wird nochmal das gesamte Equipment überprüft und morgen durch die Crew verladen. Und morgen Abend fährt dann auch schon unser Nightliner los…

D: Ihr habt ja schon einige große Touren hinter euch. Bist du vor dem Beginn einer neuen Tour immer noch nervös?

M: Vor einer Tour bin ich eigentlich nie nervös. Ich bin eher der, der nervös wird, wenn es ins Studio geht! Wenn ich auf der Bühne stehe, ist es mir letztendlich egal, ob wir vor 1.000 Leuten in einem Club oder 100.000 Leuten wie auf dem Wacken spielen. Ich bin vor einer neuen Tour neugierig und gespannt. Wir haben ja bis jetzt nur Feedback in Bezug auf das neue Album erhalten, welches sehr positiv war. Aber ob und wie sich die neuen Stücke live in das Set einfügen, wie die Fans darauf reagieren, wie die Reaktionen generell auf unser Live-Set sind, das ist für mich spannend.

D: Hast du denn noch diesen „Hunger“, auf Tour gehen zu wollen oder ist eine neue Tour mehr eine Pflichtübung?

M: Das ist noch absoluter Hunger, denn Live spielen ist für mich der Höhepunkt des Musiker-Daseins! Es ist großartig, ein Stück zu schreiben, damit ins Studio zu gehen und sie dort wachsen zu sehen. Aber nichts kommt dem gleich, danach raus auf die Bühne zu gehen, vor wie viel Leuten auch immer zu spielen und zu beobachten, wie die Reaktionen sind.

D: Hat eigentlich jemals eine eurer Touren ihren Auftakt in Düsseldorf gehabt?

Das würde sich doch anbieten und wäre quasi ein Heimspiel für euch…

M: Nein das gab es noch nicht. Wir sind natürlich spieltechnisch gut vorbereitet. Aber es ist was ganz anderes, ob du im Proberaum dein Set spielst oder dich unter Strom und Adrenalin auf der Bühne hin und herbewegst. Man muss sich erst mal wieder in diese Live-Situation hineinfinden. Hinzu kommt noch, das du die ersten Nächte im Nightliner nicht vernünftig pennen kannst. Denn es ist schon ein immenser Unterschied, ob du in deinem Bett oder in einem schaukelnden Bus schläfst. Das kann mitunter schon mal eine Woche dauern, bis man sich daran gewöhnt hat und in der Tour-Situation angekommen ist.

Mit einer fetten Sache wie Düsseldorf anfangen… nö, das machen wir lieber entspannt etwas später!

D: Ich habe euch 1996 auf der „Imaginations…“ Tour zum ersten mal live gesehen. Das war schon eine recht große Show. Seitdem sind einige Jahre vergangen und ihr habt an Bekanntheit nochmal ordentlich zugelegt. Inwieweit wächst mit dem Erfolg auch die Dimension einer Tour, was Dauer, Set-Länge, Logistik oder Personal angeht? Habt ihr schon einen Tourtross wie Iron Maiden?

M: Ich weiß nicht, wie viele Leute mit Maiden unterwegs sind, aber wir haben schon eine recht große Crew mit auf Tour. Die Ausmasse unserer Touren sind tatsächlich konstant gewachsen, auch was die Dauer angeht. Das letzte Mal waren wir 18 Monate unterwegs und diese Tour wird nicht kürzer werden… was ja auch erfreulich ist! Ich weiß jetzt nicht genau, mit wie viel Menschen und Material wir unterwegs sein werden. Unsere erste Tour haben wir noch in ‘nem alten VW Bus abgerissen, lediglich mit ein paar Verstärkern, Gitarren und einem Schlagzeug hinten drin. Mittlerweile sind mit uns mehrere Sattelschlepper und drei Nightliner unterwegs!

D: Seid ihr denn die ganze Zeit von euren Familien getrennt? Begleiten sie euch oder trifft man sich ab und zu irgendwo? Wie regelt ihr das?

M: Wie alle in der Band habe auch ich Frau und Kind. Mein Sohn geht zur Schule und meine Frau arbeitet. Da kann man nicht einfach mal sagen: „So, der Papa geht auf Tour und der Sohnemann kommt mal für ein halbes Jahr mit!“. Genauso wenig kann meine Frau über mehrere Monate hinweg nicht arbeiten gehen. Wir haben allerdings unsere Tour so geplant, das wir in Blöcken unterwegs sind. Das heißt, die ersten zwei dicken Brocken stehen jetzt zu Beginn an. Da sind wir ca. 6 bis 7 Wochen am Stück in Europa unterwegs und sehen unsere Familien höchstens mal, wenn wir zum Beispiel in Düsseldorf spielen.

