ATROCITY INTERVIEW Part II

Posted by Radu On April - 1 - 2013

Willkommen zum zweiten Teil des ATROCITY Interviews, bei dem Alex Krull Hintergründe zu den Geschichten der Songs offenbart. Es wird paradox, humorvoll und gleichzeitig tragisch werden. Aber genug der langen Einführung, auf geht´s:

ATROCITY Special

„Murder, Blood, Assassination“
328050Eigentlich ein typischer Death Metal Titel, der auch schön direkt in die Kauleiste gebrettert wird. Allerdings geht es hier nicht um irgendwelche Gedärme oder Innereien, sondern um die Ermordung des römischen Imperators Cäsar. Gemäß den Legenden, hatte seine Frau Calpurnia bereits im Vorfeld Alpträume und Visionen, die alle die selbe Botschaft in sich trugen: ihr geliebter Gatte sollte in einer bestimmten Zeit nicht in den Senat gehen. Auch ein Hellseher warnte Cäsar ebenfalls im Vorfeld eindringlich, wurde aber nicht ernst genommen. Cäsar tat die Alpträume und Visionen als Unfug ab und ließ sich nicht davon abhalten, seine politische Machtstellung weiter zu festigen und vor dem Senat zu vertreten. Sein engster Vertrauter Brutus verriet ihn jedoch und so kam es, dass Cäsar an dem besagten Tag von den Senatoren bestialisch erdolcht wurde.

Der Song beschäftigt sich inhaltlich weniger mit dem Akt des Tötens, sondern hat die Traumdeutung und visionäre Fähigkeiten als Schwerpunkt. Können unsere Träume uns vor Gefahren warnen oder bereits Geschehenes von einem anderen Ort aus sehen? Die Wissenschaft gerät hier ebenfalls an ihre Grenzen, weil die Traumdeutung nicht eindeutig erforscht werden kann. Lediglich Teilaspekte werden zusammengebaut, um ein fundiertes Gesamtbild zu entwerfen. Visionen und Zukunftsträume bleiben weiterhin ein großes Mysterium der Menschheit.

„Necromancy Divine“
ATROCITY_OKKULT_CoverHexen haben in Märchen und Geschichten einen besonderen Stellenwert in unserer Gesellschaft erhalten. Angefangen von dem grausamen Kapitel der Hexenverbrennungen, bis hin zu den Märchen, in denen sie Kinder erschrecken und morbide Rituale durchführen, sind sie in unserer Gesellschaft fest verwurzelt. Ein dunkles Kapitel wird mit diesem Stück aufgeschlagen: Es handelt von der Hexe Erictho, der auch das Cover der Platte gewidmet ist. Sie war eine antike Totenbeschwörerin und hat in der Zeit des römischen Bürgerkrieges von Cäsar und Pompeius ca. 50 v. Chr. gelebt. Es ranken sich obskure Mythen und Legenden um die Hexe Erictho. Beispielsweise soll sie auf den Schlachtfeldern die Toten aufgesucht und zu sich in ihre Gruft genommen haben, und ihre dunklen Rituale durchzuführen. Sie holte die Toten für kurze Zeit zurück ins Leben, um ihnen Geschehnisse aus der Zukunft zu entlocken. Dazu musste sie kochendes Blut in die toten Körper einflössen und sie peitschte diese mit Schlangen aus. Satanismus gab es in dieser Zeit natürlich noch nicht, dies war vielmehr Hexerei und Dämonologie in seiner reinsten und ursprünglichsten Form.

