REVIEW: SEBASTIAN RADU GROß
Aschendämmerung
Es gibt Kunst, die sich dem Konsumenten von Anfang an öffnet und diese, die eine gewisse Zeit braucht um die volle Tiefe zu entfalten. “Aschendämmerung“ von Sebastian Radu Groß zählt ohne Zweifel zur zweiten Kategorie, strotzt dieses Werk doch nur so vor Detailreichtum und eigenständigen Facetten. Doch kommt dies beim Leser auch an oder verliert sich der Autor eben in diesem Geflecht aus Ideen?
“Aschendämmerung” stellt sowohl Fortsetzung, als auch Prequel des Gedichtbandes “Seelenwerke” dar, welches von Kritikern durchweg positiv aufgenommen wurde. Im Gegensatz zum Vorgänger beschränkt sich “Aschendämmerung” jedoch nicht auf die Kunstform des Gedichtes, sondern versucht sich im Ausdruck durch verschiedene Stilarten. Daher ist das Buch im Prinzip in zwei Hälften aufgeteilt: der erste Teil beinhaltet Lyrikstücke, während der zweite Teil in Romanform die Geschichte erzählt und von der beiliegenden CD musikalisch untermauert wird. Diese Aufteilung verhilft dem Leser zu einem leichteren Zugang zur Geschichte und sorgt für Abwechslung.
Im ersten Teil, der wie erwähnt in kurzen Gedichten verfasst ist, wird der rastlose Wanderer aus “Seelenwerke” erneut in den Vordergrund gerückt. Er befreit sich aus seinem Kerker und macht sich auf, um die Welt erneut zu bereisen. Schnell muss er jedoch feststellen, dass sich in dieser Welt einiges verändert hat und auch seine verloren geglaubte Liebe an Bedeutung verloren hat. Bei seinen Reisen fokussiert er sich auf die Suche nach verwandten Seelen, um so das Geheimnis des Todes zu ergründen. Eine Besonderheit liegt hierbei in der Aufteilung in kurze Gedichte. Die einzelnen Abschnitte funktionieren nämlich sowohl als eigenständige Lyrik, wie auch als Bestandteil des Gesamtkonzeptes. Auch nach mehrmaligem Durchlesen entdeckt man immer wieder neue Details und kann eigene Interpretationen des Handelns des rastlosen Wanderers anstellen. Dieser hält dem Leser jedoch auch stellenweise einen Spiegel vor das Gesicht und reflektiert das umtriebige Streben der Menschen nach Antworten und einem Sinn. Stilistisch erinnert dieser Teil des Buches etwas an Hugo von Hofmannsthal. Es wird eine starke Atmosphäre aus Melancholie und Hoffnung erzeugt, welche das eigene Verständnis von Glauben und Glück hinterfragt, ohne dabei bestimmend zu agieren. Freunde vielschichtiger Lyrik werden hier ihre Freude haben!
Der zweite Teil ist durch seine Romanform um einiges leichter zugänglich als der erste. Der Leser erfährt Einzelheiten über die Hintergründe des rastlosen Wanderers und kann sich dadurch noch besser mit diesem identifizieren. Einige Passagen des ersten Teils werden durch diese nähere Beleuchtung des Hauptcharakters besser verständlich, sodass sich ein mehrmaliges Lesen durchaus lohnt. Die beiliegende CD ergänzt die zweite Hälfte und baut inhaltlich auf diesem auf. Es werden drei Songs der Gothic-Metal Band ANIMA MORTALIS präsentiert, in der der Autor auch tätig ist. Durch diese Vermischung unterschiedlicher Medien wird die Geschichte noch lebendiger und der Leser auf verschiedene Ebenen gefordert. Leider ist die Produktion der Songs noch ausbaufähig und lässt so das Potential nicht vollkommen genutzt.
Besondere Beachtung sollte das Cover, ein mehrere Jahrhunderte altes Bild aus dem Familienbesitz des Autors, erhalten. Dieses zeigt einen alten Mann, der gedankenverloren in die Leere schaut und hervorragend zum Protagonisten des Buches passt. Im Hintergrund ist ein Friedhof zu sehen, welcher die Suche des rastlosen Wanderers nach dem Geheimnis des Todes nochmals darstellt und das Gesamtwerk hervorragend abrundet.
“Aschendämmerung” ist Kunst! Man muss sich die Inhalte und Lehren des Buches erarbeiten und hierfür viel Zeit investieren. Dafür wird man jedoch mit einem vielschichtigen und weitsichtigen Blick auf die Menschheit belohnt!
5/6 Punkten
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