END OF GREEN – Interview
Interview END OF GREEN – 20 Years Of Self Destruciton
Ganze 20 Jahre ist es her, seit dem die ersten depressed Subcore Töne aus den Boxen schallten und END OF GREEN aus der Taufe gehoben wurden. Diesen Geburtstag feiern die Jungs zusammen mit ihren Fans auf einer ausgiebigen Tour. Sad Sir nahm sich die Zeit, um mit uns über Entwicklung, lebensgefährliche Videodrehs und komplizierten Stadtnamen zu plaudern.
Erste Schritte
Fans der ersten Stunde werden sich tierisch erschrocken haben, wenn sie die „Infinity“ hören und vor kurzem auf das Veröffentlichungsdatum geschaut haben. Das gute Stück hat bereits 20 Jahre auf dem Buckel und klingt immer noch unverbraucht frisch. Wie kam es eigentlich zur Gründung und zum Bandnamen. „Ich war damals noch gar nicht mit dabei“ beginnt mein Gesprächspartner. „Es war die klassische Geschichte vom Dorf: man liebt Musik, hat im Sportverein kaum eine Chance und eigentlich auch keine Lust und ist auch sonst nicht sonderlich cool: setzt man sich eben mit Freunden in den Keller und macht Musik. Der Name geht auf die Farbe der Hoffnung zurück: Grün. Die ursprüngliche Band wurde zuerst aber MTH benannt. Und mir fällt gerade ehrlich gesagt nicht ein, wofür das stand.“ Die Vorgehensweise zum Songwriting ist dabei bis heute fast gleich geblieben. „Einer hat eine Idee, die anderen kloppen ihre Ideen dazu und am Ende klingt nichts mehr so, wie’s am Anfang war, sondern viel besser. Heute kommt uns nur die Technik ein Wenig entgegen: wir können Ideen kurz am Rechner aufnehmen, damit wir sie nicht wieder vergessen. Aber das Prinzip ist das gleiche geblieben. Fünf Leute, wenn es allen richtig gut gefällt, dann ist es ein Lied.“ Schaut man sich die Diskographie etwas genauer an, bemerkt man den einen oder anderen Wechsel in den Plattenfirmen. Das Musikbusiness schenkt einem nichts, doch die Jungs sehen das gelassen. „So schlimm war das gar nicht. Erste Platte, Nuclear Blast. Wir waren aber einfach zu jung. Zweite Platte: Sub Zero, wir waren ein bisschen „fuck You“-mäßig unterwegs. Dritte Platte: Silverdust, vierte, fünfte, sechste und siebte auch. Ich glaube, wir haben da eine Stetigkeit, beziehungsweise Vertrauen gefunden. Jetzt, mit dem Ende von Silverdust, haben wir mit Napalm Records eine Plattenfirma gefunden, die sich für uns interessiert. Ich denke, das ist für uns mit das wichtigste Kriterium bei einem Label. Dass man uns versteht.“
Live & loud
Der selbst betitelte Stil „Depressed Subcore“ zieht sich wie ein roter Faden durch alle Alben von END OF GREEN. Live sind sie jedoch keine Kinder von Traurigkeit und pfeffern ordentlich ihre Songs raus. „Ich kann mich nur an meinen ersten Auftritt mit der Band erinnern“ blickt Sad Sir zurĂĽck. „Im Stuttgarter LKA Longhorn. Das war wild und ich war aufgeregt. Danach war ich betrunken – glaube ich.“ Um die Band zu verstehen, muss man beide Seiten von END OF GREEN kennen: die Platten und die Liveband. Zusammen ergibt das END OF GREEN. Dabei entwickeln manche Lieder bei Konzerten einen ganz anderen Charme, als auf der Platte. Bei der Frage nach besonders magischen Momenten des Tourlebens, gerät mein Gesprächspartner ins Schwärmen. „Es gibt ständig Momente, die ich mir ins Gehirn tättowieren möchte, damit ich sie nie wieder vergesse – komme was da wolle. Das ist das Schöne daran, in einer Band zu spielen. Wir fahren durch die Gegend, dĂĽrfen unsere Lieder spielen und ich erinnere mich dabei genauso gerne an ein Konzert bei dem 37 Leute vor der BĂĽhne standen, wie ich auch an riesengroĂźe Openairs denke. Alleine im Morgengrauen an einer Tankstelle mit einem Becher Kaffee auf die Autobahn zu schauen ist manchmal ebenfalls ein unbezahlbarer Moment. Oder wenn die Eltern zum ersten Mal aufs Konzert kommen.“ Neben sehr einprägsamen Momenten gibt es da natĂĽrlich auch das eine oder andere schräge Tourerlebnis. „Vieles entsteht dabei aus unserer Chemie. Auf Tour sind wir neun Leute – und jeder einzelne hat einen anders gearteten Dachschaden. Viele von den Dingen, ĂĽber die wir uns kaputtlachen, sind fĂĽr andere nicht mal ansatzweise schmunzelnswert. Wir wurde aber mal in Ă–sterreich erst mit Hubschraubern beobachtet und dann im Wald von einem Polizeiaufgebot gestellt. Man hielt uns fĂĽr Grenzschleuser. Der Moment in dem der Polizist fragte „Wo kommen sie her?“ und nicht einer von uns den Stadtnamen „Heidenreichstetten“ richtig sagen konnte, war sehr amĂĽsant. Neun stammelnde Typen „Heidenstattrichdorfenähstadtstettenreich….“. Ich erinnere mich auch gerne an kreativen Vandalismus. Wenn ich mich recht entsinne, haben wir mal mitbekommen, wie jemand in einem Hotel in der Nacht alle Zimmerschilder vertauscht hat. Am nächsten Morgen war Zimmer 3 dann Zimmer 45, 7 war 19, der Konferenzraum im ersten und die Sauna im vierten Stock.