„Allerdings sah sie bestimmt nicht so gut aus, wie unser Covermodell“ gibt Alex grinsend zu Protokoll. Dabei ist die Entstehungsgeschichte ebenfalls sehr interessant. „Wir haben längere Zeit eine geeignete Location gesucht, um ein passendes Foto für das Cover zu machen. Wir wollten eine Gruft oder ein altes Grab haben. Viele haben meine Anfrage abgelehnt, aber letztendlich haben wir etwas in unserer Nähe gefunden, das wir nutzen konnten. Es war saukalt und wir mussten die Location künstlich beheizen, damit die Schlangen keinen Schaden nehmen. Da wird dir schon ganz anders, wenn zu deinen Füßen eine Vielzahl von Schlangen herumkriechen.“ Ein besonderes Lob gebührt an dieser Stelle dem Modell. „Alles was du auf dem Cover siehst ist echt. Es wurde so gut wie gar nicht mit Photoshop gearbeitet. Sie musste sich die ganze Zeit mit den Schlangen bewegen, damit diese auch richtig auf dem Cover zur Geltung kommen. Das war eine echte Herausforderung, die sie sehr gut gemeistert hat.“ Das Cover unterstreicht die Tatsache, dass die Mühen sich gelohnt haben.

„Satans Braut“
HexenverbrennungObwohl es ein sehr tanzbarer Track ist, ist die Thematik alles andere als feierlich. Die Geschichte konzentriert sich auf das dunkle Zeitalter der Hexenverfolgung, die überraschenderweise im mitteleuropäischen Raum ihren Schwerpunkt hatte. Manipulation der Kirche, aber auch die Angst der einfachen (und damals bei weitem ungebildeten) Bürgern brachte eine brutale Mordwelle ins Rollen, die biblische Ausmaße erreichte. „Der Bildungsstand und die hygienischen Verhältnisse waren damals jenseits von Gut und Böse“ erklärt Alex. „Jeder hatte Angst, von seinem Nachbarn angeklagt und durch die Inquisition zum Tode verurteilt zu werden.“ Die Hexenprüfungen waren für die Verurteilten eine Todesstrafe mit unterschiedlichem Ausgang; wurde man der Hexerei angeklagt hatte man die Option dies zu gestehen (was zum Tod durch den Scheiterhaufen führte) oder gefoltert zu werden und danach eine Hexenprüfung zu absolvieren. Die Folter gestaltete sich vielfältig: angefangen von dem bloßen Anblick der (extrem brutalen) Folterinstrumente, bis hin zur Durchführung der Folter hatte man die Wahl zwischen Schmerzen oder einem offiziell anberaumten Tod. Sofern man nicht bei der Folter starb, wurden Hexenprüfungen durchgeführt. Als Beispiel sei hier die Wasserprobe erwähnt: man beschwerte die angeklagte Person mit Steinen und warf sie in einen Fluss. Sofern sie ertrank erkannte man ihre Unschuld offiziell an und sprach ihre Seele frei von Sünde, wobei sie einen „ehrenhaften“ Tod starb. Konnte sie sich irgendwie aus ihrer misslichen Lage befreien und die Prüfung überleben, wurde sie offiziell als Hexe ausgerufen und zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt. Die Anklagegründe waren dabei oft vielfältig und reichten vom simplen Muttermal oder Kräuterkunde, bis hin zu Intrigen, Eifersuchtsdramen oder politischen Hintergründen. Kurz gesagt, jeder konnte angeklagt werden, wenn man sich nur etwas originelles ausgedacht hat was dazu führte, dass teilweise ganze Dörfer ausgelöscht wurden. Durch den „Hexenhammer“ wurde die Hexenverfolgung quasi legitimiert. Veröffentlicht wurde das Werk im Jahr 1486 durch den Dominikaner Heinrich Kramer. „Ich denke, dass Kramer ein echtes Problem hatte“ kommentiert Alex die Persönlichkeit, die hinter unzähligen der „Hexenmorde“ stand. „Er hat seinen Hass auf Frauen durch den „Hexenhammer“ kompensiert. Hinzu kam noch der Hunger nach Macht, und ein krankhafter Hang Menschen gegeneinander aufzuhetzen, Intrigen zu stiften, und die Ängste der Menschen für seine Zwecke zu nutzen. Krankhaft sind auch die Wesenszüge des Priesters. Von Selbstgeiselung bis zur grausamer Folter unschuldiger Opfer vereint Kramer alle Eigenschaften eines kranken Psychopathen“ Die Geschichte einer der sogenannten Hexen aus dieser Zeit, ist dabei paradox und tragisch zugleich. Eine willensstarke Frau aus dem süddeutschen Raum wurde als Hexe angeklagt, wobei jedoch jegliche Beweise fehlten. Sie wollte sich nicht der Obrigkeit und der unhaltbaren Anklage beugen, was dazu führte, dass man sie völlig unschuldig in einen Turm sperrte. Nach einer gewissen Zeit wurde sie von den Wächtern mehrfach vergewaltigt und schwanger. Angst und Verzweiflung trieben sie dazu, niemandem davon zu erzählen und da sie weiterhin vergewaltigt und geschändet wurde, brachte sie ein totes Kind zur Welt. Sie verheimlichte dies so gut es ging und versteckte den Leichnam unter dem Stroh ihrer Zelle. In einem unbeobachteten Augenblick wollte sie sich des toten Kindes entledigen, um auch den letzten Beweis von dessen Existenz zu tilgen. In ihrer Verzweiflung quetschte sie den toten Babykörper zwischen die Gitterstäbe nach außen, wo es aus dem Turm direkt auf die Straße fiel. Passanten entdeckten den toten Babykörper. Somit hatten ihre Peiniger endlich einen „handfesten Grund der Anklage“, und verurteilten die verzweifelte Frau wegen „Kindmordes“, woraufhin die Todesstrafe stand. So war sie eine der vielen unschuldigen Opfer, die auf dem Scheiterhaufen ihr Leben ließen.

