LIVE REVIEW: PROPHECY FEST 2015
Im Jahr 2006 gab es bereits die Prophecy Konzertnacht, danach herrschte erstmal Funkstille. Dieses Jahr wurde das erste Prophecy Fest ins Leben gerufen und wartete nicht nur mit vielen schönen Details, sondern vor allem mit dem gelebten Grundgedanken eines authentischen Festivals auf.
Um es gleich vorweg zu nehmen: die Veranstaltung hat definitiv das Wort „Fest“ verdient, denn hier wurde alles gegeben, um das Fanherz glücklich zu machen. Das beginnt bei der sehr schönen Location der Balver Höhle im Sauerland; mitten im Herzen der Natur taucht man schnell fernab von weltlichen Belangen in die Musikwelt ein. Mit knapp 1300 Besuchern ist es ein sehr übersichtliches und vor allem familiäres Festival geworden, auf dem sich viele Fans unterschiedlicher Stilrichtungen begegnen: klassische Kuttenträger geben einigen Black Metal Fans Festivalgeschichten zum besten, während mein Auge immer noch über die vielen raren (vor allem Ulver) Shirts staunt, die hier spazieren gehen. Gescheites Essen, schnell zugängliche Klos und ein gut organisierter Bierstand, soweit alles schön. Sobald man die Höhle betritt, ist man auch mitten im Festivalfeeling, denn die Bühne ist gut positioniert und man kann sich sowohl in den ersten Reihen austoben, als auch gemütlich hinsetzen, ohne auch nur ansatzweise etwas musikalisches zu verpassen. Keine Zeit für lange Vorfreude, denn der Startschuss fällt mit
CRONE, dem Seitenprojekt von sG (Secrets of the Moon) und Markus Renzenbrink (Embedded). Es ist ihr erster gemeinsamer Live Gig überhaupt, was man den Jungs aber nicht wirklich anmerkt. Sie spielen sich souverän durch ihr Set und geben bereits einen ersten Eindruck über die sehr gute Akustik in der Balver Höhle. Der leicht melancholische und ruhige Sound verfehlt seine Wirkung nicht und wird lässig über die entspannten Zuschauer verteilt. Die Brücke zwischen Rock und Metal mit nachdenklichem Beigeschmack wird hier problemlos geschlagen und sorgt für erstes Dauergrinsen. Die Audienz ist zu Beginn noch sehr spärlich gesät, gibt der Truppe jedoch schnell Rückendeckung mit Applaus, was CRONE einen sehr guten Einstieg als Anheizer beschert.
Grund für die relativ kleine Audienz ist der Merch Stand. Neben einem riesigen Shirt Ausverkauf (Dornenreich Hoodie für 13 Euro- noch Fragen? ) steht auch die streng limitierte EMPYRIUM EP „The Mill“ auf der Ladentheke. Aber auch sonst lässt die Theke kaum Wünsche für Schatzsucher offen, denn das Angebot derweil üppig, dass der Geldbeutel schnell schlapp machen kann.
LIFELOVER sind wahrlich nur was für tolerante Naturen, die kein Problem damit haben, wenn sich nihilistischer Black Metal mit Kinderliedern, Zirkusgedudel und weiteren schrägen Ideen vermischt. Bereits die Langrillen sind eine Krankheit für sich, mit denen man die Gehörgänge stranguliert, quält und foltert, um sich tiefer in sein selbstverstümmelndes Unterbewusstsein zu graben. Extra für das Prophecy Fest gibt man sich die Ehre, um eine 10 Jahre Geburtstagsshow zu kredenzen, bei denen die gesamte Diskographie beackert wird. Bereits der Soundcheck lässt erahnen, was auf einen zukommt: im blutigen Arztkittel gekleidet und mit einem Bier bewaffnet zeigt uns der Sänger, über welch beachtliches Repertoire an Geräuschen er verfügt. Krächzte es und schmiss sich in die Setlist, die hält was sie verspricht. Die Live Performance ist wie die Musik: krank! Bangen sich einige Mitglieder durch die Songs, so bietet die Gesangsfront eine kaputte Helge Schneider Variante auf Kocks , der durch bizarre Tanzeinlagen und seine eigene groteske Party glänzt. Er wäre perfekt für die Rolle des Jokers geeignet, falls es jemals eine erneute Batman Verfilmung geben sollte. Ob die Perfomance deshalb ein Reinfall war? Im Gegenteil, denn einen andächtigen Gig oder eine aggressive Performance im Stile von Shining hätte man ja erwarten können. Stattdessen ziehen LIFELOVER ihr Ding durch und ernten im Laufe des Auftritts immer mehr Zuspruch. Es passt einfach zur Musik der Truppe und macht deutlich, dass gerade das Unerwartete manchmal einschlagen kann, wie eine Bombe. Nach der Performance klaffen einige Meinungen von Fans weit auseinander: spricht der eine von der Selbstverstümmelung einer Legende, so bekniet der andere es als die Live Erfahrung seines Lebens.