Musikalisches Tagebuch
Den Alben hört man eine ständige Weiterentwicklung an; „Infinity“ wälzte sich teilweise schwerfällig aus den Boxen, strotzte aber gleichzeitig mit innovativen Ideen. „Believe My Friend“ schien manchen recht dreckig und räudig rüber zu kommen, ohne was vom bandeigenen Flair zu verlieren. Danach erscheint es, dass die Jungs sich auf eine Entwicklungsrichtung eingeschossen habt, bis mit „Dead End Dreaming“ auch die Charts geknackt wurden. Hinter jeder Platte steckt eine eigenen Geschichte, die zur Entwicklung der band beigetragen hat. „Es ist merkwürdig, die alten Lieder zu hören. Weil ich mich sofort an die damalige Stimmung erinnern kann. Vergleichbar ist das vielleicht damit, ein altes Tagebuch aufzuschlagen. Jede Platte ist eine Momentaufnahme der Zeit, in der sie entstanden ist –anders geht das gar nicht. Wir mögen die sind die schlechtesten Planer der Welt sein, aber wir können eines: Bauchgefühl. „Believe My Friend“ fällt – glaube ich nur aus dem Rahmen, weil das Cover etwas bunter ist. Ernsthaft. Die Entwicklung passiert automatisch. Und so lange man nicht AC/DC, die Ramones oder Motörhead ist, sollte das auch immer wieder so sein. Nichts schlimmeres, als die Typen, die dir alle paar Monaten den gleichen Witz erzählen. Außer Motörhead, Ramones und AC/DC, natürlich. Ich höre oft, wir sollten mal eher wieder wie auf „Songs For A Dying World“ klingen. Warum? Wir haben die Platte doch schon gemacht.“ Neben musikalischer Weiterentwicklung wurden auch fleißig die Pseudonyme mit jedem Album verändert. Allerdings steckt nichts mystisches dahinter, wie mein Gesprächspartner berichtet. „Oh, das ist ganz einfach. Unsere bürgerlichen Namen sind nicht sonderlich glamourös, im Gegenteil: eher witzig. Früher haben wir unsere Pseudonyme in regelmäßigen Abständen geändert. Die letzte Änderung war Lusiffer, statt Kardinal Mazinger. Er ist damals gerade aus der Kirche ausgetreten.“ Mit dem kommerziellen Erfolg, können allerdings auch Probleme auftreten. Viele Bands neigen dazu, ihr Songwriting an den Wünschen der Fans anzupassen und gleichzeitig an Identität einzubüßen. „Wenn man mit diesen Gedanken zu spielen anfängt, ist der Ofen bald aus“ gibt Sad Sir zu Protokoll. „Mir ist „kommerziell“ auch nicht greifbar genug. Ich meine Heaven Shall Burn erreichen eine weit größere Gemeinde, ist das dann auch „kommerziell“? Unsere Liebe für gute Melodien, ein bisschen Pop und Refrains war schon immer da. Das mit Füßen zu treten, wäre nicht „real“. Wir sind in der glücklichen Lage, dass sich Metaller, Goths, Punker und noch viele mehr auf unsere Lieder einigen können. Das ist eher ein Grund zur Freude, als zur Nachdenklichkeit. Ich möchte, dass unsere Musik gehört wird. Gerne von vielen Menschen.“ Nach dem Erfolg des Albums „Dead End Dreaming“ folgte „The Sick´s Sense“. Die Langrille kam mit der straighten und aggressiven Riffs daher und wirkte für einige wie ein Befreiungsschlag. Stellt sich die Frage, in wie weit der Erwartungsdruck sich auf das Songwriting auswirkte. „Ganz ehrlich. Was das Songwriting anging – da war kein Druck. Wir gingen allerdings kurz vor The Sick’s Sense durch die bisher härteste Phase unserer Band. Es war ekelhaft, desillusionierend und umso schwungvoller sollte unser Befreiungsschlag werden. Die Platte mag nicht 100% Metal sein, dafür ist sie 200% Seele und „Fuck You“. Wenn ich heute zurückschaue liegt genau da der Unterschied zu vielen anderen Bands. Diese Freundschaft, die wir haben kann nicht zerstört werden.“
Das Auge isst mit