Danach sind wir allerdings wieder mal für eine Woche zuhause, bevor es für weitere 6-7 Wochen nach Amerika geht. Wenn alles glatt geht, werden wir Heiligabend spät nachmittags wieder in Düsseldorf ankommen. In dieser Zeit triffst du deine Familie nicht. Aber wir nutzen alle elektronischen Möglichkeiten, um in Kontakt zu bleiben. Ist zwar kein Ersatz für ein Treffen, hilft aber, die Zeit zu überbrücken.

Was folgt, sind dann kleinere Blöcke. Da ist man mal 3 Wochen in Japan, dann wieder 2 Wochen zuhause. Dann geht’s für 4 Wochen nach Südamerika, danach ist man wieder zuhause. So geht das hin und her, was das Ganze aber auch erträglicher macht. Denn dauernd in Hotels zu schlafen, aus dem Koffer zu leben und seine Familie nicht zu sehen, kann auf die Dauer ganz schön anstrengend sein!

D: Sind denn diese Zwischenpausen eine Art „Auftanken“ für dich oder fällt es dir danach immer schwerer, wieder für Wochen „Tschüss“ zu sagen?

M: Natürlich fällt einem das schwer, denn logischerweise hängen wir ja alle auch an unseren Familien. Und wenn wir uns verabschieden und zur „Arbeit“ gehen, weiß jeder, das wir eben nicht am selben Abend nach wieder nach Hause kommen, sondern erst vielleicht in 5 Wochen.

Andersherum: Wenn wir aber nicht touren, sind wir konstant zuhause! Unser Studio ist ca. 15 Minuten von meiner Wohnung entfernt, und jeder von uns hat sein eigenes Studioequipment zuhause. Das heißt, ich muss noch nicht mal mein Haus verlassen, wenn ich zum Beispiel an neuen Songs arbeiten will. Wir pendeln also ständig zwischen Extremen hin und her: Entweder zuhause oder komplett unterwegs.

D: Hat man als Band eurer Größe eigentlich noch „Bodenkontakt“? Oder anders gefragt: Würden Blind Guardian heute noch eine kleine Club-Tour mit 100 Leuten pro Gig spielen?

M: Mmmh, haben wir schon lange nicht mehr gemacht, wobei wir natürlich auch nicht bei jeder Show 20.000 Leute vor der Bühne stehen haben. Natürlich sind unsere Shows immer größer geworden, das wollten wir ja auch. Allerdings ist die Atmosphäre und der Kontakt zu den Fans in einem kleinen Club ganz anders, als wenn du vor 100.000 Leuten auf dem Wacken spielst! In einem Club hast du einen sehr intensiven Kontakt zu den Fans und kannst richtig abrocken, während auf dem Wacken die erste Reihe erst 15 Meter hinter dem Fotograben auftaucht! Dafür kann man da showtechnisch ordentlich was auffahren!

Ich mag beides und will auch weder auf das Eine, noch auf das Andere verzichten!

D: Lass’ uns mal auf eure beiden Vorbands zu sprechen kommen; die Wahl von Steelwing war stilistisch nachvollziehbar. Aber wie kamt ihr auf VAN CANTO?

M: Das sind Freunde von uns! Die haben bei uns im Studio aufgenommen und auch den „Bard-Song“ gecovert. Zudem haben sie auf unserem aktuellen Album im Hintergrundchor mitgesungen. Ich kenne zwar nur die Studio-Sachen, fand das aber sehr originell und ungewöhnlich. Ich hatte, beziehungsweise hätte einmal die Chance gehabt, die Band live zu sehen, bin allerdings 10 Minuten zu spät auf dem Konzert eingetroffen. Ich denke mal, VAN CANTO werden auf der Tour eine gewisse Ruhe zwischen STEELWING und uns reinbringen. Bin schon gespannt, wie das funktionieren wird! Zudem sind das supernette Leute, was auf einer Tour ja auch nicht unwichtig ist!

D: Vergleiche mal eure ersten Touren mit der letzten; hat sich der Enthusiasmus und die Begeisterung eures Publikums verändert? Sind die jungen Fans schwerer zu begeistern?