Obgleich die Geschichte sehr tragisch ist, wartet Alex mit einer lustigen Anekdote zur Entstehung des Songs auf. „Wir hatten ´Satans` Braut schon komplett ausgetüftelt und es mussten nur noch die Gesangslinien fertig gestellt werden. Gitarrist Sander und Schlagzeuger Joris sind ja Holländer und waren auf meine Vocaldarbietung nicht ganz vorbereitet. Sie staunten nicht schlecht, als ich plötzlich auf deutsch gesungen habe. Allerdings nach den ersten Durchläufen hatte sich der Song gleich in den Köpfen festgesetzt, so dass man die beiden nur noch mit einem gewissen Dauergrinsen im Studio gesehen hat. „Satans Braut“ gehört zu ihren absoluten Favoriten.“

`Todesstimmen`
white noiseGrundlage dafür bietet ein Kriminalfall aus Wien. Ein Mord wurde dadurch aufgeklärt, indem ein Kommissar einen Bekannten zu Rate zog, der durch Stimmen aus dem Jenseits die fehlenden Hinweise bekam, um letztendlich die Beweise zu liefern und den Fall zu lösen. Die Stimmen kamen jedoch nicht aus Visionen, sondern mittels Funkfrequenzwellen. Das Phänomen ist unter dem Namen „Weißes Rauschen“ bekannt und beinhaltet ein mathematisches Modell zur Beschreibung zufälliger Schwankungserscheinungen. Dabei sind gelegentlich Frequenzen ausfindig gemacht worden, die sich wie Stimmen und Geräusche aus einer Parallelwelt anhören. Was man daraus deutet ist wissenschaftlich nicht eindeutig erwiesen und auch individuell zu erklären. Es gibt mittlerweile auch viele Horrorfilme (Beispiel: „White Noise – Schreie aus dem Jenseits“ oder „Fürchte das Licht“) und Literatur, die sich mit diesem Phänomen beschäftigen.

Passenderweise wurde hierzu die kanadische Sounddesignerin Katie Halliday, die sich bereits fĂĽr die Soundeffekte bei den „Saw“ Filmen verantwortlich gezeigt hat, an Bord genommen. Das Ergebnis könnte oberflächlich als Intermezzo abgestempelt werden. Wer genau hinhört, dĂĽrfte eine eigene Interpretation von dem StĂĽck und seiner Entstehungsgeschichte bekommen…

Fortsetzung folgt...
Radu

1 Response so far
  1. » Blog Archive » ATROCITY – Interview Said,

    [...] Fortsetzung folgt… [...]

    Posted on März 22nd, 2014 at 08:30

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