Das erste offizielle Video wurde zu `Dead End Hero`gedreht. Die Entstehung dazu ist eine Zusammenarbeit von Band und Fans. „Wir haben dazu aufgerufen, Sonntagmittags in diesen Club zu kommen und mit uns ein richtiges „Rockvideo“ zu drehen. Freunde, Bekannte, Fans, Schaulustige – wer Zeit und Lust hat. Das war ein großer Spaß – und insofern auch ein Statement. Besonders weil man uns damals als mobiles Selbstmordkommando gesehen hat. Im Nachhinein denke ich sogar, wir hätten das noch viel bunter und überzogener machen sollen. Mehr Glam.“ Seit dem Startschuss ist es Tradition geworden, zu jedem Album ein Video zu veröffentlichen. Was dabei flüssig und charismatisch wirkt, ist das Ergebnis von harter Arbeit. „Ich mag es, Videos von anzuschauen“ schickt Sad Sir voraus. „Die Drehs waren aber jedes Mal ein riesen Stress. Wir arbeiten da ja nicht mit Budgets wie andere Bands. Wenn’s dumm läuft hälst du eine Lampe und ein Kabel, waährend du gefilmt wirst. „Tie Me A Rope“ war da bislang die beste Erfahrung. Für die „Spielszenen“, haben wir die Musik in doppelter Geschwindigkeit auf Walkman-Kopfhörern eingespielt bekommen. Und überall liefen Spaziergänger durch den Wald. Ganz zu schweigen von dem Kick voll bekleidet in arschkaltes Wasser zu springen. Und wenn Du denkst, „ich habe es überlebt“, dann kommt der Regisseur und sagt: „Leg dir bitte die Gewichte an, damit es dich richtig in die Tiefe zieht“. Eine weitere Konstante sind die Cover der jeweiligen Platten. „All unsere Cover wurden von Kerker gemacht. Das ist der rote Faden bei uns. Er kennt sich nämlich mit unserer Musik aus und mit Ästhetik. Ich finde es wichtig, dass Platten auch gut aussehen und das Gefühl der Musik weitererzählen. Das Cover von „The Sick’s Sense“ habe ich mir auf den Unterarm tättowieren lassen. So kann ich es immer mit mir herumtragen.“
Hinter den Kulissen
Leider kann man mit guter Musik nicht immer seinen Lebensunterhalt bestreiten. „Wir arbeiten alle noch. Das ist die große Kunst: Band, Freunde, Familie und Jobs in Einklang zu bringen. Es hilft auch ungemein dabei, nicht abzuheben oder doof zu werden. Leicht ist das nicht immer und ich möchte gar nicht nachzählen, wie oft ich bei Geburtstagen von Freunden nicht in der Stadt war. Aber sie verstehen das. Meine Miete bezahle ich durch die Schreiberei. Ich bin Redakteur, Journalist, Blogger und so.“ Hobbymäßig tobt sich mein Gesprächspartner mit Schreiben und der Musik aus (wenn es gut läuft auch gleichzeitig). Zusätzlich legt er gerne als DJ Platten auf. Auch in Sachen Musikformat gibt es hier eine klare Ansage: „Keine Frage, keine Diskussion: Vinyl! Klar, im Auto ist das eher mittelgeil, da bevorzuge ich dann die beigefügte CD oder den Downloadcode.“ Auf die Frage nach seinen All Time Favourites wird nicht lange überlegt. „Definitiv die Ramones. Sie konnten so viel in so kurzer Zeit sagen und haben es immer auf den Punkt gebracht. Lieblingsband. Definitiv. Auch Bands wie Thin Lizzy bewundere ich und Black Sabbath – ja, auch mit Ronnie James Dio. Auch Kiss fand ich meine gesammte Jugend toll, bis ich versucht habe eine 90er-Kassette mit geilen Liedern aufzunehmen. Nach 78 Minuten ungefähr wareen Kiss und ich mit dem Latein am Ende. Ich mag sie trotzdem. Die Liste der Bands, die ich gerne höre ist endlos: Afghan Whigs und Melvins stehen aber weit vorne.“
Blick nach vorne
Die Geburtstagstour neigt sich gleichzeitig mit dem Jahr dem Ende zu. Dennoch wird fleißig an Zukunftsplänen geschraubt. „Den ersten Teil der Tour habe ich wegen der Schokoladenkuchen schon gut an Gewicht zugelegt. Die Jubiläumstour macht aber auch ohne Süßigkeiten sehr viel Spaß“ lautet der erste Eindruck zur Tour. „Wir spielen jeden Abend annähernd drei Stunden. Querfeldein, was uns gerade einfällt. Manchmal fast vergessene Lieder. Pläne für eine neue Platte haben wir auch. Wir werden im Frühjahr 2013 im den Aufnahmen beginnen. Release steht im Sommer 2013 an.“
20 Years of self destrcution. END OF GREEN feiern diesen Geburtstag noch einige Tourdaten lang mit uns, bevor neue Gänsehautsongs eingetrümmert werden. Bleibt nur noch sich auf mehr Depressed Subcore zu freuen und die Jungs noch weitere Jahre zu begleiten. Happy Birthday und keep it dark!
Radu
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