LIVE REVIEW: KATATONIA

Posted by Radu On Mai - 13 - 2014

Überraschungseffekte und unkonventionelle Ideen waren schon immer der große Trumpf von KATATONIA. Mit ihrer letzten (von Fans finanzierten) Scheibe „Dethroned & Uncrowned“ interpretierten sie die Songs ihres Albums „Dead End Kings“ neu und entfernten sich dabei einen großen Schritt vom Metal.Auf ihrer aktuellen „Unplugged & Reworked“ -Tour interpretieren sie ihre alten Songs neu und kleiden sie dieses Mal in ein komplett akustisches Gewand. Dabei steuern sie keine riesigen Konzerthallen, sondern eher gemütliche und intimere Locations an, unter anderem auch die Christuskirche in Bochum.

IMG_652514 Grad, wieder mal Regen; ob das Haar perfekt sitzt vermag niemand zu sagen, aber vor der Christuskirche versammelt sich eine ansehnliche Menschenmenge, deren Shirts teilweise einen Querschnitt durch die Death- und Black Metal Liga bildet. Bei der Location hat man hier voll ins Schwarze getroffen, denn in der Kirche sind sowohl die klassischen Bänke, als auch Bestuhlung vorhanden, während man sich zusätzlich von der Empore aus einen atemberaubenden Sitzplatz ergattern kann.

IMG_6494Als Vorgruppe eröffnen MESSENGER aus London, die bluesangehauchten Prog Rock spielen. Schnell wird klar, dass die Bühne relativ eng für die fünf Herren sind, doch das stört sie nicht im geringsten und sie machen das beste daraus, um ihr Debütalbum „Illusory Blues“ zu promoten, was ihnen auch gut gelingt. Aus einer balladesken Startposition entfalten sich progressive und teilweise synthesizergeschwängerte Stücke heraus, die von einer glasklaren Stimme durch die Christuskirche getragen werden. Showmäßig geben sich die Engländer recht introvertiert; die Köpfe werden hängen gelassen, an den Effektgeräten gefummelt und in den groovigen Passagen gönnt man sich eine Mosheinlage. Das Publikum nimmt die Jungs gut auf und auch die offenherzigen Ansagen werden mit wohlwollendem Applaus quittiert, ehe die Anheizer des Abends die Bühne räumen und die Umbaupause beginnt.

Wer sich beim Betreten der Kirche schon über die erste Gänsehaut erfreuen konnte, wurde beim Anblick der vielen Kerzen und der minimalistischen und gleichzeitig intimen Atmosphäre auf das Bevorstehende gut vorbereitet. Die Lichter verlöschen, mit einem herzschlagartigen Rhythmus kriecht das Intro aus den Boxen, bis KATATONIA unter tosendem Applaus die Bühne betreten und mit `In The White` einen epischen Abend eröffnen. Jonas ist als einziger mit einer elektrischen Gitarre bewaffnet, während die restliche Band Akustikgitarren zur Hand haben. Während des ersten Stücks ist es (was für Metalfans eher ungewöhnlich ist) totenstill auf den Bänken, so dass man gelegentlich einen Plastikbecher umfallen hören kann. Die Stille wird nach dem ersten Stück mit Jubelschreiben und einer großen Applauswelle unterbrochen.

IMG_6557KATATONIA legen sofort nach und geben uns in ihrer Setlist einen Querschnitt ihrer letzten Jahre, der im Akustikgewand eine atemberaubende Figur macht und für offene Münder und ungläubige Blicke in den Reihen des Publikums sorgt. `Ambitions` wird von Jonas` Stimme sehr ehrlich durch die Christuskirche getragen, ehe `Teargas` einige Fans zum mitsingen animiert. Die elektrische Gitarre wird ausschließlich für die Solis verwendet, während einige Effekte dezent eingestreut werden, was eine sehr gute Wirkung hat. Die Songs wirken, vom schwermetallischem Mantel befreit, intensiver, da sie in erster Linie von Jonas` Stimme getragen werden, was man ihm zu Beginn der Bandkarriere niemals zugetraut hätte.

IMG_6559Die Backingvocals und auch die Instrumente von Blakkheim & Co sind perfekt aufeinander eingestimmt und harmonieren sehr gut miteinander. In einer Ansage bekennt Jonas sichtlich nervös zu sein, ehe man mit `A Darkness Coming` mal eben alle Anwesenden zurück in die „Tonight´s Decision“ Ära katapultiert und sich eine Mischung aus Ehrfurcht und Nostalgie durch die Reihen der Anwesenden wälzt. Kein Wunder, wurde der Song auch seit 2004 nicht mehr live gespielt; atmosphärisch unterstrichen wurde dies von einer erstklassigen Arbeit am Mischpult, sowie sehr guten Lichteffekten. Man grast großzügig auch die „Viva Emptiness“ und „Dead End Kings“ Scheiben ab, ehe man sich mit `Tonight´s Music` einen Ausflug zu „Last Fair Deal Gone Down“ wagt, die bereits stolze 13 Jahre auf dem Buckel hat.

IMG_6544Um so erfreulicher ist der frische Akustiksound, der daraus eine zeitlose Nummer macht. Mit `Sleeper` erntet man stürmischen Applaus, ist es live nämlich ein gewagter Spagat zwischen Akustiksound, ausufernden Effekten und Jonas aufbrausender Stimme. Auch `Lethean` wird einer Frischzellenkur unterzogen, ehe man Fans erster Stunde mit `Day` mental ehrfürchtig auf die Knie sinken lässt. Zwischen Jubelschreien, Applaus und sogar der einen oder anderen Träne setzen KATATONIA, dankbar für die glückliche Audienz, ihr Set fort und schließen mit `Unfurl`ab, ehe sie nach Standing Ovations nochmal zurückkehren, um den Nachtisch in Form von `The One You Are Looking For Is Not Here` zu servieren. Anneke van Giersbergen ist zwar leider nicht für das Duett anwesend, wird jedoch von Blakkheim dabei mehr als würdig vertreten.

Seit nunmehr 22 Jahren machen KATATONIA schon Musik und schaffen es immer wieder, die Fans mit neuen Ideen zu überraschen. Das Akustikkonzert hätte nicht besser laufen können: sehr geile Atmosphäre, eine herrliche Setlist, top Mischer, schöne Lichteffekte und viele, entspannte Gleichgesinnte. Epische Momente, in denen alte Songs neu erstrahlen, oder bei denen man Songs serviert bekommt, die man zwar gerne im stillen Kämmerlein, jedoch noch nie live (geschweige denn in einer Kirche) gehört hat. Gänsehaut statt Moshpit war auf jeden Fall das Motto dieses abends. Am Ende verlassen viele Anwesenden mit einem breiten Grinsen das Konzert und während man bereits auf Facebook die ersten Lobesbekundungen liest, schwanke ich noch ob ich den Abend unter „episch genial“ oder „anbetungswürdig“ einordnen soll. Sehr geiler Abend!

Radu

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