Ein kurzer Blick ins das Programmbuch (ja, ein richtiges Buch, mit Running Order, Hintergrundinfos, Platz für Autogramme und einer CD Beilage im schönen Hardcover) läutet die nächste Autogrammstunde ein, bei der man sich gemütlich unterhält, Autogramme sammelt oder durch die Höhle schlendert. Neben Musik, Merch und Bier ist hier auch die Ausstellung von Tyko, der die TENHI Cover gestaltet hat. Bemalt auf Holz werden hier sämtliche Bilder aus dem „Saivo“ Album ausgestellt, die sowohl in groß, als auch in Din A 5 gekauft werden können. Eine nette Abwechslung für zwischendurch und vor allem richtig gut in Szene gesetzt.
Im Gegensatz zur Vorband überrascht das Frauenquartett von AMBER ASYLUM mit einem mir neuen Sound: zwei Geigen, ein Bass und ein Schlagzeug. Der Opener ist langsam, sehr langsam und unterstreicht beim Zuhören jedes Doom Klischee, das man kennt. Besonders aus den letzten Tönen jeden noch sie kleinen Sound aus zu wringen geht an die Geduldsgrenze. Nicht schlimm, denn die Damen aus San Francisco haben nicht nur Doom im Repertoire, sondern fächern sich breiter aus. Stilistisch kann ich es nicht einordnen, aber in manchen Momenten blitzt kurz ein My Dying Bride oder Dead Can Dance Moment auf, um sofort in den spirituellen Songstrukturen zu verschwinden. Die sphärischen Klänge schweben mit einem Ambient und neoklassischem Charakter durch die Audienz und man muss ihnen ein großes Maß an Charisma zugestehen. AMBER ASYLUM gewinnen das Publikum für sich und fesseln die Aufmerksamkeit konstant und ohne Einbrüche. Gerade so einen Stil auf ein Festivals einzubringen ist eines der Dinge, die das Prophecy Fest zu einem genreübergreifenden Erlebnis macht.
Einmal kurz am Merch Stand gewühlt und sich von LIFELOVER Autogramme geholt (ja, sie sind genauso schräg wie auf der Bühne), ehe es zur nächsten Band geht.
CAMERATA MEDIOLANENSE sind mit einem 30 köpfigen Chor angereist und bieten ein Special von „Vertute, Honor, Bellezza“ und einige Klassiker dar. Obwohl es hier nichts mit Metal zu tun hat, bietet die Truppe auf knapp 75 Minuten verteilte eine Reihe von Gründen, über den Tellerrand hinaus zu schauen. Der Mix aus Neofolk und Klassik hat seine eigene Dynamik und wird von den Fans von der ersten Minute an abgefeiert. Mir ist die Band völlig unbekannt und so benötige ich einige Zeit, um damit warm zu werden. Über die Qualität muss man jedoch nicht streiten, denn die Arrangements sind gut, der Auftritt mehr als solide und die Atmosphäre in einer vollen Höhle mehr als gemütlich. Technische Pannen beim Mikro werden mit Fanzurufen wie „Bellissima“ schnell weggewischt und auch der Musikwunsch nach „Casket Garden“ sorgt für Stimmung in der Bude. Interessant für Neulinge wie mich und für Veteranen der Band ein epischer Auftritt, der unter stürmischen Applaus sein Ende findet.
Musik, Bilderausstellung, was fehlt noch, um das künstlerische Programm abzurunden? Richtig, eine Lesung. Marcel Dreckmann alias Skald Draugir (Helrunar) gibt sich die Ehre um eine kurze Lesung zum Thema „Mythologie des Münsterlandes“ zu halten. Mit einigen kurzen Geschichten erklärt er das Grundprinzip der Münsterländer Sagen, die sowohl unterhaltsam, als auch moralisch sein können. Hier kommen auch Facetten der Dämonologie und der Märchenerzählungen zum Tragen, die Marcel sehr charismatisch vorträgt und erklärt. Er bezieht sich neben Inhalt auch auf die plattdeutsche Sprache des Münsterlandes und verweist auf sein neues Musikprojekt „Van´t Liewen un Stiäwen“ (Vom Leben und Sterben) seines Projektes WÖLJÄGER.
DARKHER sind mir bis dato ebenfalls völlig unbekannt, legen aber einen sehr soliden Trip hin. Extrem spirituell und mit einem psychedelischen Flair nimmt Frontfrau Jayn H. Wissenberg rasch die Balver Höhe in Beschlag und umgarnt die Audienz mit ihrer charismatischen Stimme, die mal singend, mal hauchend, die Aufmerksamkeit auf sich zieht. Nur mal eben reinschauen ist nicht, denn dann zerschellen die Songs an der Oberfläche und werden für meinen Geschmack nicht griffig. Bei längerem Hinhören füllt sich die Höhle jedoch zunehmend und ihr erster Deutschlandauftritt kann mit dem Prädikat „erfolgreich“ verbucht werden.