M: Wir haben das Glück, mit Blind Guardian ein vom Alter her sehr gemischtes Publikum ansprechen zu können. Wir haben einerseits Fans, die uns seit der ersten Tour kennen und mit uns zusammen „gealtert“ sind. Wir konnten andererseits aber auch mit jedem neuen Album neue, junge Fans dazugewinnen. Klar, die älteren Fans machen nicht mehr so Party wie früher. Die stehen dann eher weiter hinten oder am Rand und schauen sich das Ganze in Ruhe an. Mache ich mittlerweile genauso. Ich muss auch nicht mehr in der ersten Reihe stehen und Vollgas geben. Ist halt eine Entwicklung. Aber die jungen Fans sind immer noch sehr begeisterungsfähig und geben ordentlich Gas. Zumindest ist das bei unserem Publikum so…

D: Hansi hatte mal in einem Interview gesagt, daß die Begeisterung Für Metal in Asien, speziell in Japan, nachgelassen hat. Dort werdet ihr ja immer noch richtig abgefeiert. Südamerika hingegen hat immer noch sehr stürmische Fans.

Was ist deiner Meinung nach noch ein Geheimtipp für Konzerte? Gibt es noch „unentdeckte Gebiete“, wo sich neue Fans und Märkte erschliessen lassen?

M: Südamerika ist immer noch riesengroß, keine Frage! In Brasilien zu spielen ist ein echtes Highlight! Was sich für uns als Markt erschliesst, sind die USA. Wir sind ja erst recht spät in den USA aufgetreten. Ich glaube, 2002 waren wir zum ersten Mal dort, weil es dort vor Ort nie den entsprechenden Support seitens der Plattenfirmen gab. Aber seitdem wird es auch da konstant grösser. Europa ist weiterhin sehr stark. Spanien, Italien, Griechenland sind noch echte Metal-Märkte. Aber auch der Osten öffnet sich immer mehr. Es gibt noch viele gute Ecken, das muss man sagen! Wir haben auch auf der letzten Tour zum ersten Mal in Australien und Südafrika gespielt. In beiden Ländern waren das überragend gute Konzerte!

D: Stimmt! Grade nach Afrika traut sich ja irgendwie kaum eine Band hin!

M: Es passiert da sehr wenig in dieser Richtung! Man hat uns gesagt, wir sind eine der wenigen Bands, die überhaupt in dieser Gegend einen Auftritt hatten. Wir haben dort mal als Headliner auf einem Festival gespielt. Eigentlich ist das eine Schande, denn die Fans in Südafrika sind super drauf und es war top Equipment vor Ort! Wir hatten zuvor keine Ahnung, was uns erwartet und kannten auch niemanden, der da schon mal gespielt hat.

Es war großartig!

D: Habt ihr eigentlich noch Bock auf die alten Songs? Ihr habt ja einen beachtlichen Backkatalog an zum Teil sehr komplexen Stücken. Oder spielt man die Klassiker nur noch den Fans zuliebe?

M: Sowohl als auch, würde ich sagen. Das wir manche Stücke nicht mehr so gern spielen liegt aber nicht daran, das uns das alte Material zu simpel ist, sondern eher daran, daß wir gewisse Songs seit 25 Jahren auf jedem Gig spielen. Da fragst du dich dann schon: „Muss das schon wieder sein? Können wir nicht statt dessen mal was anderes spielen?“ Jede Band , die so lange wie wir im Geschäft ist, stellt sich Fragen wie diese. Wer das leugnet, der lügt. Du hast halt auch Songs, die nicht in deiner persönlichen Top 5 Liste stehen. Und du spielst sie trotzdem, weil die Fans danach verlangen. „Valhalla“ ist da ein Paradebeispiel. Der Song gehört definitiv nicht zu meinen Faves und den anderen Bandmitgliedern sehen das ähnlich. Das liegt noch nicht mal daran, das „Valhalla“ zu simpel wäre oder gar ein schlechter Song. Im Gegenteil! Ich halte das Stück sogar für gut! Aber Fakt ist: seit 1989 spielen wir „Valhalla“ auf JEDEM Gig. Und dann kommen die grade genannten Fragen ganz von selbst!

D: Und wenn ihr die Klassiker mal nicht spielen würdet?

M: Haben wir schon mal gemacht! Wir haben auch mal den „Bard-Song“ rausgeschmissen!