Zeit für Abendessen und ein nettes Pläuschchen mit den Festivalbekanntschaften. Neben Tipps für coole Bands und eine letzte Wühlsession am Merchandise Stand bleibt genug Zeit, um sich ein bequemes Plätzchen in der Höhle zu suchen und sich über die mehr als gelungene Location zu freuen. Während ich immer noch darüber nachdenke, ob mein bisheriger Locationfavorit Amphitheater Gelsenkirchen (Rock Hard Festival) in Sachen Flair abgelöst oder gleichgezogen wird, tut sich was auf der Bühne.
EMPYRIUM lassen sich Zeit, viel zu viel Zeit fĂĽr meinen Geschmack. Satte 30 Minuten dauert der Soundcheck länger und selbst danach kommt das Intro nur stellenweise raus. Während einige bereits spekulieren ob es an der Technik oder an einem Diva Anfall liegen könnte, wird das Set mit `The days before the fall` eröffnet und zerstört sämtliche Zweifel. GroĂźes wurde angekĂĽndigt,GroĂźes wird abgeliefert, denn live klingen die StĂĽcke von „A Wintersunset…“ und „Songs of Moors & Misty Fields“ noch eine Spur anders, aber nicht weniger ergreifend. Obwohl es auf dem Festival keinen offiziellen Headliner gibt, legen sich EMPYRIUM mächtig ins Zeug, um den Erwartungen gerecht zu werden, welche die Fans hatten. Besonders die „Weiland“ Phase wird frenetisch abgefeiert und unterstreichen in Sachen gefĂĽhlvoller Gesangsarbeit den Status dieser Band. Der Spagat zwischen zerbrechlich und schĂĽchtern, mit seltenen aggressiven AusbrĂĽchen, wird hier gut zelebriert und die brechend volle Balver Höhle freut sich.
Krankheitsbedingt war von vornherein klar, dass ich leider nicht das volle Prophecy Fest mitnehmen konnte. Dennoch wollte ich mir die nächste Band nicht entgehen lassen und so ging der Vorhang auf für
TENHI. Der Fehlerteufel, der sich bereits bei Schwadorf & Co eingenistet hatte, machte es sich beim Soundcheck hier nun richtig gemütlich. Die Band hörte sich nicht und so brauchte es drei Anläufe, ehe der erste Song komplett gespielt werden konnte. Kann man bei dem Aufgebot jedoch rasch verschmerzen, denn mit einem richtigen Piano und Schlagzeug am Start braucht es halt seine Zeit. Bemerkenswert daran ist, wie schnell die Truppe auf den erhabenen Modus umschalten kann, sei es durch das Zusammenspiel der Stimmen oder durch die Komplette Instrumentierung. Die Atmosphäre wurde in Sekunden durch die Höhle verteilt und legte sich in einem charismatischen Schleier auf die Audienz, die der Band entsprechend huldigte. Ein Special Set wurde angekündigt und obwohl ich leider nur kurz reinh ören konnte bin ich mir sicher, dass TENHI einen sehr emotionalen Auftritt mit Gänsehautgarantie abgeliefert haben.
Auf der Autofahrt zurück blieb noch etwas Zeit, um in die EP von WÖLFJAGER rein zu hören, die komplett auf Plattdeutsch eingespielt wurde. Während ich mich noch frage, wie sich VEMOD als letzte Band wohl noch geschlagen haben, lasse ich nochmal kurz den gesamten Tag auf mich wirken.
Fazit: Sehr geile Location, eine familiäre Atmosphäre (bei ca. 1300 Besuchern), vielfältiges Programm (Konzerte, Lesung, Ausstellung), coole Merchandise Aktion (Wühlstube deluxe) und mit Herzblut aufgemachtes Fest (Programmbuch mit Hardcover und CD). Gutes Essen, moderate Preise und alles in weniger als einer Minute erreichbar. Die Veranstalter haben hier definitiv alles gegeben, um den Fans ein richtig geiles Fest zu kredenzen, was definitv gelungen ist! Die Bandauswahl ist sehr vielschichtig und geht über den Tellerrand hinaus, während coole Aktionen wie Lesung und Ausstellung das Programm abrunden. Für den 30.07.2016 ist bereits das nächste Prophecy Fest in der Balver Höhle angekündigt worden. Wer es also familiär, vielseitig und dennoch Festivalmäßig mag, wurde hier vollständig glücklich gemacht. Sämtliche Daumen ausnahmslos nach oben und DANKE für ein richtig geiles Fest!
Radu
[...] auf dem Prophecy Fest gab es auf der Lesung erste Eindrücke, die ihr in unserem Konzertbericht nochmal nachlesen könnt. Metal ImpressionsWirb ebenfalls für deine Seite [...]
Posted on November 9th, 2015 at 09:29
[...] dem Erfolg des 1. Prophecy Fests in der Balver Höhle (siehe Live Bericht) folgt am 29. und 30. Juli 2016 der zweite Streich. Erneut werden sich Bands und Künstler [...]
Posted on Januar 11th, 2016 at 06:58
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