Nur wenn du dich dann am Ende der Show verabschiedest, tauchen viele Fragezeichen im Publikum auf und die Leute fragen sich: „Hä, fehlt da nicht was?!“. Aber man muss da halt mal ab und zu konsequent sein (lacht)! Nee, das Ding ist: Wir wissen, daß es gewisse Stücke gibt, die wir spielen… (überlegt) …nicht unbedingt müssen, aber doch spielen sollten, weil die Fans sie eben gerne hören möchten. Und wir versuchen das ja auch zu berücksichtigen. Das Problem ist nur, das mit der Zahl deiner Alben auch die Zahl eben jener Songs immer weiter steigt, die du im Prinzip nicht weglassen kannst. Da wir aber keine 5-Stunden-Sets spielen können, müssen wir Kompromisse schliessen. Und zwar zwischen Songs, die du spielen musst, die du noch nie gespielt hast, wieder mal spielen willst und dem neuen Material, das du vorstellen willst. Eine permanente Gratwanderung also! Aber mit unseren 45 Songs auf dieser Tour sind wir recht flexibel. Wir können immer etwas variieren, Song X gegen Y austauschen und am nächsten Tag dann Y durch Z ersetzen, bevor wir wieder zu X zurückkehren. Das bringt Abwechslung und macht es erträglicher.

D: Speziell bei den älteren Songs: Hätte der Hansi nicht noch manchmal Spaß daran, wieder Bass zu spielen?

M: Mmmh, da müsstest du ihn mal selbst fragen, aber ich wage mal ganz vorsichtig zu behaupten, das der Hansi dem Bass spielen nicht sonderlich nachtrauert. Das war speziell zum Ende hin nicht mehr seine grösste Leidenschaft. Ich meine, er hat sich ja letztendlich für den Gesang entschieden, was meiner Meinung nach auch definitiv die richtige Entscheidung war. Da fällt natürlich auch diese Doppelbelastung von ihm ab und er kann als Sänger allein viel mehr geben, als wenn er zu einer komplizierten Gesangslinie auch noch einen guten Bass spielen muss.

D: Wenn ich mir euer neues Album anhöre und weiß, wie viel Aufwand da drin steckt und wie viele Details zu diesem sehr dichten Soundteppich beitragen, frage ich mich: Kann das der „Durchschnittshörer“ überhaupt wertschätzen?

Was kann man den Fans an Produktion noch „zumuten“?

M: Ich glaube, man kann den Fans ‘ne ganze Menge zumuten! Und das war noch nicht mal das Maximum an Spuren, die wir verballert haben! Da war „And then there was silence“ aufwendiger! Das Kunststück ist, all diese Details so zu verpacken, daß der Hörer am Ende nicht davon erschlagen wird, was uns meiner Meinung nach gut gelungen ist. Gleichzeitig aber sind so viele Feinheiten im neuen Album versteckt, daß man sich die Scheibe problemlos oft anhören kann und trotzdem immer wieder etwas Neues entdecken kann. „At the edge of time“ ist definitiv kein Easy-listening Album geworden. Aber es wird auch nicht nach mehrmaligem Hören langweilig werden und im Regal verschwinden. Das macht für mich eine gute Platte aus.

D: Besteht da aber nicht auch die Gefahr, daß sich das neue Material immer schwieriger live umsetzen lässt und man quasi zum Begleitmusiker seiner eigenen Musik aus der Konserve wird?

M: Ja und Nein. Bis jetzt haben wir auf all unseren Touren auch alles komplett live gespielt! Das Einzige, was vom Band kam, war das Intro. Auf dieser Tour werden wir es zum Ersten mal etwas anders machen. Wir wollen „Sacred worlds“ und „Wheel of time“ live spielen und werden dabei das Orchester als Sample einspielen lassen. Das Problem ist einfach, das unser Keyboarder auch nur zehn Finger hat und es schwierig für ihn sein wird, ein 90 Mann Ensemble zu ersetzen (lacht). Wir haben auf früheren Konzerten „Sacred worlds“ in der Urfassung gespielt. Da war unser Keyboarder zu hören. Aber da basierte auch der Orchesterpart auf der Melodie aus dem Computerspiel! Und ein ganzes Orchester live mitzunehmen, das kommt für uns schon mal gar nicht in Frage.

Also diese beiden Sachen werden wir vom Band kommen lassen, alles andere ist und bleibt live!

D: Wie findest du direkt nach einer Tour wieder zurück in den Alltag? Ich stelle mir das so vor, als ob man von Vollgas in die Vollbremsung geht…

M: Von Hundert auf Null schaltet man nicht so einfach wieder um! Das Tourleben ist etwas komplett anderes, denn ich habe mit den sonstigen alltäglichen Dingen des Lebens gar nichts zu tun, wenn ich unterwegs bin. Im Prinzip muss ich auf Tour nur einmal am Tag für zwei Stunden auf die Bühne gehen, mein Roadie drückt mir ‘ne frisch gestimmte Gitarre in die Hand und Los geht’s! Und wenn es nicht grade noch Pressearbeit zu tun gibt, habe ich so gesehen 22 Stunden frei und kann Tourist sein, mich vor den Laptop setzen und „World of Warcraft“ zocken oder sonst was tun!

Im normalen Leben haben wir wie jeder andere auch unsere Pflichten und Verpflichtungen. Und direkt nach einer Tour wieder darauf umzuschalten, das kann schon mal ein, zwei Tage dauern! Es ist ja nicht so, daß ich nach Hause komme, sofort die Taschen fallen lasse, mir den Staubsauger schnappe und erst mal die Wohnung komplett durchsauge (lacht)!

D: Nimmst du dir dann erst mal eine Auszeit von deinen Bandkollegen? Kann man sich nach einer Tour überhaupt noch sehen oder nerven dich die anderen einfach nur noch?

M: Das Tourleben bedeutet einen absoluten Verzicht auf Privatsphäre. Der einzige Raum nur für dich ist in deiner Koje im Nightliner, wenn du den Vorhang zuziehst! Wenn du mal im Hotel bist, klar, dann kannst du auch die Tür zuziehen. Aber das ersetzt natürlich nicht dein privates Zuhause. Und wenn du dann daheim bist, in deinen eigenen vier Wänden und mit deiner Familie, dann bist du auch froh, wenn du keinen aus der Crew oder der Band sehen musst und abschalten kannst. Wir verstehen uns alle gut miteinander und mögen uns auch, aber da ist dann erst mal Pause. Genauso geht es mir auch mit meinen Gitarren. Die stehen dann zwar schon im Studio, aber ich würde nicht im Traum darauf kommen, mir direkt nach einer Tour schon wieder eine mit nach Hause zu nehmen!

M: Macht ihr denn dann noch eine Art „Nachbesprechung“ der Tour?

M: Nö. Klar, wir besprechen direkt nach einem Gig, was schief gelaufen ist und wer was verbockt hat. Aber das Ganze nochmal Revue passieren lassen: Nein.

D: Kommen wir zur letzten Frage: Ihr habt damals als Musikfans angefangen, Musik zu machen. Heute ist „Blind Guardian“ neben der Band auch eine Marke.

Siehst du dich immer noch als Fan, der Musik aus Leidenschaft macht oder als Berufsmusiker, der damit seine Rechnungen bezahlt?

M: Beides! Wir haben seit 1990 nichts anderes als Musik gemacht und leben quasi von und mit Blind Guardian. Insofern ist das schon ein Job! Und Tatsache ist auch: Wenn wir unseren Job scheiße machen, kommt kein Geld rein und das war’s mit den Rechnungen bezahlen! Das Schöne an diesem Job ist aber, das er auch gleichzeitig unser Hobby und unser Traum ist! Wir haben also unsere Leidenschaft zu unserem Beruf gemacht! Deshalb kann dieser Beruf auch beides sein. Es ist aber nicht so, dass wir morgens aufstehen und sagen: „Scheiße, ich muss schon wieder ins Studio, schon wieder ‘ne blöde Gitarre in die Hand nehmen und schon wieder raus auf die Bühne!“, sondern wir sind halt in der glücklichen Lage, mit dem was wir lieben auch noch Geld zu verdienen! Und das schon seit 20 Jahren! Das ist ein Traum! Und das war es auch, was wir seit unseren Anfangstagen als kleine Schülerband konsequent verfolgt haben. Nur konnte damals noch keiner sagen, ob das funktionieren wird. Wie man sieht, hat es das wohl…! Und wir sind darüber sehr glücklich!

Dem ist wohl nichts mehr hinzuzufügen! Wir sehen uns auf der Tour…!

Dirk

1 Response so far
  1. » Blog Archive » BLIND GUARDIAN SPECIAL Said,

    [...] Danach geht es für die Wächter auf Tour. Kollege Dirk hatte das Glück, zum Auftakt mit Marcus zu telefonieren. Das Interview könnt ihr HIER lesen. [...]

    Posted on November 23rd, 2017 at 23:39

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